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Ein ungarischer Polizist patrouilliert durch das neue Internierungslager für Asylsuchende an der Grenze zu Serbien.
© Sandor Ujvari/dpa
Update

Urteil des EuGH: Ungarn und Slowakei müssen Flüchtlinge aufnehmen

Der Europäische Gerichtshof erklärt die EU-Aufnahmequote für Flüchtlinge für rechtens - und weist damit die Klage von Ungarn und der Slowakei zurück.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Klage von Ungarn und der Slowakei gegen die Umverteilung von Flüchtlingen zurückgewiesen. Eine entsprechende von der EU beschlossene verbindliche Aufnahmequote sei rechtens, teilte der EuGH am Mittwoch mit. Die EU-Innenminister hatten im September 2015 beschlossen, zur Entlastung Italiens und Griechenlands bis zu 120.000 Flüchtlinge in anderen EU-Ländern unterzubringen. Die Entscheidung war gegen den Widerstand der beiden Länder sowie Rumäniens und Tschechiens gefallen. Den Beschwerden aus Budapest und Bratislava wurden nur geringe Chancen eingeräumt, nachdem sich ein wichtiger EU-Gutachter zuletzt ablehnend geäußert hatte.

„Solidarität ist keine Einbahnstraße“

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte die Entscheidung. Jetzt sei "rechtlich abschließend geklärt, dass die vom Rat beschlossene europäische Solidarität nicht nur in Einklang mit unseren europäischen Werten, sondern auch in vollem Umfang mit dem europäischen Recht steht", erklärte Gabriel am Mittwoch in Berlin. "Das ist gut so." Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber sieht nach der Entscheidung eine echte Chance, dass die "offene Wunde in Europa bei der Migrationspolitik" geheilt würden. Er erwarte nun von allen EU-Staaten, dass das Urteil respektiert und umgesetzt werde. „Solidarität ist keine Einbahnstraße“, sagte Weber. Die Ko-Vorsitzende der Grünen/EFA-Fraktion im EU-Parlament, Ska Keller, bezeichnete das Urteil als „Meilenstein“ für die europäische Flüchtlingspolitik. „Der Europäische Gerichtshof hat Solidarität klar zum Kern der gemeinsamen Flüchtlingspolitik in Europa erklärt“, sagte Keller. Die EU-Kommission müsse das Urteil nun durchsetzen und das Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn, Polen und die Tschechische Republik vorantreiben.

Amnesty International betonte, das Urteil zeige, dass sich kein EU-Mitgliedstaat vor der Verantwortung für die Flüchtlinge verstecken könne. „Die Slowakei und Ungarn haben versucht, das EU-System der Solidarität zu täuschen, aber jedes Land muss eine Rolle beim Schutz von Menschen spielen, die vor Gewalt und Verfolgung fliehen“, so die Direktorin von Amnesty International bei den EU-Institutionen, Iverna McGowan. Die EU-Mitgliedstaaten müssten nun Solidarität zeigen. Ganz anders die Reaktion von AfD-Spitzenkandidaten Alexander Gauland. „Ungarn und die Slowakei müssen jetzt standhaft bleiben und dürfen sich dem Brüsseler Diktat nicht beugen“, sagte Gauland am Mittwoch.

Niederlage für Viktor Orban

Für Ungarns rechts-konservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban ist das Urteil eine schwere Niederlage. Wegen seiner Haltung in der Flüchtlingsfrage war er bereits mehrmals mit anderen EU-Staaten sowie der EU-Kommission aneinander geraten. Zuletzt präsentierte Orban der Brüsseler Behörde etwa eine Rechnung von 400 Millionen Euro für den ungarischen Grenzzaun. Die EU solle damit die Hälfte der Kosten für den Bau und den bisherigen Betrieb der Sperranlagen an Ungarns Südgrenze übernehmen.

„Mit dem Bau des Zauns, der Ausbildung und Indienststellung von 3000 Grenzjägern schützt unser Land nicht nur sich selbst, sondern ganz Europa gegen die Flut von illegalen Migranten“, schrieb Orban an Juncker. Es sei „keine Übertreibung, zu sagen, dass die Sicherheit der europäischen Bürger von den ungarischen Steuerzahlern finanziert wurde“, hieß es in dem Schreiben Orbans weiter. Die EU-Kommission lehnte dies ab mit dem Hinweis, die EU finanziere den Bau von Zäunen oder Sperren nicht.

Der Fraktionschef der Konservativen (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber, warb für Kompromissbereitschaft. „Ich finde es wichtig, dass Viktor Orban jetzt anerkennt, wie notwendig Solidarität zwischen den EU-Staaten ist“, sagte Weber dem „Münchner Merkur“. Gleichzeitig verstehe er aber, dass Orban für seinen Grenzschutz finanzielle Unterstützung einfordere. „Die EU-Kommission darf so eine Anfrage nicht einfach vom Tisch wischen.“ (dpa, Tsp)

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