Deutsche als Terrorkämpfer des IS: Verfassungsschutz: Von 130 Rückkehrern geht große Gefahr aus
Die Anziehungskraft von Dschihadisten bereitet dem Verfassungsschutz Sorge, weil immer mehr Deutsche zum Kämpfen nach Syrien reisen. Frankreich hat bereits reagiert.
Der Verfassungsschutz hat sich besorgt über die wachsende Anziehungskraft von Dschihadistengruppen wie dem Islamischen Staat (IS) auf deutsche Bürger gezeigt. "Die Sicherheitsbehörden können das Problem alleine nicht lösen", erklärte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen am Mittwoch in Berlin. Vielmehr sei die gesamte Gesellschaft gefragt, die Radikalisierung insbesondere junger Menschen frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Dies gelte insbesondere für das persönliche Umfeld junger deutscher Dschihadisten.
Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes sind bereits mehr als 400 deutsche Dschihadisten nach Syrien gereist - mutmaßlich, um sich dort extremistischen Gruppen anzuschließen. Von ihnen seien rund 130 inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt. Auch wenn es bislang noch keine Erkenntnisse über konkrete Pläne für Anschläge in Deutschland gebe, schreiben die Verfassungshüter diesen Rückkehrern ein "hohes Gefährdungspotenzial" zu.
Bei der Rekrutierung deutscher Dschihadisten komme dem Internet eine zentrale Rolle zu, hieß es beim Verfassungsschutz. Das soziale Netzwerk Facebook spiele eine wichtige Rolle bei der Kommunikation, zunehmend nutzten Dschihadisten auch Smartphone-Apps wie Instagram und WhatsApp. Aktuelle Ereignisse würden fortlaufend gepostet, verlinkt und "geliked". Dadurch werde der interaktive Charakter der Kommunikation in einer virtuellen Dschihad-Gemeinschaft verstärkt.
Maaßen wies darauf hin, dass die Möglichkeit des authentischen Miterlebens von Kampfhandlungen über das Internet stark emotionalisierend auf junge Dschihad-Sympathisanten wirke. "Durch die dort verbreitete Dschihad-Romantik wird eine virtuelle Nähe und Vertrautheit geschaffen, die weitere Ausreisen in den Dschihad fördert."
Neun deutsche Islamisten verübten Selbstmordanschläge
In Irak und Syrien haben offenbar bis zu neun deutsche Dschihadisten Selbstmordanschläge verübt. Nach Informationen von „Süddeutscher Zeitung“ (Mittwochsausgabe), NDR und WDR sind bislang mindestens fünf Anschläge sicher Tätern aus Deutschland zuzuordnen. Drei bis vier weitere Attentate würden derzeit noch untersucht.
Die meisten Selbstmordanschläge deutscher Terroristen im Auftrag des IS seien in diesem Jahr in den irakischen Kurden-Gebieten und Bagdad verübt worden. Dem Bericht zufolge werden die Täter aus Deutschland „Almanis“ genannt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte dem Blatt: „Wir wollen nicht, dass aus Deutschland der Tod in den Irak gebracht wird. Der Export von Terror ist unerträglich und muss unterbunden werden.“ Viele Selbstmordattentäter stammen laut „Süddeutscher Zeitung“ auch aus anderen europäischen Ländern. Die Anzahl der von Europäern verübten Anschläge habe sich nach Geheimdienst-Erkenntnissen seit Anfang März vervierfacht. „Die Anzahl der Europäer nimmt stetig zu, sie werden gezielt angeworben und sind brutaler als die Araber“, zitierte das Blatt den Sprecher der irakischen Streitkräfte, General Kassem Atta. Dem Bericht zufolgte hat ein verhafteter IS-Funktionär gestanden, im Juli einen deutschen Selbstmordattentäter in den Süden Bagdads gefahren zu haben, wo dieser einen Anschlag verübte habe, bei dem 54 Menschen starben. Die nordrhein-westfälischen Behörden gingen davon aus, dass es sich dabei um einen 21-jährigen Deutschen aus Ennepetal handele. Die Familie bestreite den Vorwurf, hieß es weiter.
Parlament in Paris beschließt Ausreiseverbot für potenzielle Dschihadisten
Die Abgeordneten des französischen Parlaments haben sich am Dienstagabend auf ein Ausreiseverbot für potenzielle Dschihadisten geeinigt. Die Maßnahme ist Teil eines Anti-Dschihadisten-Gesetzes, das in der Nationalversammlung debattiert wurde. Der Text zum Reiseverbot sieht bei der begründeten Annahme, dass sich französische Staatsbürger ins Ausland begeben, um sich an "Terroraktivitäten oder Kriegsverbrechen" zu beteiligen, den Einzug von Personalausweisen und Reisepässen vor.
Das Ausreiseverbot kann demnach sechs Monate lang bestehen bleiben und um bis zu zwei Jahre verlängert werden. Die Betroffenen könnten dagegen Rechtsmittel einlegen, sagte Innenminister Bernard Cazeneuve im Parlament. Indes drohen bei Missachtung des Reiseverbots bis zu drei Jahre Gefängnis und empfindliche Geldstrafen. Über den Text soll am Mittwoch formell im Parlament abgestimmt werden.
Cazeneuve zufolge reisten in der jüngsten Vergangenheit über 900 Franzosen nach Syrien und in den Irak. Die radikalisierten Rückkehrer aus diesen Ländern, wo die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) tätig ist, sehen die Behörden als hohes Risiko für die nationale Sicherheit. Tsp/epd/AFP