EU-Austrittsverhandlungen: Und täglich grüßt der Brexit
Die britische Regierung will von einem Verbleib Nordirlands in der EU-Zollunion nichts wissen. Aber einen Plan für den Brexit hat sie auch nicht. Ein Kommentar.
In etwa einem Jahr wird Großbritannien aus der Europäischen Union austreten. Eigentlich wäre da zu erwarten, dass die Modalitäten der Scheidung zwischen den Briten und der EU allmählich klar werden. Stattdessen kommt man sich, passend zu den klirrenden Außentemperaturen, vor wie im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. In einer Endlosschleife hängen die Brexit-Verhandlungen fest, und zwei Dinge wiederholen sich: Die EU will von London wissen, wohin die Reise gehen soll – und die britische Regierung möchte diese Frage aus Gründen, die sowohl mit politischer Planlosigkeit als auch mit Taktik zusammenhängen, möglichst lange offen lassen.
Am deutlichsten zeigt sich der Stillstand beim Nordirland-Problem. Im Dezember, als die 27 verbleibenden EU-Staaten Großbritannien „ausreichenden Fortschritt“ bei den Verhandlungen attestierten, fanden beide Seiten einen Formelkompromiss zur künftigen Grenzregelung auf der irischen Insel. Er löste aber nicht das Dilemma: Wie lässt sich eine „harte Grenze“ in der einstigen Bürgerkriegsregion vermeiden, wenn Großbritannien – und damit Nordirland – die EU-Zollunion verlässt?
Dass beide Seiten seit Dezember in dieser Frage nicht weitergekommen sind, wurde dieser Tage anhand eines bizarren Vorschlags des britischen Außenministers Boris Johnson deutlich. Londons Ex-Bürgermeister erklärte, dass feste Kontrollposten zwischen Nordirland und der Republik Irland gar nicht nötig seien. Schließlich gebe es ja auch zwischen den Londoner Stadtbezirken Camden und Westminister elektronische Mautkontrollen, mit deren Hilfe auch das irische Problem gelöst werden könnte.
Zahlreiche Kabinettsmitglieder haben die Tragweite des Brexit noch nicht erkannt
Einmal abgesehen davon, dass sich die Kontrolle einer EU-Außengrenze kaum mit der Erhebung der Londoner Citymaut vergleichen lässt, zeigt Johnsons nebulöser Vorschlag zweierlei: Etliche Kabinettsmitglieder in London scheinen immer noch nicht die ganze Tragweite des Brexits erkannt zu haben. Und sofern sie es doch tun, handeln sie dem englischen Sprichwort zuwider, dass man den Kuchen nicht gleichzeitig essen und trotzdem behalten kann. Im Fall der EU-Zollunion wollen die Briten aber beides: London will raus aus dem Verbund mit der EU, weil der Exit den Weg für vermeintlich profitablere weltweite Handelsabkommen ebnen soll. Konsequenzen in Form von Zollkontrollen soll es dabei bitte schön aber nicht geben.
Die Verhandlungen bringen Klarheit, ob es einen geordneten Brexit gibt
In dieser Situation tut die EU gut daran, die von Theresa May geführte Regierung auf ein Austrittsabkommen festzunageln. Spätestens bis Ende des Jahres, das machte der EU-Chefverhandler Michael Barnier am Mittwoch klar, muss die Vereinbarung stehen. Je näher der Termin rückt, umso mehr Klarheit dürfte es zumindest in einem Punkt geben: Kommt es im März 2019 zu einem ungeordneten Brexit – oder nicht?
Möglicherweise wird die Irland-Frage auf später vertagt
Die Menschen im Norden und Süden Irlands, die auf einen freien Grenzverkehr setzen, werden allerdings auch am Ende dieses Jahres möglicherweise immer noch keine Klarheit haben. Dies wäre der Fall, wenn sich beide Seiten darauf einigen sollten, die Irland-Frage erst Jahre später im Zuge ihrer künftigen Handelsvereinbarung zu lösen. Und bis dahin wird das Brexit-Murmeltier weiter grüßen.