Chefstratege im Weißen Haus: Stephen Bannon als Fackelträger von Trump
Filme als Waffe: Wer wissen will, wie Stephen Bannon tickt, muss sich seine Dokumentationen ansehen - über Ronald Reagan, Sarah Palin, das Christentum. Fazit: Apokalypse Now!
Er ist Mephisto, selbst erklärter Leninist, gefährlichster Mann im Weißen Haus, Darth Vader, rechtsradikaler Ideologe, cholerisch und unberechenbar, ein Zerstörer, Einflüsterer, Pöbler, Rebell, Manichäer, Apokalyptiker, Nihilist, Verschwörungstheoretiker, Nationalist, Militarist, Anti-Feminist. Eines hat Stephen K. Bannon mit all diesen Titeln geschafft: Für das „Establishment“, wie er es verächtlich nennt, ist er Staatsfeind Nummer eins. In der Bedrohungsskala rangiert er oft noch vor Donald Trump.
Als politischer Chefstratege des Präsidenten zieht der 63-jährige irischstämmige Katholik nun die Strippen in und um das Oval Office. Trumps Dekrete tragen seine Handschrift. Bannon, das Faszinosum – gruselig, rätselhaft. Was will dieser Mann, was treibt ihn an?
Es gibt nachhörbare Reden von ihm, wie die vor „Tea-Party“-Sympathisanten in New York City, vor der „Liberty Restoration Foundation“ in Orlando (Florida), per Skype aus Kalifornien zugeschaltet vor Vertretern der religiösen Rechten im Vatikan. Außerdem gibt es Dutzende von Interviews mit ihm, auf Fox News, dem Blog „Batcave“, auf Breitbart. Ein Schlüssel zum Verständnis von Bannons politischer Ideologie sind aber auch seine Filme. Von Ende der neunziger Jahre bis 2016 arbeitete er als Drehbuchautor, Produzent und Regisseur.
Im Zentrum von Bannons filmischem Schaffen stehen Dokumentationen. Das Wort suggeriert Sachlichkeit und ist daher irreführend. Eine „documentary“ dieser Art will aufrütteln, polarisieren, mahnen, empören. Was Michael Moore von links ist Steve Bannon von rechts – ein Agitator, der gar nicht erst vorgibt, etwas anderes zu sein. Von Kollegen wird Bannon als „Leni Riefenstahl der Tea-Party-Bewegung“ bezeichnet.
Kampf gegen Faschismus, Kommunismus und dschihadistischen Islam
Sein Appell an das Publikum: Es muss sich entscheiden zwischen Licht und Dunkelheit, Wahrheit und Lüge, dem aufrechten und dem gebückten Gang, dem Glauben an Gott und dem Abfall von Gott. Einfache Bilder illustrieren die Metaphern. Geld wird gedruckt und verbrannt. Das heißt Verschwendung. Bilder von Konzentrationslagern, dem Gulag und den einstürzenden Türmen des World Trade Centers stehen für den Kampf gegen Faschismus, Kommunismus und dschihadistischen Islam. Unterlegt wird die Erzählung mit klassischer dramatischer Musik, mal leiser, mal lauter. So plump wie eingängig.
Bannons Held ist Ronald Reagan. Im Jahr 2004 erschien der Glorifizierungsstreifen „In the Face of Evil – Ronald Reagan’s War in Word and Deed“. Kontrastiert wird der Aufstieg des Schauspielers, Gouverneurs und späteren Präsidenten mit der Machtausdehnung des „Biests“. Das Biest ist der Sowjetkommunismus, Stalins Terror, Mauerbau, Gulag.
Bevor Reagan dieses Biest durch einen „Kreuzzug für die Freiheit“ – Klarheit, Hochrüstung, einen festen Glauben und die Unterstützung der Mudschaheddin in Afghanistan – bezwang, sei es von Appeasern gefüttert worden. Man habe es einzudämmen und durch Rüstungskontrollabkommen zu besänftigen versucht, ihm in Helsinki die Dominanz über Osteuropa zugestanden, tatenlos die Entwicklung der sowjetischen Atombombe sowie den Bau der Mauer hingenommen. Doch dann kam Reagan, der Erlöser, ein Mann mit einer Vision, ein Outsider, der als paranoid, reaktionär und kriegstreiberisch beschimpft wurde, der aber als einziger „den Mut hatte, das zu tun, was moralisch richtig war“.
Allein gegen alle, verlacht, verspottet, verkannt: Das ist ein biblischer Mythos und einer aus Westernfilmen. Noah, der die Arche baut, Jesus am Kreuz, Gary Cooper in „High Noon“. Das Böse ist in der Überzahl, mächtig und durchtrieben. Doch das Gute siegt, dank einer höheren Macht, die es in sich trägt.
Den Sound dahinter, der die Geschichte emotional zum Schwingen bringt, beherrscht Bannon meisterhaft. Außerdem webt er seine Botschaft in ein Geschichtsbild ein, das sich plausibel in das amerikanische Nationalepos einzufügen scheint. Inspiriert wurde er dazu von dem Buch „The Fourth Turning“ von Neil Howe und William Strauss. Demnach lässt sich die US-Geschichte in Achtzig-Jahre-Zyklen unterteilen. Der erste Zyklus dreht sich um die Revolution (1763), der zweite um den Bürgerkrieg (1861), der dritte um den Anti-Hitler-Kampf, der vierte um die beiden prägenden Ereignisse in Bannons Leben: den islamistischen Terror am 11. September 2001 und die globale Finanzkrise.
