zum Hauptinhalt
Der türkische Präsident Erdogan bei einer Rede in Konya.
© Reuters/Presidential Palace/Kayhan Ozer

Deutsch-türkische Beziehungen: Türkei will Akademiker wegen Friedensaufruf vor Gericht stellen

Mehr als 1100 türkische Intellektuelle hatten 2016 zu Frieden in den Kurdengebieten aufgerufen. Nun sind sie wegen "Terrorpropaganda" angeklagt - etwa 100 Betroffene leben in Deutschland.

Hunderte türkische Akademiker sollen einem Bericht von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" zufolge wegen "Terrorpropaganda" vor Gericht gestellt werden, weil sie einen Aufruf für Frieden in den Kurdengebieten unterzeichnet haben. Auch etwa 100 in Deutschland lebende Unterzeichner des Appells vom Januar 2016 haben demnach eine entsprechende Anklageschrift erhalten.  

Der offene Brief an die türkische Regierung war Anfang 2016 als "Friedensappell" in der Türkei veröffentlicht worden. Die 1128 Unterzeichner hatten darin das harte Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte in kurdischen Siedlungsgebieten Ende 2015 als "Vernichtungs- und Vertreibungspolitik" bezeichnet. "Wir, die Akademiker und Wissenschaftler dieses Landes, werden an diesem Verbrechen nicht teilhaben!", schrieben sie.

Laut der Anklageschrift trägt der Friedensaufruf "den Charakter der offenen Propaganda für die Terrororganisation PKK", der Arbeiterpartei Kurdistans, heißt es in dem Bericht. Die Unterzeichner hätten das Ziel gehabt, den türkischen Staat als "illegitime, zerstörende Kraft" und als "verbrecherisch" darzustellen sowie Gewalt durch die PKK zu legitimieren.

Nach türkischem Gesetz drohen Strafen von bis zu siebeneinhalb Jahren Haft für Terrorpropaganda. Fragen von NDR, WDR und SZ zu den Vorwürfen und dem weiteren Vorgehen habe die Staatsanwaltschaft nicht beantwortet, heißt es in dem Bericht.

Das Vorgehen auch gegen in Deutschland lebende türkische Akademiker könnte das ohnehin sehr angespannte Verhältnis beider Staaten weiter belasten. Zuletzt hatte die Freilassung des in der Türkei inhaftierten Berliner Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner für etwas Hoffnung auf eine Normalisierung des Verhältnisses gesorgt. Allerdings sitzen unter anderem der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel sowie die Übersetzerin und Journalistin Mesale Tolu weiter in der Türkei im Gefängnis. (Tsp)

Zur Startseite