FBI-Ermittlungen: Trump könnte es so ergehen wie Bill Clinton
Nach dem Auftritt von James Comey scheint die Einsetzung eines Sonderermittlers möglich. Doch der US-Präsident mobilisiert das konservative Amerika. Die FBI-Untersuchung wird zur Glaubensfrage. Eine Analyse.
Den Auftritt des FBI-Chefs James Comey vor dem Geheimdienstausschuss des US-Repräsentantenhauses darf man historisch nennen. Äußerst selten informieren die US-Geheimdienste und Strafverfolger die Öffentlichkeit über interne Ermittlungen, geschweige denn deren Stand. Dies sei jedoch einer der seltenen Fälle, wo das öffentliche Interesse überwiege.
Für das liberale Amerika ist Trump in schwerer Bedrängnis
Nach den fünfeinhalb Stunden, die die Parlamentarier den FBI-Chef einvernahmen, scheint klar, dass Präsident Donald Trump in schwerer Bedrängnis ist. Für das FBI gilt es als offensichtlich, dass Russland sich gezielt in den US-Wahlkampf 2016 eingemischt hat. Diese Ermittlungen erstrecken sich auch auf die Kontakte, die Mitarbeiter der Trump-Kampagne - wissentlich oder unwissentlich - zu Russen hatten, die Wladimir Putins Machtapparat zuzuordnen sind.
Der Vorwurf, den umgekehrt Trump erhob, sein Vorgänger Barack Obama habe ihn in den letzten Wahlkampfmonaten abhören lassen, wirkt nach Comeys Auftritt wie eine Erfindung, um von der Russland-Untersuchung abzulenken. Comey sagte, er habe keinen Beleg gefunden, der diesen Verdacht bestätige.
In der Summe können die Ermittlungen zu Moskau-Kontakten die Trump-Präsidentschaft lähmen, insbesondere falls der öffentliche Druck, der sich aufbaut, zur Einsetzung eines "Special Prosecutor", eines Sonderermittlers mit weit reichenden Vollmachten, führt.
Was das für die Regierungsarbeit bedeuten kann, hat Kenneth Stars Untersuchung Bill Clintons gezeigt. Sie führte im Laufe der Jahre zur Aufdeckung der Affäre mit Monica Lewinsky - und hatte keineswegs damit begonnen. Soll heißen: Bei einer solchen Untersuchung ist nicht allein der offizielle Gegenstand potenziell bedrohlich für den Präsidenten. Sondern sie bringt Allerlei ans Licht, was vorher gar nicht bekannt war, aber die Präsidentschaft gefährden kann.
Wer ideologisch nicht mit Scheuklappen durchs Leben geht, muss über Trumps Lügen entsetzt sein. Noch schlimmer aber ist, dass dieser Mann das amerikanische Ansehen in der Welt ruiniert.
schreibt NutzerIn civis42
Das konservative Amerika sieht eine Verschwörung des Establishments
Das ist freilich nur die Sicht der einen Hälfte Amerikas. Trumps Weißes Haus arbeitet energisch daran, dass seine Anhängerschaft das ganz anders sieht. Und die steht für annähernd die Hälfte der US-Wähler und repräsentiert die Mehrheit in zwei Dritteln der US-Bundesstaaten. Trumps Darstellung stellt nahezu alles, was das progressive Amerika über die Lage sagt, auf den Kopf. In dieser Version ist der eigentliche Skandal, dass die Dienste die Abhörvorwürfe gegen Obama nicht verfolgen und dass so viele offiziell geheime Informationen über die Ermittlungsverfahren an die Medien "geleakt" werden. Die Russland-Ermittlungen seien ein Ablenkungsmanöver.
Hier zeige sich, wie hart "das Establishment" zurückschlage, wenn ein Anti-Establishment-Präsident wie Donald Trump zu mächtig werde. Trump ist in dieser Darstellung der wahre Held. Wenn die Dienste ihn angeblich der Lüge überführen, sei das nur ein weiterer mieser Trick der heimlichen Herrschaftsschicht der USA.
Anders gesagt: Es wird zur Glaubensfrage, wer hier Recht hat. Und welche Seite für "Fake News" steht. Fakten und Beweise, dafür sorgt Trump, sollen keine Rolle spielen. Sie seien im Zweifel fabriziert, weshalb er sie auch nicht widerlegen müsse.
Während Comey aussagt, beginnt der Kampf um die Interpretation
Trump hat seine Bataillone, die entweder aus Überzeugung oder wegen ihrer Machtinteressen seine Version unterstützen. Während der Comey-Anhörung versuchten beide Lager seine Aussagen im jeweiligen Sinn zu interpretieren sowie über E-Mail, Twitter und soziale Medien zu verbreiten. Zum Beispiel hatte Comey erläutert, dass er bisher keine Beweise dafür habe, dass die russischen Manipulationsversuche den Wahlausgang entschieden haben.
Präsident Trump twitterte daraufhin: "Die NSA und das FBI teilen dem Kongress mit, dass Russland die Wahl nicht beeinflusst hat." Diesen Tweet las der Demokrat Jim Himes kurz darauf in der Anhörung Comey vor. Und der stellte klar, er habe überhaupt nicht das gesagt, was Trump daraus mache. Er habe erläutert, dass dies eine "Counterintelligence Operation" sei, die erfahrungsgemäß lange dauere, da man nicht so einfach Belege für Geheimdienstoperationen der Gegenseite sammeln könne.
Wie viele Republikaner halten zu Trump?
Wahrscheinlich werden die Demokraten die meisten Trump-Anhänger niemals davon überzeugen, dass Trump hier der Schwindler ist. Und umgekehrt werden die Anhänger des Präsidenten die Demokraten nicht davon überzeugen, dass der Vorgang belege, wie gefährdet die US-Demokratie sei, weil dunkle Geheimdienstkreise sich mit "dem Establishment" verbünden, um einen unbequemen Anti-Establishment-Präsidenten zu stürzen.
Das wahre Ziel dieses öffentlichen Kampfes sind die republikanischen Abgeordneten. Werden sie, schon wegen ihres Machtinteresses, weitgehend geschlossen den Präsidenten unterstützen? Oder wird das angesichts der offenkundigen Widersprüche, in die Trump sich verwickelt, so schwierig, dass eine ausreichende Anzahl der Republikaner von Trump abrückt?
So weit ist es gekommen: Für wachsende Teile der Gesellschaft sind Fakten nicht mehr Fakten. Und nachgewiesene Lügen nicht gleich Lügen. Zu vieles wird zu einer Glaubensfrage. Das unterminiert den gesellschaftlichen Dialog in der Demokratie.
Christoph von Marschall