Schutzzone in Syrien?: Türkei hofft auf deutsche Unterstützung
Erdogan will eine Schutzzone in Syrien schaffen. Das Vorhaben ist aber umstritten. Angeblich signalisiert Merkel jetzt Unterstützung - unter Bedingungen.
Nur ein einziges Land in Europa sei grundsätzlich bereit, den türkischen Plan für eine „Schutzzone“ in Syrien zu unterstützen, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vor Kurzem.
Den Namen des Landes wollte er nicht nennen. Doch in türkischen Regierungskreisen hieß es nun, es handele sich um Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist demnach offenbar bereit, den Plan zur Rückführung von Flüchtlingen aus der Türkei nach Nordsyrien zu unterstützen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
Zu den Forderungen der Deutschen gehört demnach, dass die Rückkehr von Flüchtlingen nicht dazu führen darf, dass andere Volksgruppen benachteiligt werden. Beim dreitägigen Welt-Flüchtlingsforum der UN in Genf will Erdogan ab diesem Montag einen neuen Versuch starten, Europa zur Unterstützung seines Plans zu bewegen. Ankara fordert zudem mehr Geld von der EU für die Versorgung der 3,6 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei.
Die türkische Armee hat seit Beginn des jüngsten Syrien-Einmarsches im Oktober rund 4.000 Quadratkilometer unter ihre Kontrolle gebracht, wie Verteidigungsminister Hulusi Akar kürzlich mitteilte. Das ist zwar weit weniger als ursprünglich geplant, aber die Türkei will trotzdem mit dem Aufbau der „Schutzzone“ beginnen.
In der Gegend zwischen den Städten Tel Abyad und Ras al Ayn, die von der türkischen Armee besetzt ist, sollen in einem ersten Schritt rund 300.000 syrische Kurden angesiedelt werden, wie es in Regierungskreisen hieß. Diese Menschen waren demnach aus dieser Gegend in die Türkei geflohen und würden nun also „in ihre Dörfer heimkehren“, sagte ein türkischer Regierungsvertreter.
Mehr als 50.000 Menschen sind nach diesen Angaben bereits zurückgekehrt. Die türkische Armee repariere in dem Besatzungsgebiet die Wasser- und Stromversorgung und richte Bäckereien ein. In anderen türkisch besetzten Regionen Syriens hat die türkische Regierung bisher weitere 360.000 Heimkehrer gezählt.
Erdogans Plan sieht vor, mehrere Millionen Syrer aus der Türkei in türkisch besetzte Gegenden in Syrien zu schicken. Von den Europäern erhofft sich die Türkei finanzielle Unterstützung für den Bau neuer Siedlungen, neuer Straßen und anderer Infrastruktur in diesen Gebieten. In türkischen Medienberichten war von einem Finanzbedarf von mehr als 20 Milliarden Euro die Rede.
Mit der Rückführung will Erdogan der wachsenden Abneigung vieler Türken gegenüber den vielen Flüchtlingen begegnen.
Bisher stößt die Türkei mit ihren Vorstellungen in Europa jedoch auf Ablehnung, und zwar nicht nur wegen der geforderten Geldsumme. Europäische Politiker befürchten, dass die Massen-Umsiedlung gegen den Willen der Betroffenen stattfinden und zu demographischen Veränderungen führen könnten.
So wirft die syrische Kurdenmiliz YPG der Regierung Ankara eine „ethnische Säuberung“ vor, die arabische Syrer in der vornehmlich kurdischen Region im Nordosten Syriens zur Mehrheit machen solle. Die Türkei weist diesen Vorwurf zurück. Die Rückkehr der Syrer werde nach drei Kriterien der UN ablaufen, sagte Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin kürzlich: "Sicher, freiwillig und in Würde."
Migrationsexperten betonen jedoch, dass viele Syrer schon so lange in der Türkei sind, dass sie nicht in ihr Land zurückkehren wollen. Jeden Tag kommen in der Türkei rund 400 Kinder von syrischen Flüchtlingen auf die Welt. Syrer haben in der Türkei mehr als 10.000 Firmen gegründet. In Umfragen sagen die meisten Flüchtlinge, sie wollten auf Dauer in der Türkei bleiben.
Die türkische Regierung lässt allerdings nicht locker. Beim dreitägigen „Global Refugee Forum“ des UN-Flüchtlingshilfswerkes in Genf will sie mehr Druck auf die Europäer machen, die „Schutzzone“ zu unterstützen. Außerdem möchte sie über die Zukunft des Flüchtlingsabkommens zwischen der Türkei und der EU reden. Vize-Außenminister Faruk Kaymakci sagte in Istanbul, die EU-Gelder für die Syrer in der Türkei würden zu langsam ausgezahlt. Zudem reiche die bisher bereitgestellte Summe von sechs Milliarden Euro nicht aus.
Unklar ist, wie Erdogan eine Rolle der UN bei der Rückansiedlung von Syrern organisieren will, wie es von den Europäern gefordert wird. Die Vereinten Nationen wären auf die Zustimmung der Regierung in Damaskus angewiesen. Aber Baschar al Assads Regime lehnt das Vorhaben der Türkei kategorisch ab.
Die Bundesregierung wird in Genf von Bundesaußenminister Heiko Maas vertreten. Ob er bei der UN-Konferenz mit türkischen Gesprächspartnern zusammenkommen wird, war am Sonntag nicht bekannt. Im Februar will Erdogan mit Merkel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premier Boris Johnson in Istanbul über die „Schutzzone“ und die Flüchtlingshilfe beraten.