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TOPSHOT - US President Donald Trump arrives to deliver the State of the Union address at the US Capitol in Washington, DC, on February 5, 2019. (Photo by Doug Mills / POOL / AFP)
© AFP

Rede zur Lage der Nation: Trump gibt den Versöhner – und scheitert

Der US-Präsident will bei seiner State of the Union gemeinsame Interessen in den Vordergrund stellen. Das gelingt nicht wirklich. Eine Analyse.

Gut 35 Minuten sind rum, da sagt Donald Trump: "Keiner hat mehr von dem Wirtschaftsaufschwung profitiert als Frauen, die 58 Prozent der Stellen füllen, die im vergangenen Jahr geschaffen wurden. Alle Amerikaner können darauf stolz sein, dass mehr Frauen Arbeit haben als jemals zuvor." Ein genialer Schachzug angesichts eines amerikanischen Kongresses, der so weiblich ist wie niemals zuvor.

Doch die Frauen auf der rechten Seite des Saales kontern auf ihre Art. Spontan springen sie auf, wie es die andere Hälfte des an diesem Dienstagabend komplett gefüllten Repräsentantenhaus schon so oft gemacht hat. Sie zeigen auf sich, drehen sich zueinander und bilden eine Einheit. Fast scheinen sie von sich selbst überrascht, beginnen zu lachen, fahren dann aber gestärkt fort.

Die frisch für Texas gewählte Abgeordnete Veronica Escobar ruft: "Wir haben keine Angst!" Gut zugehört haben sie dem US-Präsidenten und der Reaktion seiner Anhänger bei der Rede zur Lage der Nation - und der Punkt geht dann endgültig an sie, als auch aus ihrer Mitte der Ruf "USA, USA, USA" laut wird - eine eher ungewöhnliche Parole für diese Gruppe, in die am Ende alle, aber auch wirklich alle im Saal einstimmen.

Die Einheit, die Trump beschwören wollte, sie wird auf einmal sicht- und hörbar. Aber an einer ganz anderen Stelle, als man hätte vermuten können.

Trumps Plan: Gemeinsamkeiten herauszustellen

Vorab schon ist bekannt geworden, dass der Präsident trotz aller Härte der politischen Auseinandersetzung, trotz des immer noch schwelenden Haushaltsstreits die Gemeinsamkeiten der politischen Lager herausstellen will. So spricht er für seine Verhältnisse ungemein gemäßigt, zum Beispiel lobt er die Gefängnisreform, die gemeinsam beschlossen wurde, erwähnt die Maßnahmen gegen die verheerende Opiumkrise und die Verbesserungen für Veteranen, auf die sich die Parteien geeinigt haben. "Jetzt ist die Zeit für überparteiliche Maßnahmen", sagt Trump. "Gemeinsam können wir Jahrzehnte politischen Stillstands beenden." Sein Programm sei weder eines der Republikaner noch eines der Demokraten. "Es ist das Programm des amerikanischen Volkes."

Aber diese Forderung nach Einigkeit weitet er ungebührlich aus - auf Vorgänge, die ihn betreffen. So nennt er Untersuchungen wie die des FBI-Sonderermittlers Robert Mueller und andere Ermittlungen gegen sich und sein Umfeld, die die Demokraten mit ihrer neuen Mehrheit im Repräsentantenhaus vorantreiben wollen, "lächerlich und parteipolitisch motiviert".

Und er behauptet, Kriege und Ermittlungen gingen nicht zusammen. "Wir müssen zuhause zusammenstehen, um unsere Feinde im Ausland zu besiegen." Nicht überraschend rührt sich da auf Seiten der Demokraten keine Hand, während die Republikaner zustimmend jubeln.

Die republikanische Fraktion ist deutlich kleiner geworden

Der Kongress hat sich aber an diesem Abend schon vor der mit großer Spannung erwarteten Rede ganz offensichtlich gespalten gezeigt. Gespalten in die sehr alte, sehr männliche und sehr diszipliniert dasitzende Fraktion der republikanischen Abgeordneten - von Trumps Podest aus gesehen auf der linken Seite: viel Schwarz und Grau, nur ab und zu unterbrochen von einem roten Kostüm oder einem türkisfarbenen Blazer. Eine nach den Zwischenwahlen im November deutlich geschrumpfte Fraktion.

Auf der anderen Seite die quirlige, lachende, fast zur Hälfte weiß gekleidete Fraktion der Demokraten, deutlich weiblicher, deutlich diverser, deutlich jünger. Hier wird umarmt, geherzt und ein Selfie nach dem anderen gemacht, ist es doch für viele das erste Mal.

