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Und nach den Sommerferien? Schulen bleiben schlecht gerüstet für eine mögliche vierte Welle.
© imago images

Delta breitet sich in Deutschland aus: Und wieder herrscht bedrohliche Planlosigkeit

Gegen eine vierte Coronawelle nach dem Sommer wird zu wenig getan. Gerade im Schulbetrieb. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Georg Ismar

Einer der Sätze am Ende der Kanzlerschaft von Angela Merkel ist jener aus einer internen Unions-Schalte im Januar: „Uns ist das Ding entglitten." Durch die Mutationen lebe Deutschland auf einem Pulverfass.

Entglitten ist spätestens ab März auch das gemeinsame Krisenmanagement von Bund und Ländern. Merkel warnte, flehte – und musste feststellen, dass sie schleichend an Macht und Einfluss verliert: Das kulminierte im Debakel um den von ihr wieder kassierten Oster-Lockdown.

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Danach gab es nie wieder eine gemeinsame Corona-Runde, lediglich Gespräche zur Beschleunigung des Impfens. Jedes Bundesland machte seins bei den Öffnungen und Lockerungen.

Und wer interne Schriftwechsel innerhalb der Bundesregierung liest, wird Zeuge eines zunehmend giftigen Tons zwischen CDU-geführten und SPD-Ministerien, das kulminierte im Streit zwischen dem Gesundheitsministerium von Jens Spahn und dem Arbeits- und Finanzministerium um den Umgang mit Millionen nicht zertifizierter Masken. Merkel warnte nun in ihrer letzten Regierungsbefragung vor Sommer-Leichtsinn, das Eis sei weiter sehr dünn. Aber sie wirkte zuletzt wie eine, die die Kraft verloren hat, nochmal alle zusammenzutrommeln, um einen stringenten Plan zu entwickeln, um eine vierte Welle nach dem Sommer zu verhindern.

Einige Lehren wurden aus den fatalen Fehlern des Sommers 2020 gezogen

Ihre anfangs gute Corona-Bilanz hat gelitten, auch weil einige Pläne aus dem Kanzleramt handwerklich unsauber und erratisch waren. Sicher, es wurden Lehren aus den fatalen Fehlern des Sommers 2020 gezogen, als man das Virus wieder unkontrolliert einreisen ließ: An Flughäfen werden jetzt Tests oder Impfnachweise verlangt.

Doch andere Fehler drohen sich zu wiederholen. Noch scheint die besonders ansteckende Delta-Variante des Virus, mit Ursprung in Indien, hierzulande beherrschbar. Doch so wie die Politik bis hinauf in das Kanzleramt 2020 wusste, dass das Reisen ein Problem darstellt, weiß man heute, dass die größte Risikoquelle nach den Sommerferien im Schulbetrieb liegen kann. Dennoch werden keine Vorkehrungen getroffen – „Nix“, lautet die Antwort eines hohen Regierungsvertreters auf die Frage, was Bund und Länder denn planen.

Bildung ist halt Ländersache. Und Merkel wirkt abgetaucht. Wieder droht Zeit vergeudet zu werden. Statt viel zu viel Geld für Schnelltests zur Verfügung zu stellen, hätte der Bund viel rascher Geld für Luftfilter, Messgeräte und moderne Fenster- und Belüftungssysteme in Schulen bereitstellen sollen.

[Mehr zum Thema: Ferien in Coronazeiten – Ausbreitung von Delta, welche Urlaubsländer gerade wieder gefährlich werden (T+)]

Warum wird erst jetzt über FFP2-Masken für Kinder nachgedacht? Und der beste Lösungsweg bleibt schnelles Impfen, doch die Bedenken der Ständigen Impfkommission und fehlender Wille bei den Bundesländern hat verhindert, dass einfach in jeder Schule Impfungen angeboten werden.

Testpflichten für Nichtgeimpfte müssen bleiben

In den USA ist man da längst weiter, neben Biontech/Pfizer weist auch der Moderna-Impfstoff in Studien eine sehr hohe Wirksamkeit bei Kindern und Jugendlichen auf. Gerade Schülerinnen und Schüler sind die großen Verlierer dieser Pandemie – es muss alles jetzt dafür getan werden, den Präsenzunterricht nach den Ferien zu sichern.

Und da auch in der übrigen Bevölkerung die Impfbereitschaft nicht überall hoch genug ist, muss es im Kampf gegen eine mögliche vierte Welle bundeseinheitliche, strenge Regeln geben: Testpflichten für Nicht-Geimpfte bei bestimmten Inzidenzen – denn diese leidige Prozedur könnte Impfskeptiker vielleicht doch bewegen, sich impfen zu lassen.

Auch muss Deutschland global als großes Industrieland seiner Verantwortung gerecht werden und die Entwicklungsländern versprochenen Millionen Impfdosen so schnell es geht zu liefern. Das ist Merkels Aufgabe.

Es gibt viel zu tun und zu verbessern, damit nicht nochmal „das Ding“ entgleitet. Doch auch die Politik wirkt gerade ziemlich ausgezehrt – und ist mit den Gedanken teilweise längst im Wahlkampf. Das Virus kann das ausnutzen.

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