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In Erklärungsnot: Präsident Trump sagt die Abstimmung über die Gesundheitsreform ab.
© Carlos Barria / Reuters

Keine Gesundheitsreform: Trumps Blamage

Donald Trump scheitert als Dealmaker. Die Republikaner können trotz Mehrheit im Kongress ihr zentrales Wahlversprechen nicht durchsetzen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Der Kaiser ist noch nicht ganz nackt, aber er ist ziemlich dürftig bekleidet. Bei seinem ersten großen Gesetzgebungsvorhaben hat Donald Trump eine krachende Niederlage kassiert. Das wird Folgen haben für seine weiteren Projekte, die geplante Steuerreform und das Einwanderungsgesetz. Die Marke "Präsident Trump" ist nun beschädigt.

Viele Siege hatte er versprochen. Doch es beginnt mit einer Niederlage

Trump hatte sich im Wahlkampf als wirksame Alternative zum traditionellen Politikertypus inszeniert. Die anderen reden angeblich nur, bringen aber nichts zustande. Er, der als Außenseiter an die Macht komme und zudem aus der Privatwirtschaft, wo nur der Erfolg zähle, werde liefern. "Wir werden so oft siegen, dass es euch langweilig wird", hatte seinen Wählern großmäulig versprochen.

Jetzt steht er düpiert da. Er hat gerade in den Kategorien versagt, in denen er dem klassischen Establishment laut seiner Selbstdarstellung überlegen sein wollte. Sein zentrales Wahlversprechen, er werde die Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama rückgängig machen, entpuppt sich als leeres Gerede. Der angebliche "Dealmaker" ist nicht in der Lage, seine Partei hinter sich zu bringen, geschweige denn, wie versprochen, Abgeordnete der Opposition zu sich herüberzuziehen.

Das angebliche Verhandlungsgeschick: ein Bluff

Weder Locken noch Drohen half. Seine tagelangen Verhandlungen mit Republikanern erweisen sich als ein Bluff. Angesichts der komfortablen Mehrheitsverhältnisse hätte er es sich erlauben können, dass alle Demokraten plus gut zwanzig Abgeordnete der Republikaner mit Nein stimmen; auch dann hätte sein Gesetzentwurf das Repräsentantenhaus passiert. Die größere Hürde wäre der Senat, die zweite Parlamentskammer gewesen. Dort wären dann das besondere Verhandlungsgeschick des Präsidenten gefragt gewesen, sofern es denn existiert. Doch Trump scheiterte schon an der ersten und kleineren Hürde. Mehr als 30 konservative Abgeordnete blieben bei ihrer Ankündigung, ihm die Gefolgschaft zu verweigern. Die Abstimmung wurde abgesagt.

Und was den "Macher Trump" betrifft: Der versagt auch handwerklich. Seit sieben Jahren versprechen die Republikaner, "Obamacare" rückgängig zu machen. In dieser Zeit hätte sich jemand Gedanken machen können, wie das im Einzelnen zu bewerkstelligen ist, Trump eingeschlossen. Doch der Gesetzentwurf, der jetzt zur Debatte stand, war eilig zusammengeschustert und hatte viele Schwächen. Die potenziellen Folgen verstärkten Skepsis und Widerstand. Insofern ist es für die USA gut, dass "Trumpcare" gescheitert ist.

Trump zeigt eine neue Seite: Keine wilden Beschimpfungen

Eines war neu, freilich erst nach der Niederlage: Trump widerstand der Versuchung, nun wild mit Schuldzuweisungen und Rachedrohungen zu hantieren. In Washington hatten viele erwartet, dass der Präsident den Speaker des Abgeordnetenhauses, Paul Ryan, für die Blamage verantwortlich machen werde. Dessen Aufgabe wäre es gewesen, die Stimmen zu liefern. Und er hätte als Sündenbock dafür dienen können, dass die Gesundheitsreform und nicht ein anderes Projekt als erstes auf die legislative Agenda gesetzt wurde. Doch Trump gab den Demokraten die Schuld. Das klingt zwar nicht sehr überzeugend. Warum soll die Opposition schuld sein, wenn die Mehrheitsfraktion ihre Stimmen nicht beisammen hat? Aufschlussreicher war: Der Präsident verschonte Ryan und die widerspenstigen Abgeordneten seiner Partei. Er weiß, er braucht sie noch. Das nächste Projekt muss klappen, also sorgfältiger vorbereitet werden und im Konsens in den Kongress eingebracht werden. Sonst wird der Präsident schon nach wenigen Wochen im Amt zur "Lame Duck".

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