Vorherrschaft in Asien: Verbünden sich die USA mit Nordkorea gegen China?
Nordkorea will vor allem seine Kim-Dynastie erhalten. Dafür könnte es auf seine eingeübte Schaukelpolitik zurückgreifen – diesmal zwischen den USA und China. Ein Gastkommentar.
Ein langer Händedruck, ein kurzer Sprung zurück über den Grenzstein nach Norden, ein gemeinsam gepflanzter Baum: Das Gipfeltreffen von Kim Jong Un und Moon Jae am Freitag hat gezeigt, wie sehr man auch in Korea, in Nord wie Süd, die große Geste, das starke Bild und das weihevolle Wort liebt. Die Gipfelregie krönte den Tag mit der Erklärung von Panmunjom, benannt nach dem Ort an der innerkoreanischen Grenze, an dem sich Kim und Moon trafen. Dass der Text im Grunde eine Variation der Erklärung des Gipfels von 2007 war, wurde in der Euphorie des Tages übersehen.
Dass es zu keinem wirklich verbindlichem Bekenntnis mit konkreten Handlungsanweisungen kam, konnte allerdings nicht weiter verwundern. Die Vorbereitungszeit war kurz. Kim und Moon mussten zunächst einen Draht zueinander finden. Vor allem aber war das Treffen nur ein Schritt auf dem Weg hin zum Gipfel zwischen Kim und US-Präsident Trump, anberaumt für Ende Mai oder Anfang Juni.
Kritiker wenden nun ein, dass alle bisherigen Gipfelerklärungen bereits Makulatur waren, ehe die Tinte der Unterschriften trocken war. Das mag stimmen. Diesmal indes könnte es anders sein. Mit einem bilateralen Treffen zwischen US-Präsident und nordkoreanischem Machthaber, historisch ohne Vorbild, könnte für Pjöngjang ein Point of no return erreicht sein. Der Preis nämlich für einen Rückfall in alte Verhaltensmuster wäre hoch, Militärschläge nicht ausgeschlossen. Beide Seiten sollten sich deshalb klarmachen, was sie voneinander erwarten können.
Im Kalten Krieg perfektioniert
Hauptziel der Führung in Pjöngjang ist der Erhalt der staatlichen Eigenständigkeit. Ein Friedensvertrag, der dieser Tage die Phantasien beschäftigt, ist dem lediglich untergeordnet. Nordkorea muss sich überlegen, wie es an diesem Ziel festhalten kann, sollte es sein Atom- und Raketenarsenal tatsächlich, und sei es nur schrittweise, abbauen. Mit seinem Gesprächsangebot an die USA, erfolgt im März, in der Woche der Eröffnung der Paralympics im südkoreanischen Pyeongchang, könnte das Land eine politische Praxis reaktiviert haben, die es über Jahrzehnte betrieben hat: die Schaukelpolitik, perfektioniert im Kalten Krieg, als es die Konkurrenz zwischen Moskau und Peking zu seinem Vorteil zu nutzen verstand. Nicht ausgeschlossen, dass die USA nun an die Stelle der damaligen Sowjetunion treten sollen.
Kim weiß natürlich um den Wettbewerb zwischen USA und China um die Vorherrschaft in Asien. Er ist dabei, sein Land zu einem Akteur innerhalb dieses Konflikts zu machen. Die Rede von den Bruderstaaten China und Nordkoreas ist schon lange hohl. Man misstraut einander zutiefst. China betrachtet Nordkorea als militärische Pufferzone und willfähriges Objekt der Rohstoff-Ausbeute. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von Peking ist enorm. Kim dürfte also an alternativen Bündnispartnern ein vitales Interesse haben.
Die USA müssen sich nun überlegen, wie sie mit einem kooperationsbereiteren Nordkorea umgehen wollen. Unter Obama galt Pjöngjang gegenüber die Devise der strategischen Geduld. Trumps Auftreten im ersten Jahr seiner Amtszeit könnten man als taktische Ungeduld bezeichnen. Auch wenn er damit in den Korea-Konflikt Bewegung gebracht haben mag: Nun ist wieder eine Strategie gefragt, und zwar keine des bloßen Abwartens wie unter Obama.
Was also, wenn die USA nun versuchen, Nordkorea in eine Interessengemeinschaft gegen China einzubinden? Natürlich muss dann auch über die innere Situation des Landes sehr genau gesprochen werden. Das ist angesichts der vielen freundlichen Bilder in diesen Tagen eher versäumt worden. Pjöngjang entspricht der westlichen Werteordnung wahrscheinlich genauso wenig Peking. In anderen Fällen ist Geopolitik auch schon mal unter rein machtstrategischen Erwägungen betrieben worden, durchaus auch in der Hoffnung, den Partner zu ändern.
Ein Deal mit Trump - und Peking würde nervös
Täuschen sollte man sich aber in Nordkorea nicht. Ein Deal mit Trump – Einstieg in einen Ausstieg aus dem Waffenprogramm gegen Lockerung der Sanktionen beispielsweise – dürfte Peking nervös machen. Und zu einer Verhaltensänderung gegenüber Pjöngjang bewegen. Dort wiederum weiß man, dass China nicht ganz so genau auf die innenpolitische Wirklichkeit seiner Partner schaut wie der Westen. Gut möglich, dass Kim dann in ein, zwei Jahren wieder Richtung Peking zurückschaukelt, wo er dann nach einer möglichen Teilabrüstung die Sicherheitsgarantien bekommt, die ihm die USA nicht so einfach geben können.
Es bleibt spannend in Fernost.
Dr. Lars-André Richter leitet das Büro Korea der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Seoul. Er hat Nordkorea rund ein dutzend Mal besucht.