Naher Osten: Trump wird Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen
US-Präsident Trump will die US-Botschaft in Israel nach Jerusalem verlegen - ungeachtet von Protesten muslimischer Staaten. Wann der Umzug stattfinden soll, ist aber noch unklar.
Er hat es mehrfach angekündigt, nun macht Donald Trump offenbar Ernst. Nach Angaben der palästinensischen Autonomiebehörde hat der US-Präsident seinen Amtskollegen Mahmud Abbas darüber informiert, dass Amerikas Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt wird. Aus der Erklärung ging allerdings nicht hervor, ob Trump den Umzug unverzüglich oder erst zu einem späteren Zeitpunkt anstrebt. Ein ähnliches Telefonat führte Trump mit dem jordanischen König Abdullah. Seine Entscheidung will Trump an diesem Mittwoch offiziell verkünden. Das sagte Sprecherin Sarah Sanders am Dienstag in Washington. Unbestätigten Berichten zufolge wird Trump sich um die Mittagszeit (Ortszeit) im Weißen Haus äußern.
Mit der Ankündigung des Botschaftsumzugs setzt Trump ein Wahlkampfversprechen an christliche Fundamentalisten und jüdische Anhänger um. Der Präsident strebt angesichts einer recht durchwachsenen Bilanz seiner ersten Monate im Amt vor dem Jahreswechsel noch einige politische Erfolge an. Der innenpolitisch motivierte Schritt macht nach Meinung von Nahost-Experten jedoch einen Friedensschluss zwischen Israel und den Palästinensern nahezu unmöglich, die Entscheidung wird erhebliche Folgen für den Nahen Osten haben. Sowohl die Palästinenser als auch arabisch-muslimische Staaten hatten bereits angekündigt, dass die Verlegung der Botschaft für sie eine rote Linie darstelle.
Denn damit wäre klar, dass die US-Regierung Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennt. Für die Palästinenserführung ist dies keinesfalls hinnehmbar. Sie pocht darauf, dass der Ostteil des heiligen Orts die Hauptstadt ihres künftigen unabhängigen Staates wird. Auch bei der internationalen Gemeinschaft gibt es Widerstand. Sie will keine Änderung des Status quo akzeptieren, bevor dieser im Rahmen von Friedensverhandlungen geklärt ist.
Immer wieder Streit um die heilige Stadt
Das große Konfliktpotenzial Jerusalems – drittheiligste Stadt im Islam nach Mekka und Medina – ist seit Langem bekannt. Erst im Juli war es dort zu heftigen Gewaltausbrüchen gekommen, weil Israel am Zugang zum Tempelberg Metalldetektoren aufstellte. Diese sollten verhindern, dass Bewaffnete auf das Areal gelangen. Die Detektoren wurden später wieder abgebaut.
Israel hatte den arabisch geprägten Ostteil Jerusalems 1967 im Sechs-Tage- Krieg erobert und später annektiert. Die konservative Regierung von Benjamin Netanjahu beansprucht die gesamte Stadt als „ewige, unteilbare“ Hauptstadt des jüdischen Staats.
Ein Sprecher von Abbas sagte, der Palästinenserpräsident habe Trump in dem Gespräch „vor den schwerwiegenden Auswirkungen einer Botschaftsverlegung auf den Friedensprozess sowie Sicherheit und Stabilität in der Region und der Welt gewarnt“.
Hamas droht mit Intifada
Abbas habe bekräftigt, es werde keinen Palästinenserstaat ohne Ost-Jerusalem als Hauptstadt geben. Er wolle mit Staatschefs in aller Welt in Kontakt bleiben, um diesen „inakzeptablen Schritt“ zu verhindern, sagte der Sprecher. Vor wenigen Tagen hatte die islamistische Hamas mit einer neuen Intifada – also einem Aufstand – gedroht, sollte die US-Botschaft tatsächlich nach Jerusalem verlegt werden.
Abbas und der saudische König Abdullah, mit dem Trump ebenfalls telefonierte, wiesen den US-Präsidenten auf die Spannungen hin, die durch die Anerkennung Jerusalems entstehen könnten. Auch Saudi-Arabien, der wichtigste Partner der USA in der islamischen Welt, ist gegen eine Anerkennung Jerusalems. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach in diesem Zusammenhang von einer „roten Linie“ für alle Muslime, die nicht überschritten werden dürfe. Die Türkei, eines der wenigen muslimischen Länder mit diplomatischen Beziehungen zu Israel, könnte ihre Beziehungen zu dem jüdischen Staat abbrechen, warnte Erdogan.
Laut Medienberichten argumentierte Trump in seinen Telefonaten am Dienstag, eine Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt könnte den Friedensprozess beschleunigen, doch dies wurde in der Region zurückgeweisen. PLO-Sprecher Xavier Abu Eid sagte der „New York Times“, die Lage nach Trumps Ankündigung sei sehr ernst. „Es sieht sehr schlecht aus.“ Das amerikanische Außenministerium warnte US-Vertretungen in aller Welt vor der erhöhten Gefahr anti-amerikanischer Gewalt als Reaktion auf Trumps Rede an diesem Mittwoch.
