Brexit: May lehnt Entwurf für Brexit-Vertrag entschieden ab
Die EU drückt bei den Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien aufs Tempo. Nordirland will sie notfalls in einer Zollunion behalten. Premier May kritisiert den Vertragsentwurf heftig.
Der Brexit-Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, hat einen Verbleib Nordirlands in der EU-Zollunion für die Zeit nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union als mögliche Option genannt. Beim Brexit müssten Lösungen gefunden werden, „die sowohl den Bürgern der Irischen Republik als auch Nordirlands entgegenkommen“, sagte er. Es müsse verhindert werden, „dass es in Nordirland zu einer harten Grenze kommt“, sagte Barnier. Der Franzose stellte am Mittwoch einen Entwurf der EU-Kommission für den Austrittsvertrag zwischen Großbritannien und der EU vor.
Barnier erklärte, dass die Verhandlungen beschleunigt werden müssten, wenn man die Gespräche zwischen Großbritannien und den verbleibenden 27 Mitgliedstaaten vor dem Brexit im März 2019 zum Erfolg führen wolle. Das Austrittsabkommen, dessen Entwurfstext nun vorliegt, müsse bis zum kommenden Herbst unter Dach und Fach sein, da es anschließend noch von den EU-Mitgliedstaaten, dem Europaparlament und dem britischen Parlament ratifiziert werden müsse, so Barnier. Trotz des erhöhten Zeitdrucks bleibe er aber bei seiner Devise: „Bleib' ruhig und sei pragmatisch“.
May: EU-Entwurf bedroht Einheit Großbritanniens
Die britische Premierministerin Theresa May kritisierte den Entwurf der EU zum Brexit-Abkommen heftig. „Der veröffentlichte Entwurfstext würde, wenn umgesetzt, den Binnenmarkt Großbritanniens und die verfassungsmäßige Integrität des Vereinigten Königreichs bedrohen, indem er eine zollrechtliche und regulatorische Grenze in der Irischen See schaffen würde“, sagte May bei einer Fragestunde im Parlament. „Kein britischer Premierminister könnte dem je zustimmen“. Sie werde das EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und anderen „kristallklar machen“, warnte May am Mittwoch weiter.
Eine von der Opposition geforderte Zollunion mit der EU nach dem Austritt ihres Landes aus der Staatengemeinschaft lehnte May entschieden ab. Ein solches Abkommen wäre ein Betrug an dem Brexit-Votum der Briten, sagte sie.
Barnier glaubt an einen Verhandlungserfolg
Als einer der Knackpunkten zwischen Brüssel und London gilt weiterhin Frage, welche Regelung künftig an der Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland gelten soll. Der Verbleib Nordirlands in der EU-Zollunion gehört zu den im Entwurf des Austrittsvertrages genannten Optionen für die Zukunft der irischen Insel. Eine solche Regelung wird allerdings von der unionistischen nordirischen Partei „Democratic Unionist Party“ abgelehnt.
Auf die Frage, ob die EU und Großbritannien im Fall des Scheiterns der Verhandlungen auf einen ungeordneten Brexit zusteuerten, antwortete Barnier, „dass wir uns auf jegliches mögliche Szenario vorbereiten“. Er fügte allerdings hinzu: „Ich strebe einen geordneten Austritt an.“ Beide Seiten seien „auf dem richtigen Weg, auch wenn es ein schwieriger Weg ist.“
Zur Austrittsvereinbarung gehört auch die Regelung für die Übergangsphase, die nach dem Brexit im März des kommenden Jahres laut gegenwärtiger Planung bis zum 31. Dezember 2020 gelten soll. In dieser Phase soll Großbritannien weiter in die EU-Kasse einzahlen und vom EU-Binnenmarkt profitieren, aber kein Stimmrecht mehr in der EU genießen. Strittig ist dabei nach den Worten von Barnier unter anderem, welche Rechte EU-Bürger genießen sollen, die während der Übergangsphase nach Großbritannien ziehen. Die britische Regierung plant, diese EU-Bürger schlechter zu stellen als jene, die sich vor dem Brexit auf der Insel niedergelassen haben. Die EU-Kommission lehnt dies ab. (mit Agenturen)