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Donald Trump bei einer Kundgebung in Florida am vergangenen Freitag.
© Carlo Allegri/Reuters

Roy Moore verliert in Alabama: Trumps Masche zieht nicht mehr

Sensation im US-Staat Alabama: Ein Demokrat gewinnt bei der Senatswahl gegen einen Republikaner. Die Sehnsucht nach Anstand bricht sich wieder Bahn. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Falls eines Tages, der hoffentlich nicht fern ist, über den Niedergang des amerikanischen Rechtspopulismus geschrieben wird, dann trägt diese Geschichte ein Datum. Am 12. Dezember 2017, kurz vor Mitternacht, wurde im US-Bundesstaat Alabama eine Sensation verkündet: Der Demokrat Doug Jones setzt sich bei der Senatswahl knapp gegen den Republikaner Roy Moore durch. Alabama ist ein bibeltreuer, konservativer Südstaat, seit einem Vierteljahrhundert war hier kein Demokrat mehr in den Senat gewählt worden. Und ob George W. Bush, John McCain, Mitt Romney oder Donald Trump: Republikanische Präsidentschaftskandidaten bekamen hier regelmäßig mehr als sechzig Prozent der Stimmen.

Roy Moore, der Verlierer, ist ein reaktionärer ehemaliger Richter, dem mehrere Frauen sexuellen Missbrauch vorgeworfen hatten. Das Partei-Establishment war daher auf Abstand zu ihm gegangen. Kräftig unterstützt jedoch wurde er von Donalds Trumps ehemaligem Chefberater Steve Bannon sowie dem Präsidenten selbst.

War Moore ein schwacher Kandidat? Ja, das war er. Aber Trump galt vor seiner Wahl auch als schwach und unwählbar. Gerade diese extrem exzentrische Form des Illiberalismus schien mit dessen Einzug ins Weiße Haus triumphiert zu haben. Nun formt sich Widerstand dagegen, eine als verschüttet befürchtete Sehnsucht nach Anstand bricht sich Bahn. Bannon und Trump sind besiegbar. Man muss kein Phantast sein, um zu ahnen, dass die Anziehungskraft der von ihnen propagierten restaurativen Revolution langsam nachlässt.

"Lynyrd Skynyrd" kontert mit "Sweet Home Alabama"

Doug Jones, der Gewinner der Senatswahl, symbolisiert diesen Mentalitätswandel wie kein zweiter. Das illustriert eine kurze Rückschau in eine Episode aus der jüngeren US-Geschichte. Birmingham, Alabama, 15. September 1963: Vier Mitglieder des Ku-Klux-Klan verüben einen Sprengstoffanschlag auf eine von Schwarzen besuchte Baptistenkirche. Vier Mädchen werden ermordet. Rasch steht das Attentat im Zentrum der Bürgerrechtsbewegung. Neil Young schimpft zornig auf den „Southern Man“, die Gruppe „Lynyrd Skynyrd“ kontert mit „Sweet Home Alabama“ und greift Neil Young für dessen pauschale Kritik an den Südstaatlern direkt an. Filme werden gedreht, Bücher geschrieben. Als „Birmingham Church Bombing“ geht der Terrorakt auch in die Kultur- und Popgeschichte Amerikas ein.

Erst 14 Jahre später, im Jahr 1977, wird einer der Attentäter verurteilt. Geschlagene 38 Jahre später, im Jahr 2001, müssen sich zwei weitere vor Gericht verantworten (der vierte war bereits gestorben). Der Vertreter der Staatsanwaltschaft sagt in seinem Schlussplädoyer: „Es ist nie zu spät, um die Wahrheit zu erzählen. Es ist nie zu spät, um einen Menschen für seine Verbrechen zu bestrafen.“ Dieser Staatsanwalt ist kein anderer als Doug Jones, ein Mensch, dessen moralischer Kompass intakt geblieben ist. Einer, der das Herz nicht am rechten, sondern am richtigen Fleck hat.

Der Sieg von Jones erzeugt Gänsehaut. Nüchtern betrachtet reduziert er den Vorsprung der Republikaner im Senat auf 51 zu 49 Stimmen, und den Mir-kann-keiner-was-Ballon, den Trump so gerne aufbläst, hat er laut platzen lassen. Doch die Bedeutung geht tiefer. Wer an Trump verzweifelt, darf wieder hoffen: Das ist die Botschaft. Manchmal dauert es mit der Gerechtigkeit, aber sie kommt.

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