Im Film „Generation Zero“ aus dem Jahr 2010 werden Details dieser Geschichtsphilosophie ausgebreitet. Die 80-Jahre-Zyklen unterteilen sich wiederum in vier 20-Jahre-Zyklen. Sie heißen „high“, „awakening“, „unraveling“, „crisis“. Grob gesagt charakterisieren die ersten zwanzig Jahre nach dem Sieg über den Hitler-Faschismus das Funktionieren des „American Dream“ – Frömmigkeit, intakte Familien, Prosperität. Dann kam die 68er-Generation und verriet diese Werte. Egoismus, Narzissmus, Arroganz, der unbedingte Wille zur Selbstverwirklichung führten zum „moralischen Niedergang“ des Landes. Dessen Folgen: Lewinsky-Affäre, galoppierende Staatsschulden, eine sich ständig selbst bereichernde politische Klasse, Casino-Kapitalismus, Finanzkrise.
Bilder von Atombombenexplosionen, Lawinenabgängen
Nun muss diese „Dekade der Schande“ beendet werden. Der Kampf werde „hart, böse und schmutzig“. Die Bibelstelle aus Prediger 3 wird zitiert, „alles hat seine Zeit“, Bilder von Atombombenexplosionen, Lawinenabgängen, dem Hamster, der sich sinnlos im Rad dreht, untermauern die Dramatik der Lage. Entgegen der Vermutung kommen Rassismus, weißer Überlegenheitsdünkel, Homophobie oder Antisemitismus in Bannons Filmen nicht vor. Statt dessen: Zerschlagung der bestehenden Ordnung, spirituelle Erneuerung, Endzeit-Rhetorik.
Wer soll den Kampf führen? Bevor Trump auf die Bühne trat, hoffte Bannon auf konservativ-reaktionäre Frauen wie Ann Coulter, Michelle Bachmann und Sarah Palin. In Palin sah er lange Zeit die Inkarnation Reagans. Sein Film über sie heißt „The Undefeated“ (2011). Palin sei „unglaublich intelligent“, eine „unerschrockene Kriegerin“, ein Stachel im Fleisch des Establishments, sagt Bannon. Ein knappes Jahr zuvor führte er Regie in dem Film „Fire from the Heartland – the Awakening of the Conservative Woman“. Frauen wie Palin, Coulter und Bachmann seien „unsere letzte Verteidigungslinie“.
Ein Film, der nie gedreht, aber 2007 in einem achtseitigen Exposé von Bannon geplant worden war, sollte den Titel tragen: „Destroying the Great Satan: The Rise of Islamic Fascism in America“. Radikale Muslime übernehmen das Land, aus dem Kapitol sind „Allahu-Akbar“-Rufe zu hören. Die Medien, jüdische Organisationen und der Regierungsapparat – obwohl von „lautersten Motiven geleitet“ – wiegeln die Gefahr ab, die von den Dschihadisten ausgeht und pflastern dadurch unfreiwillig den Weg, der zu dieser „einzigartigen Hölle auf Erden“ führt.
Bannons Weltsicht kreist um Terror und Finanzkrise. Amerikas äußerer Feind: Islam und Islamismus. Amerikas innerer Feind: Verweichlichung, Werterelativismus, Gier, Säkularismus, Atheismus, Korruption. An beiden Fronten muss die Schlacht geschlagen werden. Bei der Konferenz im Vatikan 2014 beklagt er die „Krise des jüdisch-christlichen Westens“, Schuld sei „eine Krise unserer Kirche, eine Krise des Glaubens“.
Kein Wunder, dass Bannons letzter Film, „Torchbearer“ (Oktober 2016), eine monumentale Predigt über die Notwendigkeit der christlichen Erneuerung Amerikas ist. Vorgetragen wird sie von dem langbärtigen Missionar und Reality-TV-Star Phil Robertson. Die „Torchbearer“ sind eine weltweit verbreitete evangelikale Glaubensgemeinschaft. Erzählt wird die Verfolgungsgeschichte von Christen, gepriesen werden christliche Märtyrer, gewarnt wird vor Sozialdarwinismus und dem Verlust von Werten wie Uneigennützigkeit und Hingabe.
Radikale Traditionalisten gegen die Vertreter einer globalen Elite
Bannon korrespondiert regelmäßig mit erzkonservativen Kardinälen im Vatikan wie dem Amerikaner Raymond Burke, die Gegner von Papst Franziskus sind. Dessen Barmherzigkeitsbotschaft, Toleranz gegenüber dem Islam und Mitgefühl für Flüchtlinge widerspricht Bannons Forderung nach einer Erneuerung des Christentums in Abgrenzung zum Islam. Die Guten in Bannons Welt sind die „radikalen Traditionalisten“, die Bösen die Vertreter einer „globalen Elite“, denen „London und Berlin näher sind als die Menschen in Kansas und Colorado“.
Bannons Ziele sind die christliche Erneuerung Amerikas als Fundament eines freien, unregulierten, aber wertegebundenen Kapitalismus, der Sieg über den „islamischen Faschismus“, die Wiederbelebung der kulturellen Normen der 50er Jahre – und als Bedingung dafür die Zerschlagung der maßgeblichen Institutionen der herrschenden Klasse, sprich: von Parteienfilz, Medien, Pfründesicherung. Das alles geschieht im Namen des kleinen Mannes, der hart arbeitet und von der Elite vergessen worden war. Ohne Revolution keine Reformation.
Seine Rede in New York 2010 vor Sympathisanten der Tea Party beendete Bannon mit einem Zitat aus einem Lied von Bob Dylan: „You don’t need a weatherman to know which way the wind blows“. Es stammt aus „Subterranean Homesick Blues“, einer Inspirationsquelle für die Gründung der radikal linken Studentengruppe „Weatherman“ in den späten sechziger Jahren. Wie damals die 68er reden Bannon und Trump heute über sich und ihre Ideologie als eine „Bewegung“.