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Olaf Scholz (SPD), Bundesminister der Finanzen
© dpa/Kay Nietfeld

SPD nach der Hamburg-Wahl: Und so kommt Scholz zurück ins Spiel

Neben Peter Tschentscher ist auch Olaf Scholz ein Gewinner der Wahl in Hamburg. Er kann wieder auf die Kanzlerkandidatur hoffen.

Der heimliche Wahlsieger steht nicht auf dem Podium. Etwas ungelenk umarmt Saskia Esken Peter Tschentscher und drückt ihm den rot-grünen Blumenstrauß in die Hände, auch von Norbert Walter-Borjans gibt es den Versuch einer Umarmung, gewisse Berührungsängste sind spür- und sichtbar.

Hier prallen zwei sehr unterschiedliche SPD-Welten aufeinander. Auf der einen Seite die neuen SPD-Chefs, die für einen linkeren Kurs stehen, auf der anderen Seite Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher und sein Mentor, der hier nicht anwesende Olaf Scholz.

Dessen Plan, trotz der Niederlage bei der Bewerbung um den Parteivorsitz, Kanzlerkandidat zu werden, bekommt dank Tschentscher Auftrieb. Da können Esken und Walter-Borjans noch so sehr versuchen, den Wahlsieg der SPD in der Hansestadt auch mit Rückenwind aus Berlin zu begründen, es ist ein Wahlsieg, der nach Auswertung der Wahldaten vor allem einen Grund hat: das Gefühl, gut regiert zu werden.

So langen Applaus wie an diesem Tag hat es im Willy-Brandt-Haus schon lange nicht mehr gegeben. Zwar hat die SPD 6,6 Prozentpunkte im Vergleich zum letzten Wahlerfolg verloren – damals noch unter der Ägide von Scholz. Aber in Zeiten zunehmender Zersplitterung der Parteienlandschaft und nach der SPD-Krise im Bund sind 39 Prozent ein Ergebnis, das dem Bundestrend trotzt.

Die SPD-Chefs Saskia Esken and Norbert Walter-Borjans gratulieren dem Ersten Bürgermeister Hamburgs, Peter Tschentscher, zum Erfolg bei der Bürgerschaftswahl.
Die SPD-Chefs Saskia Esken and Norbert Walter-Borjans gratulieren dem Ersten Bürgermeister Hamburgs, Peter Tschentscher, zum Erfolg bei der Bürgerschaftswahl.
© AFP

Als Wahlverlierer fühlt man sich hier jedenfalls nicht. Wie wichtig Scholz das Signal war, zeigt schon sein Aufwand, um am Wahlabend im Hamburg dabei zu sein. Bei der Party in der Markthalle gab es sogar "Olaf, Olaf"-Sprechchöre. Scholz schwänzte zwei Sitzungen beim G-20-Finanzministertreffen im saudi-arabischen Riad und ließ sich dort von Staatssekretär Wolfgang Schmidt vertreten, um rechtzeitig im Hamburg zu sein. So ging es mit dem Regierungsflieger am Samstagabend zurück, nicht erst am Sonntag.

Scholz hatte dafür gesorgt, dass nach seinem Wechsel als Finanzminister nach Berlin sein langjähriger Finanzsenator Tschentscher die Geschicke der Hansestadt übernahm. Lange gab es Zweifel, ob das funktioniert. Heute bescheinigen 79 Prozent der Befragten dem Ersten Bürgermeister gute Arbeit.

Jener Scholz trat sofort nach den ersten Prognosen vor die Kameras, sagte: "Ich hoffe, dass es ein Push ist für die SPD." Die Hamburger SPD habe eine pragmatische Wirtschaftspolitik gemacht: "Hier wird ordentlich regiert." Für ihn ist das die Blaupause: konkrete Antworten auf Dinge, die die Menschen beschäftigen.

