Streit um Petersburger Dialog: Lothar de Maizière verteidigt sich
Nach der Absage des Petersburger Dialogs greift Cheforganisator Lothar de Maizière nun die Kritiker des Treffens an. Hinter den Kulissen geht es bereits um seinen Job.
Der deutsche Cheforganisator des Petersburger Dialogs, Lothar de Maizière, hat nach der Absage des Treffens im russischen Sotschi die Kritiker angegriffen. Mehrere Nichtregierungsorganisationen, darunter die Heinrich-Böll-Stiftung und der Deutsch-Russische Austausch, hatten zuvor ihre Teilnahme an dem deutsch-russischen Gesprächsforum abgesagt. Als Grund nannten sie die Rolle Moskaus im Ukraine-Konflikt und die Repressionen gegen Russlands Zivilgesellschaft. Er bedaure die Entscheidung, betonte der Vorsitzende des deutschen Lenkungsausschusses des Petersburger Dialogs.„Denn es entspricht der Überzeugung der meisten Mitglieder des Vorstandes und des Lenkungsausschusses des Petersburger Dialogs, dass gerade angesichts zweifellos vorhandener Probleme für die Zivilgesellschaft (..) die offensive Auseinandersetzung zu solchen Themen gesucht werden muss“, schreibt de Maizière in einem offenen Brief an die Nichtregierungsorganisationen. „Indem man sich solchen Gesprächen entzieht, schadet man den Interessen der Betroffenen.“
Cheforganisator des Petersburger Dialogs verteidigt sein Konzept
Mit dem offenen Brief, der in der Nacht zu Dienstag veröffentlicht wurde, reagiert de Maizière auch auf Forderungen nach einer Neuausrichtung des Petersburger Dialogs. Denn die Nichtregierungsorganisationen hatten in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und an Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) eine „Reform des Petersburger Dialogs in organisatorischer, inhaltlicher und personeller Hinsicht“ angemahnt. Im Zentrum der Kritik steht de Maizière selbst, der den Lenkungsausschuss seit Jahren leitet und aus Sicht seiner Kritiker einer Reform des Gesprächsforums im Weg steht. „Sie schreiben, der Petersburger Dialog sei im Inneren zu reformieren, da er von Vertretern aus Staat, Politik und Wirtschaft dominiert sei. Diese Feststellung ist falsch, und Sie wissen das“, betonte de Maizière nun. Das Konzept des Petersburger Dialogs beruhe „auf einem breiten Gedankenaustausch aller gesellschaftlichen Kräfte“.
Lothar de Maizière wirft Kritikern "Vorverurteilung" vor
Den Kritikern warf de Maizière „Vorverurteilung und Gesprächsablehnung“ vor. Man müsse auch „verstehen, wie Russland die Probleme versteht“, schreibt er. Das Gespräch mit Russland müsse „auf Augenhöhe“ geführt werden, „nicht von oben herab, nicht moralisch belehrend, aber mit klaren und ehrlichen Argumenten".
Nachdem mehrere Vertreter von Nichtregierungsorganisationen aus Deutschland erklärt hatten, am Petersburger Dialog in Sotschi nicht teilzunehmen, hatte sich die deutsche Seite auf Wunsch der Bundesregierung zunächst um eine Verschiebung bemüht. Doch aus Moskau kam nach Tagesspiegel-Informationen das Signal, es würde keinen Petersburger Dialog mehr geben, wenn die Deutschen nicht zum Treffen in Sotschi kämen. Deshalb sagte de Maizière in der vergangenen Woche dann doch zu. Daraufhin schaltete sich die Kanzlerin ein: Merkel telefonierte am Sonntag mit Russlands Präsident Wladimir Putin. In dem Gespräch verständigten sich beide nach Tagesspiegel-Informationen, das Treffen zu verschieben. Einen neuen Termin gibt es noch nicht.
Kanzleramt erwog bereits Ablösung von de Maizière
In Berlin rechnet man nicht damit, dass der Petersburger Dialog im kommenden Jahr weitergeführt werden kann, als sei nichts passiert. Denn Kritik am Petersburger Dialog gibt es bereits seit Jahren, im Kanzleramt wurde eine Ablösung de Maizières diskutiert. Als möglicher Nachfolger gilt der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz – doch der soll bisher abgewunken haben, sofern es keine grundlegenden Reformen in der Struktur des Petersburger Dialogs gibt. Mit dem offenen Brief an seine Kritiker kämpft de Maizière also indirekt auch um seine Position als Chef des deutschen Lenkungsausschusses.
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