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Demonstranten protestieren in Salt Lake City gegen den Gesetzesentwurf der Republikaner zur Krankenversicherung.
© dpa

Gesundheitsreform vertagt: Trumps Großbaustellen häufen sich

Der US-Präsident konnte Obamacare vorerst nicht abschaffen. In der Innenpolitik kommt er nur langsam voran. Eine Übersicht.

Donald Trump war in seinem Element. Vor mehreren tausend begeisterten Zuhörern berichtete der US-Präsident kürzlich in Cedar Rapids im Bundesstaat Iowa über die nach seinen Worten „unglaublichen Fortschritte“ seiner Regierungsarbeit. „Wir fangen an, uns um unser Land zu kümmern“, erklärte Trump unter dem Jubel seiner Wähler. Ganz so strahlend wie von Trump dargestellt ist die Bilanz der ersten fünf Monate der US-Regierung allerdings nicht. Wichtige innenpolitische Projekte lassen auf sich warten. Hier ein Überblick über die bedeutendsten Baustellen.

Gesundheitsreform

Eines der prominentesten Wahlkampfversprechen von Trump war die Abschaffung von Obamacare, des nach seinem Vorgänger benannten Gesundheitssystems, das rund 20 Millionen Amerikanern erstmals einen Krankenversicherungsschutz beschert hat. Trump und seine Republikaner halten Obamacare für eine Katastrophe, bei der staatliche Regelungswut zu einer Kostenexplosion geführt hat. Doch bei dem Versuch, Obamacare durch ein besseres System zu ersetzen, stößt Trump auf Schwierigkeiten.

Das von den Republikanern beherrschte Repräsentantenhaus verabschiedete im April zwar ein Gegenmodell zu Obamacare, doch die absehbaren Folgen für Normalbürger – nach unabhängigen Schätzungen könnten mehrere Millionen Amerikaner ihren Versicherungsschutz verlieren – sind so drastisch, dass selbst Trump die Vorlage inzwischen als „gemein“ bezeichnet und mehr Geld für Einkommensschwache fordert.

Nun ist die Reihe am Senat, in dem die Republikaner ebenfalls die Mehrheit haben. Nach wochenlangen Beratungen hinter verschlossenen Türen präsentierte die Fraktionsführung vorige Woche ihren eigenen Entwurf, der die bei Obamacare vorgesehene allgemeine Versicherungspflicht abschafft und die US-Bürger statt dessen mit Steueranreizen zum Abschluss einer Versicherung ermuntern will.

Die Führung der Republikaner will zudem die staatlichen Subventionen für Medicaid, den Krankenversicherungsschutz für ärmere Bevölkerungsteile, begrenzen. Unter Obama war die Reichweite von Medicaid ausgebaut worden; rund 20 Prozent aller Amerikaner hängen von Medicaid ab. Unter dem neuen Plan könnten Selbstbeteiligungen drastisch steigen. Steuererhöhungen, die zur Finanzierung von Obamacare eingeführt wurden, sollen gestrichen werden, was besonders den Wohlhabenden zugute kommen würde.

Kritiker sprechen von einer gigantischen Umverteilung zugunsten der Reichen und zu Lasten der Armen, Alten und chronisch Kranken. Das überparteiliche Haushaltsbüro des Kongresses rechnete vor, dass in den nächsten zehn Jahren rund 22 Millionen Bürger ihren Versicherungsschutz verlieren könnten, wenn der Entwurf umgesetzt werde.

Diese Horror-Zahl ließ die Unterstützung für den in der republikanischen Senats-Fraktion ohnehin umstrittenen Entwurf noch weiter schwinden. Angesichts einer Mehrheit von nur zwei Sitzen für seine Partei kann sich Fraktionschef Mitch McConnell nicht viele Abweichler leisten, deshalb soll nun in zwei Wochen ein neuer Anlauf unternommen werden. Die Erfolgsaussichten sind allerdings unsicher: Selbst republikanische Gouverneure in einigen Bundesstaaten lehnen die Vorlage ab.

