Streit um Einreiseverbot: Trumps Chancen vor Gericht sind nicht schlecht
Im Rechtsstreit um das Einreiseverbot für Bürger aus sieben muslimischen Staaten kann sich der US-Präsident auf weit reichende Kompetenzen berufen. Eine Analyse.
Bis Dienstag konnten Bürger aus sieben muslimischen Staaten, die Präsident Donald Trump mit einem Verbot belegen wollte, in die USA einreisen. Von Mittwoch an könnten sie wieder zurückgewiesen werden. Die Urteile von US-Gerichten gegen die Wirksamkeit des „Muslim-Banns“ haben die Ausführung nur vorübergehend gestoppt, um irreparablen Schaden für Betroffene zu vermeiden. Es waren keine endgültigen Entscheidungen in der Sache. Die Regierung hat Berufung eingelegt. Bereits an diesem Mittwoch könnte das Appellationsgericht in San Francisco ein Urteil fällen. Die Chancen, dass Trump zumindest in Teilen Recht bekommt, stehen gar nicht schlecht.
Es gibt kaum Präzedenzfälle, die ihn eingrenzen
Wie weitreichende Entscheidungen ein US-Präsident per Dekret treffen darf, hängt vom Sachgebiet ab. Überall da, wo die Verfassung oder die vom Kongress erlassenen Gesetze Vorgaben machen, ist sein Spielraum gering, zum Beispiel bei den Grundrechten der US-Bürger, Eigentumsfragen, in der Innen- und Wirtschaftspolitik. Anders verhält es sich in der Außen- und Sicherheitspolitik. Da hat ein US-Präsident zum einen generell weitreichende Kompetenzen. Zum anderen gibt es weniger Einschränkungen durch Gesetze oder Gerichtsurteile, die als Präzedenzfälle dienen und ihn eingrenzen.
Zudem muss geklärt werden, wer überhaupt gegen das Dekret klagen darf. Nicht-US-Bürger haben kein grundsätzliches Recht auf Einreise in die USA. Generell haben Menschen keinen Anspruch darauf, in jedes Land ihrer Wahl zu reisen. Staaten entscheiden souverän, wen sie einlassen und wen nicht. Die Verletzung eines ihnen zugesprochenen Rechts durch das Dekret können nur die Bürger aus dem Irak, Iran, Jemen, Libyen, Somalia, Sudan, Syrien geltend machen, die über die „Green Card“ verfügen: das ständige Aufenthaltsrecht in den USA.
Wer erleidet überhaupt Schaden?
Im Verfahren in Washington State, das nun in Berufung geht, hatten mehrere demokratisch regierte US-Bundesstaaten argumentiert, das Einreiseverbot schädige sie wirtschaftlich. Unter denen, die jetzt draußen bleiben sollen, seien Studenten, die keine Studiengebühren mehr zahlen, und Beschäftigte und Konsumenten, deren Steuern diesen Staaten fehlten.
Diese Begründung ist eine Retourkutsche gegen republikanisch regierte Staaten. Die hatten gegen Obamas Dekret geklagt, das minderjährigen illegalen Migranten ein Bleiberecht zusprach. In den USA nennt man sie „Dreamers“, weil ihre Entwicklungschancen in den USA ein Traum sind im Vergleich zu ihren Heimatländern. Die Konservativen verlangten ihre Abschiebung mit dem Argument: Es belaste die Staatskassen ungebührlich, wenn sie für Illegale Schulen und andere Dienstleistungen vorhalten müssen.
Das Gesetz überlässt dem Präsidenten die Entscheidung
Im Kern der Auseinandersetzung aber stehen die Vollmachten des Präsidenten. Er bestimmt die Außenpolitik und das Einreiserecht. So interpretiert der Supreme Court Artikel II der Verfassung. Bei der Entscheidung, wer einreisen darf, bewege sich der Präsident nicht außerhalb der Vorgaben, die der Kongress im „Immigration“-Gesetz macht, schreibt der Rechtsexperte der „New York Times“, Adam Liptak.
„Immigration“ meint im Amerikanischen sowohl Einreise als auch Einwanderung. Im Gesetz heißt es: Wenn der Präsident meint, dass die Einreise von Fremden oder einer Gruppe von Fremden in die USA den Interessen des Landes schadet, kann er für die ihm erforderlich erscheinende Zeit die Einreise von Fremden oder einer Gruppe von Fremden aussetzen oder diese einschränken, wie er es für angemessen hält.
Das Gesetz enthält auch ein Diskriminierungsverbot, freilich nur für Einwanderungsvisa. Bei der Entscheidung dürfen „Rasse, Geschlecht, Nationalität, Geburtsort und Wohnort“ keine Rolle spielen. Trumps Regierung sagt, diese Einschränkung sei dem generellen Recht, Einreiseverbote zu verhängen, untergeordnet.
Die Gegner sehen einen Verstoß gegen die Religionsfreiheit
Anwälte der Kläger gegen das Dekret betonen, Trump habe von einem „Muslim-Bann“ gesprochen. Er verstoße damit gegen die im ersten Verfassungsartikel garantierte Religionsfreiheit. Trumps Anwälte entgegnen, Gerichte könnten nicht über die Motive des Präsidenten spekulieren. Das verstoße gegen die Gewaltenteilung.
Der Einwand hat größeres Gewicht, als es zunächst erscheinen mag. Richter Nathaniel Gorton, der am Freitag in Boston die Ausführung des Einreiseverbots gestoppt hatte, weist auf einen Grundkonflikt hin. Einerseits sei „die reiche Einwanderungsgeschichte der USA eine Quelle der Stärke und des Stolzes“. Andererseits sei „das öffentliche Interesse an Sicherheit in einer immer gefährlicheren Welt ebenfalls stark“. Die Abwägung spreche zu Präsident Trumps Gunsten.
Diese Abwägung und den Hinweis auf die Gewaltenteilung führen Trumps Anwälte zu einem weiteren Argument zusammen. Der Präsident habe Zugang zu vertraulichen Informationen über terroristische Bedrohungen aus einzelnen Ländern und individuelle Personen von dort. Und die Richter hätten diese Informationen nicht.
Trumps Vorgänger haben auch Verbote erlassen
Aus der US-Rechtsgeschichte können Trumps Gegner wenig Hoffnung ableiten. Es gibt zwar einen Präzedenzfall, bei dem ein Präsident unterlag, der sich bei einem Dekret auf sein Entscheidungsrechts in der Außen- und Sicherheitspolitik berief. Während des Korea-Kriegs wollte Präsident Truman 1952 ein Stahlwerk beschlagnahmen. Der Supreme Court wies dies zurück. Damals wurden aber Grundsätze für Kompetenzkonflikte zwischen Präsident und Kongress festgelegt: Der Präsident habe große Handlungsfreiheit, solange er sich innerhalb der Gesetze bewege – hier: das „Immigration“-Gesetz – oder in Bereichen, zu denen der Kongress schweige oder keinen gegenteiligen Beschluss gefasst habe.
Trumps Vorgänger haben Einreisebeschränkungen verfügt, ohne dass ihnen das als Rechtsbruch ausgelegt wurde, betonen konservative Medien. Jimmy Carter sperrte 1980 Iran aus, Ronald Reagan Kubaner und Haitianer, die als Bootsflüchtlinge eintrafen. Bill Clinton und George W. Bush verhängten Einreiseverbote für Personen, die an Kriegsverbrechen auf dem Balkan beteiligt waren.
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