General Naumann: „Trump ist eine Gefahr für die Nato“
US-Präsident Donald Trump geht mit Vorwürfen und Forderungen in den Nato-Gipfel. General Klaus Naumann über den globalen Kampf um Werte, die Allianz und das Geld.
Herr General Naumann, wer ist gefährlicher für die Nato: Trump oder Putin ?
Der US-Präsident.
Warum?
Wir hängen von den USA ab, um dieses Bündnis zusammenzuhalten. Und wir, die einseitig auf Atomwaffen verzichtet haben, hängen von der nuklearen Schutzgarantie der USA ab. Zumal in einer Welt, in der im nuklearen Bereich weiter aufgerüstet wird, vor allem in Russland.
Was genau macht Trump gefährlich?
Trump scheint ein Mann zu sein, der weder multilaterale Vereinbarungen noch eine regelbasierte Weltordnung zu schätzen weiß, sondern immer den Vorteil für sich sucht. Er wird in diesen Nato-Gipfel in Brüssel gehen und Forderungen stellen. Und ich nehme an, er wird verkennen, dass er schon jetzt sagen könnte, Ich hatte Erfolg, ich habe geschafft, was kein Präsident vor mir schaffte: Das Glas ist halb voll, denn die Europäer bemühen sich ja bereits mehr zu tun. So wie ich ihn aus der Entfernung einschätze, wird er aber sagen, das Glas ist halb leer, denn viele, allen voran die Deutschen geben weniger als zwei Prozent für Verteidigung aus.
Sein Sicherheitsberater Bolton sagt, alles was Trump interessiere, sei Cash, Cash, Cash. Warum mag er nicht anerkennen, dass Deutschland zum Beispiel als zweitgrößter Truppensteller für Nato-Operationen einen Beitrag anderer Art leistet?
Das wird anerkannt – nicht von Trump, aber von seinem Verteidigungsminister Mattis. Der rückt die drei C's in den Mittelpunkt seiner Bewertung: Cash, also Verteidigungsausgaben, Capabilities, also Fähigkeiten, und Commitment, also die Beteiligung an Operationen. Und da steht Deutschland ganz gut da. Der Präsident allerdings ist fixiert auf die zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts und er will sie am liebsten sofort.
Ist die Nato überhaupt noch eine Werte- und Interessengemeinschaft?
Ich denke, die Interessen sind schon noch gemeinsame, aber die Werte sind nicht mehr Allgemeingut. Einige scheren aus. Wir brauchen nur nach Osten zu gucken, auf unseren unmittelbaren Nachbarn. Aber die, die da ausscheren, verkennen, dass wir gerade erneut in einer großen globalen Auseinandersetzung um das geeignete Werte- und Ordnungssystem für das Zusammenleben von Menschen stehen; und sie unterschätzen dabei, dass unsere Lebensordnung, die wir, zugegeben: nach unendlich vielen und sehr blutigen Irrtümern gefunden haben, die beste Ordnung ist, die Menschen je fürs Zusammenleben gefunden haben.
Was könnte Merkel Trump anbieten?
Wenn ich wüsste, wie man mit diesem Mann reden kann, und wenn ich wüsste, ob die Kanzlerin bereit ist, mit ihm Klartext zu reden, dann wäre mein Rat, ihm zu sagen: Wenn du überlegst Europa aufzugeben, schadest du dir selbst. Du verlierst eine Lebensverssicherung deiner Weltmachtrolle. Denn Amerika ist und bleibt eine globale maritime Macht, und eine maritime Macht kann nur überleben, wenn sie beide Gegenküsten kontrolliert. Europa ist eine der Gegenküsten.
Wie groß ist die Gefahr dass Trump aufsteht, den Nato-Gipfel verlässt und alles weitere mit Putin bespricht?
Ich glaube, das wird nicht passieren. Trump ja ein Mann, der Erfolge will. Wenn er 28 Nationen im Regen stehen lässt, findet er auch unter seinen eigenen Leuten keine Zustimmung. Man darf nie vergessen, viele Amerikaner begreifen sehr wohl, dass es hier auch um den Schutz gewaltiger US-Investitionen in Europa geht – und um die Bereitschaft der Europäer, in den USA zu investieren. Davon hängen viele Jobs ab, auch die vieler Trump-Wähler.
Wenn die zwei Prozent erreicht werden, reden wir von gewaltigen Summen…
… mehr als 60 Milliarden allein in Deutschland …
… braucht man das von der Sache her? Die Nato gibt doch schon jetzt 14 Mal so viel Geld aus wie Russland.
Der Vergleich hinkt, denn die Haushaltsstrukturen sind nicht identisch und Personal wie Material sind in Russland weniger teuer. Es geht nicht darum, eine neue Rüstungsspirale in Gang zu setzen. Aber es ist doch für jeden nachvollziehbar, dass die deutschen Streitkräfte seit Beginn dieses Jahrtausends unterfinanziert sind. Und das deutsche Parlament war zwar immer relativ großzügig bei der Zustimmung zu Auslandseinsätzen, aber dass dahinter eine Verantwortung steht, für die angemessene und bestmögliche Ausstattung der Streitkräfte zu sorgen, das blieb vielfach eine zwar hehre, aber hohle Phrase.
Was halten Sie von Sigmar Gabriels Vorschlag, Deutschland solle 1,5 Prozent in seine eigene Verteidigungsfähigkeit investiert und 0,5 Prozent in die Europas?
In einem gesamteuropäischen Ansatz würde ich das für denkbar halten. Dann könnte man unterfüttern, was Frankreichs Präsident Macron vorgeschlagen hat. Es ist ja in Deutschland nicht nur sechs Monate lang mit Schweigen auf ihn geantwortet worden, sondern man hat auch geflissentlich überhört, dass er an die Spitze seiner Sorbonne-Rede stellte, dass Sicherheit und Schutz die oberste Verantwortung des Staates und auch Europas seien. Ich bezweifle nur, dass wir in Deutschland bereit sind, den dafür nötigen teilweisen Verzicht auf Souveränität zu leisten und sie einer europäischen Behörde zu übertragen.
Klaus Dieter Naumann ist General a. D. der Bundeswehr. Er war von 1991 bis 1996 Generalinspekteur der Bundeswehr und hatte von 1996 bis zu seiner Pensionierung 1999 den Vorsitz des Nato-Militärausschusses.
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