Kriminalisierung von Flüchtlingshilfe: Ungarn muss sich vor EuGH verantworten
Ein Gesetz in Ungarn verbietet Hilfeleistungen für Asylbewerber im Namen einer Organisation. Nun hat die EU deshalb den EuGH eingeschaltet.
Die EU-Kommission geht gerichtlich gegen die Kriminalisierung von Flüchtlingshilfe in Ungarn vor. Wie die Kommission am Donnerstag mitteilte, schaltet sie wegen des so genannten "Stop-Soros-Gesetzes" in Ungarn den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg ein.
Die Gesetzgebung in Ungarn führe zu einer Kriminalisierung der Flüchtlingshilfe und schränke das Asylrecht "weiter ein", erklärte die Kommission. Schon im Juli 2018 leitete die EU-Kommission diesbezüglich ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung in Budapest ein.
Das im Juni 2018 vom ungarischen Parlament beschlossene Gesetzespaket firmiert wegen des US-Milliardärs George Soros unter dem Namen "Stop-Soros-Gesetz". Der rechtsnationale ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán wirft Soros vor, illegale Einwanderung in Ungarn über die Finanzierung von Hilfsorganisationen zu fördern.
Die von Soros gegründete Open Society Foundations (OSF) unterstützt Demokratieprozesse weltweit und damit unter anderem auch NGOs, die asylrechtliche Hilfe anbieten. Im vergangenen Jahr hat die Organisation ihren Sitz in Budapest verlassen, als Grund gab sie die "repressive" Politik Orbáns an.
Das umstrittene Gesetz verbietet Hilfeleistungen für Asylbewerber im Namen einer Organisation. Hilfe zur "illegalen Migration" wurde als Straftatbestand aufgenommen. Jedoch ist die Formulierung vage gehalten.
Dennoch sehen Mitarbeiter von NGOs, die etwa bei Asylverfahren helfen, sehen ihre Existenz gefährdet. Ihnen drohen Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr. Laut Gesetz kann ihnen sogar der Zutritt zum Grenzbereich verwehrt werden. Zudem müssen NGOs auf Einnahmen, die sie von internationalen Spendern wie OSF erhalten, eine Strafsteuer zahlen. Das so eingenommene Geld soll laut Gesetzespaket den Grenzschutz finanzieren.
Die EU-Kommission entschied sich nun zur Einschaltung des Europäischen Gerichtshofs, weil ihre Warnungen in Budapest "weiter nicht beachtet" worden seien. Sie hat Ungarn ebenfalls ein Aufforderungsschreiben zugesandt, weil das Land für einige Personen, die an der Grenze zu Serbien in den sogenannten Transitzonen festgehalten werden, keine Nahrungsmittel bereitstellt.
Der Zaun, der an der südungarischen Grenze 2015 errichtet wurde, ist grundsätzlich geschlossen. Nur an Wochentagen wird Geflüchteten kontrolliert an jedem der zwei Einlasspunkte Eintritt in die Transitzone gewehrt.
Seit August 2018 wurde 25 Menschen für eine Dauer zwischen einem und acht Tagen die Nahrung verwehrt, zählte die Budapester Menschenrechtsorganisation Hungarian Helsinki Committee. Die Organisation zog in diesen Fällen vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Am Mittwoch entschied das Gericht in Straßburg, dass Ungarn Nahrung während des Aufenthalts in den sogenannten Transitzonen bereitstellen muss.
Zwischen der EU und dem ungarischen Regierungschef gibt es zahlreiche Streitpunkte. Die Kommission hält Orban vor, sich zusehends von den in der EU üblichen Demokratie- und Rechtsstaatsstandards zu entfernen. 2018 stimmte auch das Europaparlament für die Einleitung eines Verfahrens gegen Ungarn wegen Verletzung der Rechtsstaatlichkeit nach Artikel 7 im EU-Vertrag. (mit AFP)