Machtkampf bei den US-Republikanern: Trump verlangt Gefolgschaft
Wer ist die Nr. Eins? Der designierte Präsidentschaftskandidat legt sich mit dem Vorsitzenden des Nominierungsparteitags Paul Ryan an. Eine Analyse.
Niccolo Machiavelli hätte seine helle Freude an Donald Trumps Zielstrebigkeit. Trump zeigt den nackten, unverstellten Drang zur Macht. Eine knappe Woche, nachdem er seine Rivalen um die Präsidentschaftskandidatur zur Aufgabe gezwungen hat, verlangt er nun Gefolgschaft in der Republikanischen Partei. Und da er ein Alphatier ist, hält er sich nicht lange mit den Schwächeren auf, sondern sucht die Entscheidung gegen das andere Alphatier im konservativen Lager: Paul Ryan. Der ist als "Speaker" des Repräsentantenhauses der ranghöchste Republikaner und präsumptive Vorsitzende des Nominierungsparteitags Mitte Juli in Cleveland, Ohio.
Trump droht Ryan mit Entmachtung
Nun droht Trump, damit, Ryan als Parteitagsvorsitzenden abzusetzen. Und er lässt Sarah Palin, die frühere Galionsfigur der "Tea Party" und loyale Mitkämpferin gegen das Parteiestablishment, eine weitere Drohung verbreiten: Ryan laufe Gefahr, seinen Kongresssitz zu verlieren, wenn er Trump nicht unterstütze. In der für sie typischen Populärsprache mit neu erfundenen Wörtern warnte Palin, Ryan könnte "gecantort" werden, sprich: Ihm könne es ergehen wie Eric Cantor. Cantor war ein Nachwuchsstar der Republikaner und sollte "Speaker" werden, verlor dann aber 2014 die Abstimmung über die Nominierung zur Wiederwahl als Abgeordneter in seinem Wahlkreis in Virginia, weil "Tea Party"-Kreise ihn blockierten.
Zuvor hatte Paul Ryan in Interviews gezögert, schon jetzt ein "Endorsement", eine offizielle Unterstützungserklärung, für Trump als Präsidentschaftskandidaten abzugeben. "Ich bin noch nicht so weit", sagte Ryan. Im Gegenzug drohte Trump mit "Konsequenzen", falls Ryan ihm noch lange die offizielle Unterstützung verweigere.
Der Machtkampf um die führende Rolle in der GOP spielte sich über das Wochenende in zahlreichen Talkshows und Interviews ab. Dabei mischen sich persönliche Motive mit sachlichen Auseinandersetzungen, die sich aus den unterschiedlichen Rollen von Ryan und Trump ergeben. Ryan hat die Aufgabe, ein langfristiges Parteiprogramm zu erstellen. Trump möchte kurzfristig möglichst breite Unterstützung in der gesamten Wählerschaft organisieren. Er wird wohl der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, nimmt aber kaum Rücksicht auf die prinzipiellen politischen Positionen der Partei.
Streit um Grundpositionen der Partei
Die inhaltlichen Konflikte reichen von der Sozialpolitik über das Abtreibungsrecht bis zur Weltmachtrolle der USA. Republikaner setzen traditionell auf Eigenverantwortung und möglichst wenig staatliche Umverteilung. Trump vertritt bei Rentenhöhe und Mindestlohn abweichende Positionen und möchte die Sozialausgaben jedenfalls nicht senken. Wie die meisten Populisten tritt er "national-sozial" auf, bedient die Sehnsucht nach nationaler Größe und zugleich die nach sozialer Absicherung.
Bei der Frage des Schwangerschaftsabbruchs war Trump früher für Abtreibungsfreiheit, neuerdings will er Frauen, die den Eingriff vornehmen, bestrafen. Die Republikanische Partei ist gegen Abtreibungsfreiheit, möchte aber nicht Frauen, sondern nur das medizinische Personal, das den Eingriff vornimmt, belangen. Republikaner möchten das Militär stärken und sind im Zweifel eher bereit zu Interventionen in der Welt. Trump äußert sich widersprüchlich zur Außenpolitik. Einerseits verspricht er "America first": Die USA müssten sich wieder stärker auf das Inland konzentrieren und nicht nicht so viel Geld für ihre Weltmachtrolle ausgeben. Andererseits will er den Verteidigungsetat erhöhen und möchte bewirken, dass potenzielle Gegner die USA wieder fürchten lernen.
