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Vor einem Jahr erklärte sich Juan Guaidó zum Interimspräsidenten Venezuelas.
© Kenzo TRIBOUILLARD / AFP

Interimspräsident Juan Guaidó: Union fordert mehr Druck in Venezuela-Krise

Venezuela verdient die volle Unterstützung für einen politischen und gesellschaftlichen Neuanfang. Deutschland muss dazu beitragen. Ein Gastbeitrag.

Jürgen Hardt MdB ist außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Dr. Andreas Nick MdB ist Berichterstatter für Südamerika der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Auswärtigen Ausschuss. Peter Weiß MdB ist Vorsitzender des Arbeitskreises Lateinamerika der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Am 23. Januar 2019, vor einem Jahr, erklärte sich Juan Guaidó als gewählter Präsident der venezolanischen Nationalversammlung zum Interimspräsidenten des Landes.

Seine Proklamation erfolgte im Einklang mit Artikel 233 der venezolanischen Verfassung. Die sogenannte „Wiederwahl“ des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro im Mai 2018 wurde weder vom venezolanischen Parlament noch international anerkannt, auch nicht von Deutschland und der EU. Es war daher entschlossen und richtig, dass die Bundesregierung Juan Guaidó – wie mittlerweile auch mehr als 60 weitere Staaten – als legitimen Übergangspräsidenten mit dem Ziel der Einberufung von Neuwahlen anerkannt hat.

Bereits seit einigen Jahren verfolgen wir die Entwicklung in Venezuela mit großer Sorge: Eine Wirtschaftskrise hat sich zu einer humanitären Versorgungskrise ausgewachsen. In einem eigentlich reichen Land leidet die Bevölkerung unter einem katastrophalen Mangel an Lebensmitteln und Medikamenten.

15 Prozent der Bevölkerung geflohen

Mittlerweile haben laut UNHCR über 4,5 Millionen Menschen das Land verlassen. Das entspricht etwa 15 Prozent der Bevölkerung. Die Fluchtbewegungen drohen damit die gesamte Region zu destabilisieren. Auch in Europa bemerken wir die Folgen der Krise: Venezuela gehört neben Syrien und Afghanistan mittlerweile zu den Hauptherkunftsländern von Asylbewerbern in Deutschland.

Der letzte traurige Höhepunkt dieser Krise in Venezuela war am 5. Januar 2020 der Versuch des Maduro-Regimes, gewählte Parlamentarier mithilfe von Soldaten am Betreten der Nationalversammlung zu hindern. So sollte die turnusgemäße Wiederwahl Guaidós zum Parlamentspräsidenten verhindert werden. Als Mitglieder des Deutschen Bundestages verurteilen wir dies aufs Schärfste.

Auch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hat diese „Gewaltanwendung und einschüchternden Taktiken“ des Maduro-Regimes zum wiederholten Male deutlich kritisiert.Eine der letzten vom Regime unabhängigen Institutionen im Land ist die katholische Kirche.

Appell für Neuanfang

Dass die Bischöfe des Landes in einem bemerkenswerten Neujahrsbrief den Rücktritt Maduros gefordert haben, ist daher von besonderem Gewicht. Ihr eindringlicher Appell zu einem politischen und gesellschaftlichen Neuanfang für das Land verdient die volle Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft.

Deutschland und die EU müssen durch Dialogfähigkeit und diplomatischen Druck auf dem Weg dorthin zu einem Kontext beitragen, der nachhaltige politische Reformen ermöglichen kann.

Dazu benötigt Venezuela allgemeine, freie und faire Präsidentschaftswahlen, durchgeführt von einer reformierten und unabhängigen nationalen Wahlkommission und einem reformierten und unabhängigen Obersten Gerichtshof. Auch die vielen Venezolaner, die außer Landes vertrieben wurden, müssen ihre Stimme zum Ausdruck bringen können. Internationale Wahlbeobachter müssen die Glaubwürdigkeit eines solchen Prozesses sicherstellen.

Damit ein solcher Prozess gelingt, tragen auch die Verbündeten und Partner des Maduro-Regimes Verantwortung. Dies betrifft vor allen Dingen Russland, China und die Türkei. Die Bundesregierung sollte das zweite Jahr ihrer Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat nutzen, um über das E3-Format die destabilisierende regionale Wirkung, die von Venezuela ausgeht, weiter zu thematisieren.

Sanktionen zeigen Wirkung

Die gezielten Sanktionen der EU, der USA und Kanadas zeigen Wirkung: Das Maduro-Regime hat bislang darauf verzichtet, Juan Guaidó festzunehmen. Es gilt, die Sanktionen aufrechtzuerhalten, auszubauen und weiter so zu justieren, dass sie Regimeführung und organisierte Kriminalität treffen. Die Verbindungen des Maduro-Regimes zu Guerilla-Gruppen in Kolumbien wird zunehmend zum Problem für die ganze Region.

Der EU-Außenministerrat hat im Dezember den Weg für ein europäisches „Magnitski-Gesetz“ mit globaler Reichweite freigemacht. Dies ist ein wichtiger Schritt, der es uns künftig ermöglicht, noch entschlossener und auf rechtsstaatlicher Grundlage die Verantwortlichen für Menschenrechtsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen und mit Sanktionen zu belegen.

Auch die regionale Zusammenarbeit in Lateinamerika und diplomatische Initiativen wie die Lima-Gruppe verdienen zur Krisenbewältigung in der Region weiter unsere Unterstützung und Ermutigung. Als wichtige regionale Akteure haben sie einen besonderen Hebel, den Druck auf das Maduro-Regime weiter zu erhöhen.

Kurzfristig muss es uns auch darum gehen, konkrete Erleichterungen für die Menschen vor Ort zu erreichen. Dazu müssen wir den Zugang internationaler Organisationen für humanitäre Hilfe aufrechterhalten, aber auch die Nachbarländer in der Region weiter entschlossen bei der Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten unterstützen. Langfristig bedarf es intensive Bemühungen zum Wiederaufbau demokratischer Strukturen. Hierbei können auch unsere politischen Stiftungen vor Ort unterstützen.

Für uns ist klar: 30 Jahre nach der friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR und der deutschen Wiedervereinigung ist unser Platz heute auf der Seite der Bürgerinnen und Bürger eines freien und demokratischen Venezuelas.

Jürgen Hardt, Andreas Nick, Peter Weiß

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