Lob für Brexit-Deal: Trump zollt May „große Anerkennung“
Am zweiten Tag in London führt Donald Trump viele politische Gespräche. Er lobt die scheidende Premierministerin – und trifft ihre möglichen Nachfolger.
Geplant war der zweite Tag von Donald Trumps Staatsbesuch in London am Dienstag als Bestätigung amerikanischer Freundschaft für die Brexit-Insel. Durch den verzögerten EU-Austritt Großbritanniens sowie den für Ende der Woche angekündigten Rücktritt Theresa Mays lag aber ein Hauch von Vorläufigkeit über den politischen Gesprächen zwischen der Premierministerin und dem US-Präsidenten. Vor Firmenchefs von beiden Seiten des Atlantiks stellte Trump einen „sehr, sehr weitreichenden Handelsvertrag“ in Aussicht und sagte an die Adresse Mays gewandt: „Bleiben Sie im Amt. Lassen Sie uns den Deal machen.“
Die Szene hinter den verschlossenen Türen des St. James’s-Palastes vervollständigt die Abfolge peinlicher Begegnungen zwischen den beiden Politikern. May war unmittelbar nach Trumps Amtseinführung im Januar 2017 nach Washington geeilt, um den Frischgewählten ihrer Loyalität zu versichern, nachdem London im Wahlkampf unverhohlen auf Trumps demokratische Rivalin Hillary Clinton gesetzt hatte. Schon damals sprach der Präsident vom „raschen Handelsvertrag“; die beglückte Premierministerin sprach jene Einladung zum Staatsbesuch aus, die sie jetzt einlösen zu müssen glaubte.
Trump zollt May für Brexit-Deal seine Anerkennung
Im vergangenen Jahr hatte Trump einen Arbeitsbesuch in Großbritannien dazu genutzt, seine Gesprächspartnerin vor der Weltpresse zu demütigen. May habe seine Ratschläge für die Verhandlungen mit der EU – darunter auch die Aufforderung, den Brüsseler Club wegen unspezifischer Beschwerden zu verklagen – missachtet. Im Vorfeld des jetzigen Besuchs warb der in Handelskriege mit China und Mexiko verwickelte Politiker für den Chaos-Brexit ohne Austrittsvereinbarung („No Deal“). In der Pressekonferenz am Dienstag gab sich Trump aber versöhnlich: May habe den Deal sehr weit vorangebracht: „Sie verdienen dafür große Anerkennung“, sagte er an die Premierministerin gewandt.
Selbst nach einem harten oder gar chaotischen Austritt der Insel aus der EU wären Fachleuten zufolge die Details einer solchen Vereinbarung deutlich komplizierter als von Trump suggeriert. Der britische Außenhandelsminister Liam Fox, ein überzeugter Brexiteer, mahnte am Dienstag zur Nüchternheit in Bezug auf das Timing. Politische Rücksichtnahmen auf beiden Seiten des Atlantiks, nicht zuletzt die US-Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr, machten einen raschen Abschluss unwahrscheinlich.
Auch bleiben die Details nebulös. Ein Sprecher der britischen Industrielobby CBI schlug als Sofortmaßnahme eine Lockerung der Visabestimmungen vor, die allerdings ohnehin schon vergleichsweise unbürokratisch gehandhabt werden. Während die Briten auf besseren Zugang für ihre Dienstleister hoffen, wollen die Amerikaner billige Nahrungsmittel, darunter chlorierte Hühnchen und Hormon-Rindfleisch, verkaufen. Mit großem Interesse beäugen US-Gesundheitsfirmen mögliche Großaufträge im Steuer-finanzierten Nationalen Gesundheitssystem NHS.
Eine derartige Öffnung des NHS werde von seiner Partei „mit aller Kraft bekämpft“ werden, sagte der Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn auf einer Protestkundgebung vor dem Parlament, die zeitgleich zu den anglo-amerikanischen Gesprächen in der Downing Street stattfand. Der Oppositionsführer sowie der Vorsitzende der Liberaldemokraten, Vincent Cable, hatten ihre Teilnahme am Staatsbankett tags zuvor verweigert und die Gelegenheit zu einem Gesprächstermin mit dem Besucher ausgeschlagen.
"Schnuppertermine" mit Johnson, Hunt und Gove
Die Lücken im Besuchskalender wollte Trumps Team durch Schnuppertermine mit den wichtigsten Bewerbern um Theresa Mays Nachfolge in Partei- und Staatsamt füllen. Schon vorab hatte der Präsident davon geschwärmt, Ex-Außenminister Boris Johnson würde „einen exzellenten Premierminister“ abgeben. Johnsons Amtsnachfolger Jeremy Hunt konnte im Verlauf der beiden Besuchstage qua Amt mehrfach mit Trump parlieren. Am Dienstag sickerte durch, dass auch Umweltminister Michael Gove zu einem persönlichen Gespräch gebeten sei.
Das Trio gilt bei den Buchmachern als Favoriten der konservativen Unterhausfraktion, deren Mitglieder von kommender Woche an aus dem 12-köpfigen Bewerberfeld zwei Kandidaten herausfiltern sollen. Diese beiden müssen sich dann der Urwahl durch die rund 160000 konservativen Parteimitglieder stellen. Bei diesen fast ausschließlich weißen, überwiegend älteren und gegenüber dem Durchschnitt der Bevölkerung wohlhabenden Menschen dürfte ein gutes Verhältnis zum wichtigsten Bündnispartner eine wichtige Rolle spielen.
Die drei Trump-Gesprächspartner Gove, Hunt und Johnson sind Absolventen der Elite-Uni Oxford, haben langjährige Politikerfahrung, nicht zuletzt im Kabinett, haben ihren 50. Geburtstag hinter sich und sind überzeugte Freunde Amerikas. Während Johnson und Hunt den Chaos-Brexit am 31. Oktober für möglich halten, spricht Gove lediglich davon, der EU-Austritt müsse bis zu den nächsten Unterhauswahlen über die Bühne gehen. Diese steigen spätestens im Frühsommer 2022.
Der US-Präsident traf sich zudem im Sitz des US-Botschafters mit dem rechtspopulistischen EU-Gegner Nigel Farage. Er habe eine „gute“ Begegnung mit Trump gehabt, ließ Farage später wissen. „Er glaubt wirklich an den Brexit und liebt seine London-Reise.“
Die scheidende Premierministerin mahnte den Präsidenten zu größerer internationaler Zusammenarbeit, nicht zuletzt beim Klimaschutz und in der Politik gegenüber dem Iran. Demonstrativ überreichte May ihrem Besucher eine Kopie der Atlantik-Charta, einem der Gründungsdokumente der UN. Beim Staatsbankett am Montagabend hatte Königin Elizabeth II von der Bedeutung jener internationalen Institutionen zum Schutz des Friedens gesprochen, bei deren Entstehung USA und GB eine entscheidende Rolle gespielt hatten.