Deutschland und Russland: Umstrittener Petersburger Dialog steht vor dem Umbau
Der Petersburger Dialog zwischen Deutschland und Russland bedarf nach Ansicht seiner Kritiker dringend der Reform. Mehrere Mitglieder des Gesprächsforums haben nun ein Reformpapier ausgearbeitet - die Bundesregierung steht den Vorschlägen offenbar grundsätzlich positiv gegenüber.
Der Petersburger Dialog soll eigentlich ein Gesprächsforum zwischen Deutschland und Russland bieten – doch ein echter Austausch zwischen den Gesellschaften kommt nach Ansicht von Kritikern kaum zustande. Nun könnte der Petersburger Dialog grundlegend reformiert werden. Mehrere Mitglieder des Gesprächsforums haben in einem Eckpunktepapier detaillierte Änderungsvorschläge gemacht. Das Kanzleramt ist dem Vernehmen nach mit der darin skizzierten Linie grundsätzlich einverstanden. Eine für den kommenden Dienstag geplante Mitgliederversammlung wurde auf Bitten des Kanzleramts verschoben – offenbar um der Reformdebatte eine Chance zu geben.
Petersburger Dialog soll "Raum für kritische Auseinandersetzungen" geben
Die Autoren des Reformpapiers fordern für den Petersburger Dialog eine „stärkere Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Akteuren mit Russland-Engagement“. Außerdem müsse es „auch Raum für die kritische Auseinandersetzung mit der russischen Politik geben“, heißt es in dem Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt. Die Verfasser sind der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Andreas Schockenhoff, die Grünen-Abgeordnete Marieluise Beck, der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, und der stellvertretenden Generalsekretär der Konrad-Adenauer-Stiftung, Gerhard Wahlers. Schockenhoff und Beck sitzen im deutschen Lenkungsausschuss des Petersburger Dialogs. In dem Gremium sind auch die beiden Stiftungen vertreten, die zu den Geldgebern zählen.
Im Oktober war das in Sotschi geplante Gesprächsforum verschoben worden, nachdem mehrere deutsche Organisationen ihre Teilnahme abgesagt hatten. Sie verwiesen auf das Vorgehen Russlands in der Ukraine und darauf, dass russische Nichtregierungsorganisationen derzeit unter massivem Druck stehen. Zugleich mahnten die Kritiker eine Reform des Petersburger Dialogs an.
Kritiker wollen Strukturen des Vereins aufbrechen
Dieser ist in Deutschland als eingetragener Verein organisiert. Neue Mitglieder schlägt der Vorstand vor, die Mitgliederzahl ist auf 25 begrenzt. Das Führungsgremium, der Lenkungsausschuss, besteht aus den 25 Mitgliedern. Damit ist der Petersburger Dialog eine weitgehend geschlossene Gesellschaft. Diese Strukturen wollen die Autoren des Reformpapiers aufbrechen und den Verein für mehr Mitglieder öffnen: „In der Mitgliederversammlung müssen die im zivilgesellschaftlichen Dialog mit Russland ausgewiesenen Organisationen vertreten sein“, heißt es in dem Papier. Als Beispiele werden unter anderen der Deutsch-Russische Austausch, die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde oder kirchliche Organisationen mit Russland-Bezug genannt. „Das Ziel der von uns angestrebten Reform des Petersburger Dialogs ist, dass die Zivilgesellschaft vom Seitenflügel in den Hauptflügel umzieht“, sagte Beck.
Die Verfasser des Eckpunktepapiers fordern außerdem, den Lenkungsausschuss zu verkleinern und die institutionelle Anbindung des Vereins an das Deutsch-Russische Forum zu beenden. Derzeit ist die Geschäftsstelle des Petersburger Dialogs beim Deutsch-Russischen Forum angesiedelt, Martin Hoffmann ist Geschäftsführer beider Organisationen.
Kanzleramt bat um Verschiebung des nächsten Treffens
Die Bundesregierung erhielt Anfang der Woche Kenntnis von den Reformvorschlägen – und signalisierte wenig später, dass der Petersburger Dialog nicht einfach zur Tagesordnung übergehen könne: Am Mittwoch verständigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nach Informationen des Tagesspiegels darauf, dass unter diesen Umständen die für kommenden Dienstag geplante Mitgliederversammlung besser nicht stattfinden solle. Merkels außenpolitischer Berater Christoph Heusgen teilte dies am selben Tag dem Vorstandsvorsitzenden Lothar de Maizière mit.
Es falle ihm nicht leicht, „der Bitte des Kanzleramts zu entsprechen und die Mitgliederversammlung abzusagen“, erklärte de Maizière daraufhin in einem Brief an die Mitglieder. Es sei „essentiell, den Gesprächsfaden mit Russland bei allen Schwierigkeiten nicht abreißen zu lassen“. Zugleich ließ er selbst die Bereitschaft zu einer Reformdebatte erkennen: „Reformschritte sind festzulegen, und eine inhaltliche Diskussion ist dringend geboten“, schrieb er.
Kritik am Petersburger Dialog begann lange vor Ukraine-Konflikt
Die Initiatoren der Reformdebatte betonen, dass die Kritik am Petersburger Dialog lange vor dem Ukraine-Konflikt begonnen habe. „Der Petersburger Dialog hat seit Jahren nicht mehr dem Anspruch genügt, ein offenes, zivilgesellschaftliches Forum zu sein“, sagte Schockenhoff dem Tagesspiegel. Auf eine „Weiterentwicklung des Petersburger Dialogs“ verständigten sich Union und SPD bereits im Koalitionsvertrag. „Die Absage der Mitgliederversammlung eröffnet den Weg für weitere Reformschritte“, sagte Marieluise Beck. Und auch Schockenhoff betonte, das Eckpunktepapier sei „keine Kriegserklärung, sondern eine Einladung zum offenen Dialog“.
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