Terrormiliz "Islamischer Staat": Bundesregierung verbietet IS alle Aktivitäten in Deutschland
Die Bundesregierung verbietet es, Kennzeichen und Flaggen des "Islamischen Staates" zu verwenden. Die Mitglieder dürfen sich nicht mehr im Sinne des IS betätigen. Eine Studie zeigt jetzt die Motive, warum sich junge Männer dem IS anschließen.
Für die Bundesregierung steht fest: Der „Islamische Staat“ ist als Terrororganisation eine Bedrohung, „auch für die öffentliche Sicherheit in Deutschland“, wie Innenminister Thomas de Maizière am Freitag betonte. „Dieser Bedrohung treten wir heute entschlossen entgegen.“ Im Klartext heißt das, die Aktivitäten des IS werden verboten. Damit ist es untersagt, Kennzeichen der Miliz öffentlich zu verwenden. Anhänger und Mitglieder dürfen sich nicht mehr im Sinne des IS betätigen.
Das Verbot richtet sich nach Darstellung des Ministeriums vor allem gegen die Aktivitäten des IS hierzulande, da es keine eigenen vereinsrechtlichen Strukturen gäbe. Der „Islamische Staat“ rufe aber in deutscher Sprache dazu auf, sich ihm anzuschließen und an Kämpfen in Syrien und dem Irak teilzunehmen. Dabei setze er vor allem auf das Internet und soziale Medien. Mit dem Verbot solle vor allem verhindert werden, dass der IS weiterhin seine Propaganda in Deutschland verbreiten könne.
Als weiteren Grund führte der Minister an, die Gräueltaten des IS seien als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen auch in Deutschland strafbar. Veröffentlichungen belegten einen „grenzüberschreitenden Herrschaftsanspruch, der mittels Gewalt durchgesetzt werden soll“.
Das Verbot gilt auch für die Fahne des IS
Das Verbot gilt auch für die Verwendung der Fahne des IS, die den Beginn des islamischen Glaubensbekenntnisses sowie das sogenannte Prophetensiegel in weißer Schrift auf schwarzem Grund abbildet. Es richte sich nicht gegen islamische Symbolik allgemein, betonte das Ministerium. Es würden weder Teile des islamischen Glaubensbekenntnisses noch das Prophetensiegel an sich verboten.
Vereine mit Sitz im Ausland, die in Deutschland operieren, können laut Gesetz verboten werden, wenn sie etwa das „friedliche Zusammenleben“ von Deutschen und Ausländern oder Ausländergruppen untereinander beeinträchtigen. Verbote sind auch möglich, wenn die Vereinstätigkeit „erhebliche Interessen“ der Bundesrepublik gefährden. Darüber hinaus soll ein Verbot zulässig sein, wenn der Verein „Bestrebungen außerhalb des Bundesgebiets fördert, deren Ziele oder Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung unvereinbar sind“ oder er „Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange unterstützt, befürwortet oder hervorrufen soll“.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen müssen im Fall einer gerichtlichen Prüfung aber voll nachgewiesen werden. Einfache Verdachtsmomente genügen nicht. Die Behörden sind gehalten, belastbare Indizien beizubringen. Auch ist bei Verboten der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dennoch hatten Vereinsverbote auf Bundes- und Länderebene bislang gute Chancen vor Gericht.
Das IS-Verbot wird aber wohl wenig daran ändern, dass auch Deutsche weiterhin bevorzugt nach Syrien reisen, um sich dort als Kämpfer am „Heiligen Krieg“ zu beteiligen. Weit mehr als 400 Islamisten haben sich nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in den vergangenen zwei Jahren auf den Weg in die Krisenregion begeben. Wer sind diese Fanatiker? Aus welchem sozialen Umfeld kommen sie? Was treibt die Dschihadisten an? Wie haben sich diese Menschen radikalisiert? Darüber ist bislang noch wenig bekannt. Nun hat das Bundesamt für Verfassungsschutz eine unveröffentlichte Analyse erstellt, die dem Tagesspiegel vorliegt. Danach sind deutsche SyrienKämpfer grob zusammengefasst zumeist jung, männlich und häufig mit dem Gesetz in Konflikt gekommen.
Studie über die Motive der Täter
Die Studie basiert auf Informationen über bundesweit 378 Menschen, die bis Ende Juni 2014 aus vermutlich islamistischen Motiven Richtung Syrien aufgebrochen sind. Ziel der Untersuchung war es, den Kreis der „Ausreisegefährdeten“ genauer einzugrenzen, vor allem mit Blick auf eine möglichst wirksame Präventionsarbeit. Das scheint aus mehreren Gründen keineswegs ausgeschlossen. Zum Beispiel, weil es offenbar einige Zeit dauert, bis sich jemand zum Dschihadisten radikalisiert. Soweit bekannt, brauchte es dafür oft nicht Wochen oder Monate, sondern bis zu zwei Jahre – vielleicht Zeit genug, um noch gegenzusteuern. Hilfreich könnte dabei auch sein, dass ein Großteil der deutschen Kämpfer (fast 90 Prozent sind Männer) zwischen 21 und 25 Jahre alt ist. Und: Sie wurden zumeist durch Freunde beeinflusst, viel seltener durch das Internet. Bei 114 von 378 „Ausreisern“ war das nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes der Fall.
Andere Faktoren machen weniger Hoffnung für eine erfolgreiche Präventionsarbeit. Lediglich ein Viertel derjenigen, die sich nach Syrien aufmachten, hatte die Schule abgeschlossen. Ein Fünftel war zu diesem Zeitpunkt ohne Job, andere übten eine Tätigkeit aus, für die nur eine geringe Qualifizierung nötig ist. Hinzu kommt: 249 „Ausgereiste“ sollen laut Verfassungsschutz Straftaten begangen haben – zu Beginn wie während ihrer Radikalisierung. Noch etwas dürfte die Sicherheitsbehörden beunruhigen. Von 120 bekannten „Rückkehrern“ wurden 59 wieder zum Bestandteil der extremistischen Szene.