Das erste Mal, dass sie selbst dabei sind, wenn der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika die traditionelle Rede zur Lage der Nation hält. Die "State of the Union", kurz STOTU, wird zu Recht als politischer Superbowl bezeichnet: Neben beiden Kammern des Kongresses ist immer auch das Kabinett anwesend, die obersten Richter, die militärischen Spitzen des Landes. Es ist ein Staatsakt, alle großen TV-Sender übertragen live, Dutzende Millionen Amerikaner schauen zu.

Er hält die Rede mit einer Woche Verspätung

Traditionell fällt die Rede in die letzte Januarwoche, aber wegen des Haushaltsstreits konnte Trump erst eine Woche später sprechen. Den Grund für den anhaltenden Streit beschreibt der Präsident in seiner mehr als einstündigen Ansprache ausführlich. Er fordert erneut eine Grenzmauer zu Mexiko, da sich die illegale Einwanderung inzwischen zu einer Staatskrise entwickelt habe.

Die Demokraten, auf deren Unterstützung Trump angewiesen ist, wehren sich entschieden dagegen, die von ihm geforderten 5,7 Milliarden Dollar für den Mauerbau freizugeben, was zum längsten teilweisen Regierungsstillstand in der amerikanischen Geschichte führte. Nun müssen Republikaner und Demokraten sich bis zum 15. Februar einigen, denn nur bis dahin gilt der Zwischenhaushalt, mit dem die Arbeit vieler Regierungsbehörden finanziert wird.

"Mauern funktionieren, und Mauern retten Leben. Also lasst uns zusammenarbeiten, Kompromisse machen und eine Einigung finden, die Amerika wirklich sicher macht", ruft Trump. Er warnt vor "großen, organisierten Karawanen", die von Zentralamerika aus auf dem Weg in die USA seien, und plädiert für ein neues Einwanderungssystem, das sicher und modern sei.

Der Präsident erklärt noch keinen nationalen Notstand

Anders als von manchen Beobachtern erwartet wurde, erklärt er aber (noch) keinen nationalen Notstand, mit dem er die Finanzierung durch den Kongress theoretisch umgehen könnte. Gleichzeitig zeigt er sich überzeugt: "Ich bekomme sie gebaut."

Bei sorgsam ausgesuchten Parolen wie diesen springen die Republikaner eins um andere Mal von ihren Sitzen auf, applaudieren und jubeln ihrem Präsidenten zu. In diesen Momenten ähneln die ehrwürdigen Räume einem Sportstadion.

Die Themen, denen auch die Demokraten zustimmen müssen, bei denen sie pflichtbewusst aufstehen und klatschen, kommen deutlich seltener zur Sprache. Aber natürlich huldigen die Demokraten beispielsweise den drei D-Day-Veteranen, die Trump zusammen mit einer Reihe weiterer Gäste zu seiner Rede geladen hat. Da applaudieren auch die aus Anlass von 100 Jahren Frauenwahlrecht in den USA weiß gekleideten weiblichen Abgeordneten energisch. Und Buzz Aldrin, der vor 50 Jahren mit anderen Astronauten die US-Flagge auf dem Mond pflanzte, bekommt sogar fast noch mehr Applaus.

Der nächste Nordkoreagipfel

Zustimmung gibt es auch, als Trump auf den Handelsstreit mit China eingeht. Der Volksrepublik wirft er erneut den Diebstahl geistigen Eigentums vor. Ein Abkommen müsse unfaire Praktiken sowie das chronische Handelsdefizit der USA beenden und amerikanische Arbeitsplätze schützen. Der US-Präsident spricht zudem diverse außenpolitische Themen wie Afghanistan und Syrien an, die allerdings auch in den eigenen Reihen umstritten sind. Ein zweites Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un, das bestätigt Trump, soll am 27. und 28. Februar in Vietnam stattfinden.

Ein anderes Motiv, das Trump länglich bedient, ist die wirtschaftliche Lage des Landes, da spricht er von einem "nie dagewesenen Wirtschaftsaufschwung", auch dank "seiner" Steuerreform. Die Arbeitslosigkeit sei so niedrig wie seit einem Jahrhundert nicht mehr - und er bringt sein Lager einmal mehr zum Toben, als er ruft: "Und wir fangen gerade erst an!"

Dass eine gute wirtschaftliche Entwicklung die Wiederwahlchancen deutlich erhöht, ist inzwischen eine Binsenweisheit. Das Eigenlob kommt zumindest bei seinen Leuten gut an: Als er erklärt: "Amerika gewinnt wieder jeden einzelnen Tag", da sind die Rufe "USA, USA, USA" zum allerersten Mal an diesem Abend zu hören.

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