Trump ist bei dem Thema zum Opfer der eigenen Rhetorik geworden. Im Wahlkampf hatte er großmundig eine radikale Reform zugunsten aller Amerikaner versprochen, die zudem noch billiger sei. Nun könnte er viele Wähler mit einer Kürzung der Gesundheitsvorsorgen verprellen. Das Thema ist wichtig für ihn: Für Mittwochabend plante Trump eine Veranstaltung in Washington, bei der er um Spenden für seine Wiederwahl in drei Jahren werben wollte.

 Steuerreform

Auch bei der geplanten Steuerreform geht es für Trump und die Republikaner langsamer voran als geplant. Die Regierungspartei will das Steuersystem vereinfachen, Pauschalbeträge erhöhen und Schlupflöcher schließen. Einige Politiker fordern eine Sondersteuer auf Importe, was Exportnationen wie Deutschland schwer treffen könnte, doch derzeit ist eher unwahrscheinlich, dass sich diese Forderung durchsetzt: Großunternehmen wie Warenhausketten laufen Sturm gegen eine Importsteuer, weil ihr Sortiment zu großen Teilen aus eingeführten Waren besteht.

Die Debatte über die Gesundheitsreform und der Skandal um russische Einflussversuche bei der US-Wahl im vergangenen Jahr haben die Diskussion über die Steuerrefrom in den Hintergrund rücken lassen. Ursprünglich sollte die Reform bereits in diesem Sommer beschlossen werden, doch inzwischen ist unklar, ob sie noch vor Jahresende verabschiedet werden kann.

Infrastruktur

Ähnlich wie in der Gesundheits- und Steuerpolitik konnte Trump in den ersten Monaten seiner Regierungszeit auch beim Vorhaben einer grundlegenden Modernisierung der Infrastruktur längst nicht alles halten, was er versprochen hat. Eine Billion Dollar will der Präsident in die Erneuerung von Straßen, Flughäfen, Brücken und Bahnlinien stecken – doch selbst die Haushaltspolitiker der eigenen Partei vermissen eine solide Gegenfinanzierung.

Geschehen ist daher bisher nicht viel. In einer groß angekündigten „Infrastruktur-Woche“ unterzeichnete Trump zwar einen Plan zur Privatisierung der amerikanischen Flugaufsicht. Doch es stellte sich schnell heraus, dass das Vorhaben im Parlament keine Mehrheit finden dürfte.

Nach Trumps ursprünglichem Plan sollte das Infrastruktur-Paket bereits im Mai vorgelegt werden, doch inzwischen räumen Regierungsvertreter laut Medienberichten ein, dass die Vorstellung eines umfassenden Plans möglicherweise bis zum Herbst warten muss. Viele kostspielige Vorhaben, etwa im Straßenbau, will das Weiße Haus den Berichten zufolge auf Bundesstaaten, Kommunen und Privatunternehmen abwälzen.

Mauer und Zuwanderung

Den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko zur Abwehr illegaler Einwanderer will die Trump-Regierung dagegen selbst vorantreiben. In der ihm eigenen Nonchalance hat sich Trump jedoch von der Ankündigung verabschiedet, der bis zu 20 Milliarden Dollar teure Grenzwall werde von Mexiko bezahlt. Bei seinem Auftritt in Iowa sagte der Präsident, er habe die Idee, die Mauer mit Solarzellen zur Stromgewinnung ausstatten zu lassen – auf diese Art werde die Mauer für sich selbst bezahlen. US-Zeitungen wiesen ihre Leser jedoch darauf hin, dass die Idee mit den Sonnenkollektoren nicht von Trump stammt, sondern bereits seit Monaten von Experten und Unternehmen diskutiert wird.

Einen kreativen Umgang mit den Fakten demonstrierte Trump auch bei einem anderen Bereich der Einwanderungspolitik. In Iowa kündigte er ein Gesetz an, mit dem Zuwanderer in ihren ersten fünf Jahren in den USA von Sozialleistungen ausgeschlossen werden sollen – doch diese Frist ist bereits seit 1996 gesetzlich verankert.

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