Israels Regierung dürfte jubeln - zumindest heimlich
In Israel riefen die Nachrichten über Trumps Telefonate gemischte Reaktionen hervor. So dürften die Mitglieder der rechtsnationalen Regierung von Benjamin Netanjahu derzeit jubeln – zumindest heimlich: Denn das Weiße Haus wies laut Medienberichten die israelischen Minister am Dienstag an, nicht öffentlich über die derzeitige Botschaftskrise zu sprechen. Doch die Freude dürfte groß sein, dass Trump den im Wahlkampf angekündigten Umzug womöglich schon bald umsetzen wird. Viele im rechtsnationalen Lager kämpfen seit Langem darum, dass Jerusalem auch international als unteilbare Hauptstadt Israels anerkannt wird. In der Wahl von Donald Trump im vergangenen Jahr sahen sie eine historische Chance.
Wie die Regierung tickt, zeigt die Reaktion eines ranghohen israelischen Beamten auf die Drohung des türkischen Präsidenten Erdogans, bei einer Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt die diplomatischen Beziehungen zu Israel abzubrechen: "Jerusalem ist seit 3000 Jahren die jüdische Hauptstadt, und seit 70 Jahren die Hauptstadt Israels, ob Erdogan das anerkennt oder nicht", wird der Beamte in der Tageszeitung Haaretz zitiert.
Der Knessetabgeordnete Yehuda Glick von Netanjahus Likud-Partei, ein Nationalreligiöser, der sich dafür einsetzt, dass auch Juden auf dem Tempelberg beten dürfen, lobte Trump am Abend auf Twitter: Seine Entscheidung zeige, dass er ein echter Anführer sei. Er tue, was richtig ist, ohne den Drohungen der Terroristen nachzugeben. Der arabische Knessetabgeordnete Ayman Odeh hingegen nannte den US-Präsidenten einen "Brandstifter, der mit seiner Verrücktheit die ganze Region entzünden könnte“.
Doch auch auf jüdisch-israelischer Seite gibt es Kritiker: So haben Medienberichten zufolge bereits am Montag 25 ehemalige Botschafter, Akademiker und Friedensaktivisten in einem Brief ihre Ablehnung gegenüber Trumps potenzielle Anerkennung kundgetan.
Medienberichte: Verlegung der Botschaft im Frühsommer 2018?
Der US-Kongress hatte 1995 ein Gesetz beschlossen, das die Verlegung der Botschaft nach Jerusalem vorsieht. Seitdem haben alle US-Präsidenten aus Sorge vor politischen Turbulenzen alle sechs Monate ein Dekret unterzeichnet, das die Gültigkeit des Gesetzes aussetzt.
Am Dienstag blieb noch offen, wie sich der Botschaftsumzug mit den Bemühungen des Trump-Schwiegersohnes und Nahost-Beauftragen Jared Kushner um eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts verträgt. Kushner hatte erst vor wenigen Tagen betont, eine Lösung des Konflikts sei die Voraussetzung für eine Zusammenarbeit von Israel und den arabischen Staaten gegen den Iran. Diese Allianz ist eine Priorität für Trump. Zugleich betonte Kushner, die wichtigen Akteure im Nahen Osten vertrauten dem US-Präsidenten – was angesichts der einseitig getroffenen Entscheidung der Anerkennung Jerusalems recht fragwürdig erscheint.
Viel wird darauf ankommen, wie Trump seinen Jerusalem-Plan formuliert. So wird erwartet, dass er Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennt, aber den Botschaftsumzug nicht sofort anordnet. Laut Medienberichten könnte die Verlegung aber bereits im kommenden Frühsommer folgen.
Gabriel warnt vor "gefährlicher Entwicklung"
Vor der Meldung über Trumps Telefonat mit Abbas hatte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel eine einseitige Anerkennung der USA von Jerusalem als Hauptstadt Israels als „sehr gefährliche Entwicklung“ bezeichnet. „Eine ganze Reihe von Mitgliedstaaten haben ihrer Sorge Ausdruck verliehen, und das gilt auch für uns, dass die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels nicht einen Konflikt beruhigt, sondern eher ihn noch einmal anheizt“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag nach einem EU-Treffen mit US-Außenminister Rex Tillerson in Brüssel.
In der Europäischen Union seien viele „der strikten Überzeugung“, dass eine Zwei-Staaten-Lösung das Ziel bleiben müsse. „Also eines gesicherten Israels, aber eben auch eines unabhängigen lebensfähigen palästinensischen Staates“, sagte Gabriel. Frankreich protestierte ebenfalls. Selbst im amerikanischen Außenamt gebe es erhebliche Bedenken gegen Trumps Entscheidung, meldete die Nachrichtenagentur Reuters. US-Chefdiplomat Rex Tillerson, der laut Medienberichten kurz vor seiner Entlassung durch Trump steht, äußerte sich zunächst nicht. (mit dpa)