Globaler Kampf um Vakzine: USA horten Astrazeneca-Impfstoff
In der EU bleibt der Impfstoff vorerst knapp. Trotzdem denkt auch der neue US-Präsident Biden denkt nicht daran, Vakzine mit anderen Staaten zu teilen.
Der britisch-schwedische Pharmakonzern Astrazeneca hat der Impfstrategie der EU erneut einen herben Rückschlag versetzt. Das Unternehmen kündigte an, noch nicht einmal die Hälfte der bis zur Jahresmitte ursprünglich zugesagten Impfstoffe an die EU liefern zu können. Gleichzeitig wächst in Brüssel aber auch der Unmut über die Impfpolitik in den USA – denn dort werden Millionen Impfdosen von Astrazeneca gehortet.
Ursprünglich hatte der Konzern der EU zugesagt, bis zur Jahresmitte 220 Millionen Dosen zu liefern. Nach den Angaben des Unternehmens werden es nun aber voraussichtlich nur 100 Millionen Dosen sein. Zur Begründung verwies der Konzern auf Exportbeschränkungen. Mit anderen Worten: Weil die Versorgung der EU mit Astrazeneca-Vakzinen über Produktionsstätten in Belgien und den Niederlanden noch nicht in Gang gekommen ist, versucht das Pharmaunternehmen den Ausfall mit Lieferungen über Drittstaaten außerhalb der EU abzufangen. Dort greifen aber nun die genannten Exportbeschränkungen.
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Im Zentrum der Kritik steht in EU-Kreisen vor diesem Hintergrund die USA. Während die EU den Export von Impfstoffen beispielsweise nach Kanada oder Mexiko zulässt, gelten in den USA umgekehrt strikte Ausfuhrbeschränkungen. Auch der neue US-Präsident Joe Biden hält bislang an der Verfügung seines Vorgängers Donald Trump fest, der zufolge US-Pharmakonzerne Corona-Impfstoffe bevorzugt an die USA liefern sollen.
Biden will „maximale Flexibilität“ bei der Impfkampagne
Derzeit werden in den USA Impfstoffe gehortet, obwohl sie auch in anderen Weltregionen dringend gebraucht werden. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, erklärte am Freitag, dass Biden Astrazeneca-Dosen für die Verimpfung in den USA reserviert habe, um eine „maximale Flexibilität“ bei der Impfkampagne sicherzustellen. Wie Psaki weiter ausführte, hätten die USA weltweit von zahlreichen Ländern Anfragen zur Überlassung von Impfdosen erhalten. Dennoch habe kein Staat Vakzine erhalten. Diese Strategie richte sich nicht gegen Europa, sagte die Sprecherin. Vielmehr habe die aktuelle Bewältigung der Pandemie in den USA Priorität. Psaki verwies darauf, dass in den USA weiterhin pro Tag 1400 Corona-Tote verzeichnet würden.
Auch der Konzern Astrazeneca ist von der „America First“-Politik beim Impfen betroffen. Die Firma riet Biden dazu, Impfdosen des britisch-schwedischen Konzerns mit anderen Weltregionen zu teilen. Astrazeneca hat bereits in den USA mit der Produktion der Vakzine begonnen, obwohl der Impfstoff dort noch gar nicht zugelassen ist. Nach US-Medienberichten liegen derzeit knapp zehn Millionen Astrazeneca-Impfdosen auf Halde.
Die USA profitieren ähnlich wie Großbritannien davon, dass sie im vergangenen Jahr bei der Bestellung der Impfstoffe schneller waren als die EU. Während die USA etwa bereits im Juli 2020 mit dem Hersteller Biontech/Pfizer handelseinig wurden, brauchte die EU bis November. Das schlägt sich nun in der Impfstatistik nieder. In den USA, wo Biden bis Ende nächster Woche eine vollständige Impfung von 100 Millionen Menschen erreichen will, beträgt die Impfquote derzeit rund 30 Prozent. In der EU liegt sie nur bei zehn Prozent.
Diskussionen über Verschärfungen auch in der EU
Angesichts des Quasi-Exportverbots in den USA wird unter den EU-Staaten und in Brüssel diskutiert, ob auch die Gemeinschaft der 27 Länder ihre Linie bei der Ausfuhr von Vakzinen verschärfen soll. Trotz der langsam anlaufenden Impfkampagne auf dem Kontinent herrscht allerdings in vielen Hauptstädten in der Europäischen Union die Meinung vor, dass auch weiterhin andere Weltregionen mit Vakzinen aus EU-Produktion versorgt werden sollen. Einzelne Maßnahmen wie ein Ausfuhrverbot für 250.000 Astrazeneca-Dosen von Italien nach Australien blieben daher bislang die Ausnahme.
Thüringen stoppt Terminvergabe für Impfungen
Für Thüringen hat der Lieferausfall bei Astrazeneca indes bereits Auswirkungen. In dem Bundesland wurde die Terminvergabe für Impfungen vorerst gestoppt. „Das ist mehr als ärgerlich“, erklärte Landesgesundheitsministerin Heike Werner (Linke). Nach ihren Worten sei inzwischen „auch der letzte Funke an Vertrauen in verbindliche Zusagen erloschen“.