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Annalena Baerbock machte ihren Standpunkt in Moskau mehr als deutlich.
© imago images/photothek

Annalena Baerbock in Moskau: Über diesen Auftritt musste sogar Lawrow staunen

Der deutschen Außenministerin gelang in Moskau ein seltenes Kunststück: Ernsthaft Dialogbereitschaft signalisieren und Härte demonstrieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

So einen Auftritt hatte wohl auch der russische Raunzer Sergej Lawrow nicht erwartet. Wie er Annalena Baerbock, die Außenministerkollegin, bei ihrem gemeinsamen öffentlichen Auftritt in Moskau anschaute: Erstaunt. Interessiert. Intensiv. Wie ein Wissenschaftler eine neue Spezies begutachten würde.

Nun war ihr Auftritt nach schwierigen Gesprächen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt, der zum Krieg werden kann, auch besonders. Baerbock wirkte angstfrei. Vielleicht ist sie vom Naturell her unbekümmerter als viele, unbeschwerter, einerlei, sie war ernst und dem Ernst der Lage gewachsen. Erschien gut präpariert, gut vorbereitet, im Stoff. Konterte Vorhaltungen konziliant, ruhig, unprätentiös, nur klar. Blieb keine Antwort schuldig.

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Als sie sprach, sprach sie als die oberste Diplomatin, die höchste Vertreterin des Auswärtigen Dienstes, aber aus ihr sprach die Politikerin, die Chefaußenpolitikerin der Regierung. Da wird auch der Kanzler geschaut haben.

Es war pure politische, der Lage angemessene Kommunikation. Nur die nötigen Chiffren, sagen wir: UN-Charta und Schlussakte von Helsinki, keine zu langen Wortgirlanden; nur keine Missverständnisse, schien sie sagen zu wollen. Und das gelang. Wahrscheinlich schaute Lawrow deshalb so. Das begegnet ihm nicht oft.

Selbst Konservativen dürfte der Kurs der Grünen gefallen: deutsche Interessen, ohne große Umschweife, mit europäischen Leitplanken. Insgesamt wenig Steinmeier, noch weniger Genscher, mehr Fischer, ein Schuss Rühe. Der Christdemokrat war - und ist - auch immer klar.

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Baerbocks Agenda zeigt nachwirkend  Deutschlands "fundamentales Interesse“ an stabilen Beziehungen mit Russland: Beide Länder „in unserem gemeinsamen europäischen Haus“ mit gemeinsamer Verantwortung, schon aus der Geschichte heraus; Russland als das größte Land der Welt bei der Klimakrise in der Pflicht. Das muss man auch erst einmal zusammendenken, zusammenbringen.

Hier die PK von Baerbock und Lawrow im Video:

Und dann dieser Satz zu den mehr als hunderttausend Russen unter Waffen an der Grenze zur Ukraine: „Es ist schwer, das nicht als Drohung zu verstehen.“ Allerdings. Ganz einfach, so einfach.

Baerbocks persönlicher Doppelbeschluss ist Dialog und Härte. Ihre Härte besteht darin, sachlich, friedlich, ruhig darauf hinzuweisen, dass alles seinen Preis hat. Auch die Belohnung. Dafür lohnt mancher Streit. Da werden wohl noch einige schauen. Und staunen. Nicht nur Sergej Lawrow.

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