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Die offizielle Plakatkampagne der türkischen Regierung kombiniert klassische Staatspropagandakunst mit Kriegsfotografie.
© Ozan Kose/AFP
Update

Feiern zum Jahrestag des Putsches: Türkei nutzt amerikanische Kriegsfotografie

Die Türkei will den „ruhmreichen 15. Juli“ feiern - die Nacht des niedergeschlagenen Putsches gegen Erdogan. Für ein Plakat am Präsidentenpalast hat sie sich bei der amerikanischen Kriegsfotografie bedient.

Es ist ein Plakat mit dem Saft und der Kraft des Pinsel schwingenden Sozialismus - irgendwo zwischen dem frühen Willi Sitte und Pjöngjang. Doch es soll Çengelköy sein, ein Istanbuler Stadtviertel am Bosporus, in der Putschnacht des 15. Juli vor einem Jahr. Junge türkische Männer bieten den Putschisten die Stirn. Der Moment des Triumpfs für die einen, der Verzweiflung bei den anderen: Ein Soldat mit Schutzhelm schlägt die Hände über den Kopf zusammen, wohl der sinnlosen Unternehmung wegen und weil er sich den Zivilisten ergeben muss. „Ruhmreicher 15. Juli“ steht in großen Lettern über dem Plakat aus dem Präsidentenpalast von Recep Tayyip Erdogan. „Mit Achtung gegenüber unseren Märtyrern und Helden“, heißt es in der Unterzeile. Im Hintergrund blinken die Lichter der Bosporusbrücke. Alles ein Riesenproblem:

Erst melden sich am Mittwoch die türkischen Rechtsnationalisten zu Wort, allen voran Meral Aksener, eine frühere Innenministerin und so etwas wie die neue Jeanne d’Arc der Türkei. „Sofort in Ordnung bringen“, verlangt Aksener. Das Plakat aus der Reihe der offiziellen Heldenillustrationen für die Veranstaltungen zum Gedenken an den vereitelten Putsch diese Woche mache die türkische Armee lächerlich, sagt sie. Schließlich sollen sich ja 98,5 Prozent des Militärs nicht an dem Staatsstreich beteiligt haben.

Ein Teil des Motivs ist ein Klassiker der Kriegsfotografie - der amerikanischen

Und dann gibt es da noch die Sache mit dem Copyright. Denn der verzweifelte Soldat, dem die Faust eines wackeren Zivilisten entgegengereckt wird, kommt einem seltsam bekannt vor. Und richtig: Das Gesicht war schon einmal zu sehen, 1991 im ersten Golfkrieg nämlich. Der amerikanische Fotograf David Turnley saß damals in einem Militärhubschrauber, der US-Soldaten nach einem Raketenangriff der irakischen Armee evakuierte. Turnleys Momentaufnahme wurde zu einer Ikone der Kriegsfotografie. Sie zeigt Sergeant Ken Kozakiewicz, der gerade vom Tod eines Kameraden erfährt und zu weinen beginnt. Die Leiche seines Freundes liegt in einem Sack neben ihm.

In Wirklichkeit hatte der Sergeant im Hubschrauber seinen linken Arm in der Schlinge; er war gebrochen. Die türkischen PR-Experten haben dafür zwei Arme über seinen Kopf gemalt und aus Kozakiewicz’ verzweifelter Trauer eine Pose der Niederlage gemacht. Sah besser aus.

Und im Grunde stimmt ja auch alles für die türkische Führung: Denn die Putschisten waren natürlich gar keine Türken, sondern vaterlandslose Gesellen, aus den USA gesteuert. Dort sitzt Fethullah Gülen, der Prediger und ehemals Verbündete Erdogans, und wird nicht ausgeliefert. Alles Verschwörung. Doch die Ehre der türkischen Armee ist gerettet, die Nationalisten können aufatmen.

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