zum Hauptinhalt
Der Sohn dieser Frau ist bei einer Razzia am 11. Dezember von der Polizei erschossen worden. 87 Menschen sind bei den Polizeieinsätzen ums Leben gekommen, einige Leichen waren gefesselt, viele mit einem Kopfschuss getötet worden. Mit der Opposition habe ihr Sohn nichts zu tun, klagte die Frau.
© Jean Pierre Aime Harerimana/REUTERS

Burundi vor neuem Bürgerkrieg?: Vereinte Nationen warnen vor Völkermord in Burundi

Die Afrikanische Union will eine Friedenstruppe in das zentralafrikanische Land schicken. Aber die Regierung in Bujumbura bezeichnet das als "Besatzung" und wehrt sich gegen die Entsendung.

Das Parlament in Burundi will keine Friedenstruppen der Afrikanischen Union (AU) im Land dulden. Das entschieden die Abgeordneten am Montag. Am Freitag zuvor hatte der AU-Friedens- und Sicherheitsrat die Entsendung einer 5000-köpfigen Stabilisierungstruppe in das zentralafrikanische Land beschlossen. AU-Sprecher Erastus Mwencha sagte: „Wenn sich die Situation fortsetzt, können Afrikanische Union und internationale Gemeinschaft sich nicht zurücklehnen und zuschauen, wie ein Völkermord sich genau dazu entwickelt.“ Im Beschluss des AU-Sicherheitsrats heißt es: „Afrika wird keinen weiteren Genozid auf afrikanischem Boden zulassen.“
Seit Beginn der Krise im April hat es an Warnungen vor einem Völkermord nicht gefehlt. Im Nachbarland Ruanda endete ein Genozid mit mindestens 800 000 Toten 1995. Dort hatten Hutu-Extremisten überwiegend Angehörige der Tutsi ermordet. Im Nachbarland Burundi endeten die Kämpfe zwischen beiden Gruppen vor zwölf Jahren mit dem Aruscha-Friedensabkommen. Hier starben rund 300 000 Menschen. Auch wenn der nach wie vor politische Konflikt um die vom Präsidenten Pierre Nkurunziza erzwungene dritte Amtszeit zunächst keine ethnische Komponente hatte, nehmen die Hassreden gegen die eine oder andere Gruppe zu.

400 Tote seit April

Im April hatte Nkurunziza angekündigt, dass er verfassungswidrig eine dritte Amtszeit anstrebt. Daraufhin begannen Proteste vor allem in der Hauptstadt Bujumbura. Im Mai überlebte Nkurunziza einen Putschversuch, im Juli ließ er sich wieder wählen. Die Opposition boykottierte die Wahl, die international als „nicht frei und nicht fair“ bewertet wurde. Nach Angaben des UN-Menschenrechtskommissars Zeid Ra’ad Al Hussein sind seit Beginn der Auseinandersetzungen 400 Menschen getötet worden – überwiegend von Nkurunzizas Polizei und der Jugendorganisation seiner Partei. 3500 Menschen sind festgenommen worden, ohne dass Anklage erhoben worden wäre und rund 220 000 Menschen sind in die Nachbarländer Tansania, Ruanda und Demokratische Republik Kongo geflüchtet.

Ohne Rücksicht auf Verluste und die Verfassung hat sich Pierre Nkurunziza eine dritte Amtszeit als Präsident gesichert.
Ohne Rücksicht auf Verluste und die Verfassung hat sich Pierre Nkurunziza eine dritte Amtszeit als Präsident gesichert.
© Lukas Lehmann/picture-alliance/dpa

Am 11. Dezember griffen bewaffnete Oppositionelle drei militärische Einrichtungen in der Hauptstadt an. Bei den darauf folgenden Razzien wurden nach UN-Angaben mindestens 87 Menschen getötet, viele durch einen Kopfschuss; einige waren gefesselt, als ihre Leichen gefunden wurden. Ein Stadtteil, in dem die Polizei viele Oppositionelle vermutete, wurde an dem Tag gleich drei Mal gefilzt. Polizisten und Geheimdienstmitarbeiter sollen nicht nur Jugendliche abgeführt haben, deren Leichen später gefunden wurden, sondern auch Geld, Mobiltelefone und andere Wertsachen verlangt haben. „Burundi ist explosiv. Das Land steht am Rande eines Bürgerkriegs“, sagte Zeid Ra’ad Al Hussein vergangene Woche in Genf vor dem UN-Menschenrechtsrat. Er verlangte „entschlossenes Handeln“ der internationalen Gemeinschaft, um eine weitere „Destabilisierung“ zu vermeiden.

Sind die afrikanischen Staats- und Regierungschefs für die AU-Friedenstruppe?

Nach dem Gewaltexzess sah sich die Afrikanische Union zum Eingreifen genötigt. Das sei eine Besatzungsarmee, sagte ein Sprecher Nkurunzizas dem katarischen Fernsehsender Al Dschasira. Er behauptete weiter, in Burundi sei es friedlich und die eigenen Sicherheitskräfte in der Lage, „die Ordnung wieder herzustellen“. Burundi hat selbst mehr als 1000 Soldaten und Polizisten als Blauhelme der UN verdingt und beteiligt sich für die AU am Einsatz in Somalia. Der Sold für diese Soldaten dürfte derzeit die größte Einnahmequelle der Regierung sein. Budgetzuschüsse aus Europa sind inzwischen gestoppt worden. Eigene Einnahmen hat Burundi kaum, zumal die Wirtschaft weitgehend zum Erliegen gekommen ist.

Burundis Regierung spricht von "Terroraktionen" gegen sie und wirft dem Nachbarland Ruanda vor, dass es die bewaffnete Opposition unterstütze. Ruanda streitet das ab.
Der UN-Sicherheitsrat hat die AU für ihren Beschluss einer Stabilisierungstruppe gelobt. Da Burundi die Truppe nicht dulden will, müsste der UN-Sicherheitsrat die Truppe nun selbst legitimieren. Die AU wiederum muss die afrikanischen Staats- und Regierungschefs überzeugen. Sie braucht eine Zweidrittelmehrheit in der AU-Versammlung, um gegen Burundis Willen Soldaten zu entsenden. „Das kann dauern“, sagt David Zoumenou vom südafrikanischen Thinktank Institute for Security Studies (ISS).

Wie gefährlich der Einsatz für Demokratie in Burundi ist, hat Pierre Claver Mbonimpa mehr als einmal erfahren. Zuletzt traf ihn am 3. August eine Kugel ins Gesicht, kurz nachdem er aus dem Gefängnis entlassen worden war, wo er seit Mai 2014 gesessen hatte. Mbonimpa hat die Menschenrechtsorganisation Aprodh gegründet. Am 1. Dezember verbot die Regierung die Organisation, nachdem sie zuvor die Konten eingefroren hatte. Der 67-jährige Mbonimpa schrieb im September in der „Zeit“ aus einem Krankenbett in Brüssel, wohin ihn Freunde nach den Schüssen verfrachtet hatten: „Die Kugel in meinem Kopf war die Antwort darauf, dass ich meiner demokratischen Pflicht nachgekommen war.“ Da wusste er noch nicht, dass im Oktober sein Schwiegersohn und im November sein Sohn erschossen werden würden. Der Sohn, Welly Nzitonda, war Stunden, bevor seine Leiche gefunden wurde, verhaftet worden.

Zur Startseite