Scholz legte das Fundament in Hamburg

Auch Tschentscher spricht am Montag in Berlin weniger von sozialen Wohltaten, sondern von Klimapolitik mit Augenmaß, von einer Million Jobs in Hamburg und davon, dass er zur Befriedung der Gesellschaft frühzeitig zwölf Euro Mindestlohn gefordert hatte. So wie auch Scholz das forderte, als Esken und Walter-Borjans noch nicht im Amt waren. Scholz war es, der mit seinen Programmen, etwa für mindestens 10000 neue Wohnungen im Jahr, das Fundament gelegt hat für den Wahlerfolg, hinzu kam Tschentschers Ansehen und Regierungsstil.

Walter-Borjans kann sich das Wahlkampfmotto "Die ganze Stadt im Blick“" in abgewandelter Form bereits für den nächsten Bundestagswahlkampf vorstellen: "Für die Bundes-SPD muss jetzt gelten: Das ganze Land im Blick." Im Übrigen hätten die CDU und die FDP viel mehr Gegenwind aus Berlin geliefert als die Bundes-SPD den Wahlkämpfern an der Elbe. Tschentscher hatte dennoch lieber auf Auftritte des von ihm explizit nicht unterstützten Führungsduos verzichtet.

Die beiden waren auch gewählt worden, weil viele Scholz ablehnen. So wie Tschentscher lieber 400 Leute mehr bei der Stadtreinigung einstellt, statt vom demokratischen Sozialismus zu träumen, sieht Scholz nur in der Mitte – auch mit einer unternehmensfreundlichen Politik und mit einer klar geregelten Migrationspolitik – einen Weg, um die SPD aus ihrem tiefen Tal zu holen.m die SPD aus ihrem tiefen Tal zu holen.

"Wir bringen wieder Farbe in die SPD" - Ein Karnevalswagen mit den SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans beim Rosenmontagszug in Düsseldorf.
"Wir bringen wieder Farbe in die SPD" - Ein Karnevalswagen mit den SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans beim Rosenmontagszug in Düsseldorf.
© REUTERS

Esken und Walter-Borjans haben sich mit der großen Koalition arrangiert, was zur Beruhigung der SPD beigetragen hat. Und nach dem Tabubruch von Thüringen erzwangen sie eine Kurskorrektur der CDU. In der Krise der anderen liegt aber auch ein Risiko für die SPD: in der Rolle des Demokratieverteidigers zu überreizen. Es war zum Beispiel der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh, der meinte, CDU und FDP stünden nach den Vorgängen in Thüringen nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes.

Auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zweifelt immer wieder an der klaren Abgrenzung der CDU zur AfD und bekommt dafür am Montag von der scheidenden CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer kräftig einen eingeschenkt. Sie wirft ihm eine andauernde "Schmutz- und Diffamierungskampagne" vor. Wenn er diese Koalition nicht mehr wolle, solle er es sagen. Es bestünde kein Zweifel an der strikten Abgrenzung der Bundesspitze der CDU zur AfD. Es sei billig, in einer schwierigen Situation auf Kosten des Koalitionspartners ein "parteipolitisches Süppchen" zu kochen. Klingbeil kontert, an der Haltung Kramp-Karrenbauers oder von Generalsekretär Paul Ziemiak habe er keinerlei Zweifel. "Aber das muss auch von den Landesverbänden gelebt werden."

Neuwahlen früher als geplant

Je nachdem wie die Personal- und Strategiefragen der CDU ausgehen, könnte es früher als geplant Neuwahlen geben. In Umfragen gehört Scholz anders als in seiner eigenen Partei zu den beliebtesten Politikern im Land. Aber für ihn als Kanzlerkandidaten Scholz müssten Esken und Walter-Borjans, denen das Erstzugriffsrecht gebührt, über einen sehr großen Schatten springen. Ob Scholz die nötige Beinfreiheit hätte, wäre auch die Frage. Aber in diesen Zeiten gelten frühere Gesetzmäßigkeiten nur noch bedingt.

"Olaf Scholz ist ein hervorragender Politiker", sagt Walter-Borjans am Montag im Willy-Brandt-Haus auf die Frage, ob der Vizekanzler nun der Favorit sei für die Kanzlerkandidatur. Die bei der SPD ebenso wie bei der Union offen ist. Wie es in dieser Frage weitergehe, "das werden wir beizeiten klären", betont Walter-Borjans. Aber klar ist: Viele Alternativen von ähnlichem Format gibt es nicht.

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