Ex-Präsidenten auf Distanz zu Trump
Seit Trump der einzige verbliebene Präsidentschaftskandidat ist, hat sich das Pro und Contra um ihn nicht beruhigt. Der Kampf in der Partei, ob man ihn unterstützen solle, wird weiter erbittert ausgetragen. Der eine Flügel argumentiert, man müsse sich geschlossen hinter den Kandidaten stellen, um in der Hauptwahl eine Chance gegen die Demokraten zu haben. Der andere Flügel hält dagegen, Trump sei ein so schlechter Kandidat, dass die Partei besser Distanz zu ihm halte, damit der Schaden für die anderen Wahlvorgänge möglichst gering ausfalle.
Am 8. November stehen neben dem Präsidenten auch die Abgeordneten, ein Drittel der Senatoren sowie zahlreiche Gouverneure und weitere Ämter zur Wahl. Die Dynamik, welche Seite die Oberhand behält, und die Kräfteverhältnisse sind aber nicht eindeutig. Die beiden noch lebenden republikanischen Ex-Präsidenten, George H. W. Bush und George W. Bush, wollen nicht zum Parteitag kommen - und ebenso wenig die beiden letzten Präsidentschaftskandidaten der Partei, John McCain und Mitt Romney. Sie alle begründen das mehr oder weniger verhüllt damit, dass sie Trump als Kandidaten ablehnen.
Zwei Führungspersönlichkeiten in der republikanischen Mehrheitsfraktion haben sich dagegen auf Trumps Seite gestellt. Lynn Westmoreland aus Georgia and Dennis Ross aus Florida, die als "Whips" die Mehrheitsbeschaffer der Partei sind und quasi die Zuarbeiter von "Speaker" Paul Ryan, erklärten öffentlich, es sei für sie unverständlich, dass Ryan seine Unterstützung für Trump zurück halte.
Loyalitätskonflikt mit fünf Verhaltensmustern
In diesem Loyalitätskonflikt haben sich fünf Verhaltensmuster herausgeschält. Harte Trump-Gegner wie Lindsey Graham, Senator aus South Carolina, sagen, Trump sei ein Schaden für die Partei, man solle ihn nicht unterstützen. Sein Senatskollege aus Alabama Jeff Sessions, gehört hingegen zu den frühen Trump-Unterstützern, unter anderem weil er dessen unnachgiebige Haltung gegenüber illegalen Einwanderern teilt.
Einige vertreten wie Paul Ryan ein taktisches "Noch nicht" aus inhaltlichen Gründen: Sie wollen Trump auf diese Weise dazu drängen, sich zum Programm der Partei zu bekennen und es zu vertreten; er soll sich ihre Unterstützung durch Programmtreue verdienen. Andere verfolgen die "Noch nicht"-Strategie mit Blick auf ihre persönlichen Wahlchancen, zum Beispiel Kelly Ayotte: Sie ist republikanische Senatorin von New Hampshire, einem "Swing State", und riskiert, die Wahl zu verlieren, wenn sie sich zu eindeutig positioniert. Also sagt sie, man solle generell den offiziell nominierten Kandidaten der Partei unterstützen, aber zum jetzigen Zeitpunkt wolle sie noch kein "Endorsement" abgeben. Schließlich gibt es noch jene, die aus Überzeugung oder qua Amt die Geschlossenheit der Partei über andere Erwägungen stellen, darunter Mitch McConnell, der Mehrheitsführer im Senat.
Wahlmänner-Karte begünstigt Clinton
Im Schnitt der heutigen Umfragen würde Hillary Clinton Donald Trump klar besiegen: 47,3 zu 40,8 Prozent. Entscheidender als landesweite Umfragen ist aber die Prognose, wie sich die Wahlmännerstimmen im US-Wahlsystem wohl im November verteilen werden. Die Simulation der "New York Times" auf Grundlage der heutigen Stimmungslage ergab einen hohen Sieg Clintons. Es kursieren allerdings auch Beschreibungen, wie Trump doch noch ein Sieg gelingen könne.
Am morgigen Dienstag sind die nächsten Vorwahlen: für die Republikaner in West Virginia und Nebraska, für die Demokraten nur in West Virginia. Hillary Clinton droht dort eine weitere Niederlage gegen Bernie Sanders. Ihr Vorsprung in der Delegiertenzählung wird dadurch aber nicht gefährdet.