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Sie erlangten durch Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen nationale Bekanntheit. Nun werden die „Querdenker“ vom Verfassungsschutz beobachtet.
© Kay Nietfeld/dpa
Update

Sie seien von Extremisten unterwandert: Verfassungsschutz in Baden-Württemberg beobachtet „Querdenker“

Das Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg beobachtet die „Querdenken“-Bewegung als erstes in Deutschland. Diese hat ihren Ursprung in Stuttgart.

Das Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg beobachtet als erstes in Deutschland die „Querdenken“-Bewegung. Wie die Deutsche Presse-Agentur in Stuttgart am Mittwoch erfuhr, stufte das Landesamt „Querdenken 711“ als Beobachtungsobjekt ein. Nach Informationen des Tagesspiegels wird die Gruppierung als "Verdachtsfall" bewertet. Damit ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, wie die Werbung von V-Leuten, möglich. Der nächste Schritt wäre die Einstufung als klassisches Beobachtungsobjekt, wie es bei der NPD der Fall ist.

Die Gruppe, die seit Monaten gegen die staatlich verordneten Corona-Einschränkungen auf die Straße geht, radikalisiere sich und sei durch Extremisten unterwandert, hieß es in Sicherheitskreisen. Gründer der „Querdenken“-Bewegung ist der Stuttgarter Unternehmer Michael Ballweg.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) und Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube wollen am Vormittag (11 Uhr) über den Umgang mit der „Querdenken“-Bewegung informieren. Wie der Tagesspiegel aus Sicherheitskreisen erfuhr, war ein Grund für die Einstufung als Verdachtsfall die Nähe von Ballweg zum Spektrum der Reichsbürger. Ballweg und mehrere Anhänger waren im November in einer Gaststätte im thüringischen Saalfeld mit dem vorbestraften Reichsbürger Peter Fitzek und dessen Sympathisanten zu einem Strategietreffen zusammengekommen. Fitzek führt als "Peter I." das "Königreich Deutschland". Die 2012 gegründete Vereinigung spricht der Bundesrepublik die staatliche Legitimation ab.

Strobl hatte zuletzt vor dem zunehmenden Einfluss von Extremisten und Verfassungsfeinden in Reihen der „Querdenker“ gewarnt. Die Bewegung speise sich aus Reichsbürgern, Selbstverwaltern, Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern, die die Demonstranten instrumentalisierten.

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Der Stuttgarter „Querdenken“-Gründer Ballweg hat sich immer wieder gegen die Vorwürfe gewehrt. Zuletzt hatte der Unternehmer Ende vergangener Woche der dpa gesagt: „Wir sind eine friedliche Bewegung und keine politische Partei.“ Extremismus, Gewalt, Antisemitismus und menschenverachtendes Gedankengut hätten ebenso wenig Platz bei den „Querdenkern“ wie die Symbole dieser Denkweisen.

Anhänger der Initiative „Querdenken 711“, das Kürzel kommt von der Stuttgarter Telefonvorwahl 0711, und Ableger der Bewegung sind in den vergangenen Monaten in zahlreichen deutschen Städten gegen Beschränkungen in der Corona-Krise auf die Straße gegangen. Die Mischung der Teilnehmer ist vielfältig: Sie reicht von eher bürgerlichen Demonstranten, Esoterikern, Friedensbewegten bis hin zu Reichsbürgern und offen Rechtsextremen.

Zuletzt war es auch im Umfeld der Demonstrationen immer wieder zu Gewalt gekommen. Auch die Innenministerkonferenz will sich an diesem Donnerstag mit dem Thema befassen. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hatte bereits eine schnelle Beobachtung der Bewegung gefordert. Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer hatte „hinreichende Anhaltspunkte“ dafür ausgemacht. Auch Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte eine Beobachtung der Bewegung zuletzt nicht ausgeschlossen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz sagte dem Tagesspiegel, "in der sogenannten Querdenker-Bewegung oder zumindest in den Veranstaltungen, die von dort organisiert werden, treten auch Extremisten, Reichsbürger, Selbstverwalter und weitere Personen mit verfassungsfeindlicher Einstellung in Erscheinung. Sie sind Auslöser dafür, dass die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern auch in Bezug auf Veranstaltungen der sogenannten Querdenker-Bewegung ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen." Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD ließ am Mittwoch mitteilen, er werde beim Treffen der Innenministerkonferenz "stark dafür werben", die Querdenker durch den Verfassungsschutz bundesweit beobachten zu lassen. In Bremen hatten sich am Sonnabend trotz eines vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Verbots einer Demonstration hunderte Querdenker zu Kundgebungen versammelt. Es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, zwei Beamte erlitten Verletzungen. Die Einsatzkräfte erteilten mehr als 900 Platzverweise, schrieben 700 Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten und rund 70 Strafanzeigen, in mehreren Fällen wegen Landfriedensbruchs. (mit dpa)

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