Vorwurf von Human Rights Watch: Assad-Truppen setzten Chlorgas im Kampf um Aleppo ein
Mindestens acht Mal sollen syrische Truppen im Kampf um Aleppo mit Giftgas angegriffen haben. Wie Human Rights Watch berichtet, wurden dabei neun Menschen getötet.
Die regierungstreuen Truppen in Syrien haben laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in der Endphase der Schlacht um Aleppo mehrmals gezielt Giftgas eingesetzt. Zwischen dem 17. November und dem 13. Dezember hätten Armeehubschrauber mindestens acht Mal Giftgasangriffe in Aleppo verübt und dabei neun Menschen getötet und etwa 200 weitere verletzt, heißt es in dem am Montag in New York vorgestellten Bericht.
Zu den Todesopfern der Giftgasangriffe zählen dem Bericht zufolge vier Kinder. Sie seien am 20. November mit zwei weiteren Familienmitgliedern getötet worden, als ein Giftgasangriff auf das Viertel Sachur verübt wurde. Human Rights Watch verwies auf ein Video der Nachrichtenagentur Schabha, das die leblosen Körper von vier Kindern zeigt.
Für ihren Bericht hatte die Menschenrechtsgruppe Augenzeugen befragt, Videos gesichtet und Fotos gesammelt. Daraus gehe hervor, dass die regierungstreuen Truppen Chlorgas-Bomben abgeworfen hätten. Die Angriffe richteten sich demnach gegen einen Spielplatz, Krankenhäuser, Wohngegenden und einzelne Häuser. Zahlreiche Menschen hätten in der Folge unter Atembeschwerden gelitten, sich übergeben oder das Bewusstsein verloren. Kinder litten besonders stark unter dem Giftgas, hob HRW hervor.
Dem Bericht zufolge fanden die Giftgasangriffe in Gebieten statt, für deren Eroberung regierungstreue Soldaten bereit standen. "Die Muster der Chlorgas-Attacken zeigen, dass sie mit der Gesamtstrategie des Militärs zur Rückeroberung von Aleppo abgestimmt und nicht das Werk einiger schurkischen Elemente waren", erklärte der stellvertretende HRW-Direktor für Kriseneinsätze, Ole Solvang.
Der Bericht hob hervor, dass die Zahl der Giftgasangriffe noch höher gewesen sein könnte. Journalisten, medizinisches Personal und andere glaubwürdige Quellen hätten über zwölf Angriffe berichtet.
Unterstützt durch Russland hatte die syrische Armee im November eine Offensive gestartet, um den seit Jahren von Rebellen kontrollierten Ostteil von Aleppo zurückzuerobern. Am 22. Dezember verkündete die syrische Führung, dass sie die volle Kontrolle über die nordsyrische Großstadt zurückerlangt habe.
Kein Hinweis auf Beteiligung Russlands
Laut Human Rights Watch gibt es keinen Hinweis auf eine Beteiligung Russlands an den Chlorgas-Angriffen. "Was wir wissen ist, dass Russland ein enger militärischer Verbündeter der syrischen Regierung ist", sagte der Leiter des HRW-Büros bei den Vereinten Nationen, Louis Charbonneau, bei einer Pressekonferenz in New York. "Sie hätten zumindest Maßnahmen ergreifen müssen um sicherzustellen, dass diese Waffen nicht verwendet werden."
Der militärische Einsatz von Chlorgas ist gemäß der Chemiewaffen-Konvention verboten, der Syrien 2013 auf Druck von Russland beigetreten war. Human Rights Watch forderte den UN-Sicherheitsrat auf, als Konsequenz aus den mutmaßlichen Giftgasangriffen Sanktionen gegen führende Mitglieder des syrischen Militärkommandos zu verhängen. Dies dürfte aber am Widerstand der Vetomacht Russland scheitern.
Syrien-Gespräche verschoben
Die geplanten Syrien-Friedensgespräche in Genf unter Vermittlung der Vereinten Nationen beginnen formell erst einige Tage später als bislang geplant. Die Delegationen sollten zwar wie geplant Anfang nächster Woche an der europäischen Zentrale der Vereinten Nationen in der Schweiz, dem Völkerbundpalast, eintreffen. Aber: „Der formelle Start ist für den 23. Februar geplant“, teilte Yara Sharif, Sprecherin des UN-Sondergesandten für Syrien, Staffan de Mistura, am Montagabend mit.
Nach langem Ringen hatte die syrische Opposition am Wochenende ihre 21-köpfige Delegation zur Genfer Syrienkonferenz zusammengestellt. Kasachstan hatte die Konfliktparteien für diesen Donnerstag zu einer neuen Gesprächsrunde nach Astana eingeladen. Es soll darum gehen, die brüchige Waffenruhe zu halten. (AFP/dpa)