US-Luftangriff auf Syrien: Trump befriedigt vor allem die Empörung
Der US-Präsident bestraft das Assad-Regime für den Giftgaseinsatz in Syrien. Er wirkt entschlossener als Obama, aber hat er die Folgen bedacht? Ein Kommentar.
Das erste Gefühl ist Erleichterung. Endlich! Der Giftgasangriff, den aller Wahrscheinlichkeit nach das syrische Regime zu verantworten hat, bleibt nicht ungestraft. Die USA haben jetzt einen Präsidenten Donald Trump. Der handelt, statt zu zögern wie Vorgänger Barack Obama. Mit rund 60 Lenkwaffen haben die USA den syrischen Luftwaffenstützpunkt Schayrat in den frühen Morgenstunden des Freitag angegriffen.
Über kurz oder lang folgen jedoch zweifelnde Fragen. Was genau hat Trump mit dem Luftangriff erreicht - außer die Empörung über den wiederholten Tabubruch des Assad-Regimes zu befriedigen. Und was sind die Folgen? Wächst nun die Gefahr einer direkten militärischen Auseinandersetzung mit Russland, das Assad militärisch unterstützt?
Die Empörung werden die meisten Menschen teilen, erst recht, wenn sie Bilder von den Kindern und Erwachsenen gesehen haben, die unter den Folgen des Chemiewaffeneinsatzes leiden. Aber es war doch kein Mangel an Gefühl gewesen, der Obama von solchen Reaktionen abgehalten hatte. Sondern sorgfältiges Abwägen zwischen Nutzen und Risiken. Auch nach dem Giftgasangriff hatte Trump sich zunächst an Obamas Kurs gehalten, sich nicht in einen weiteren Konflikt in einem islamischen Land hineinziehen zu lassen. Sogar in der Wortwahl ahmte er Obama nach.
Russland war vorab gewarnt - also auch Syrien
Zunächst könnte sich herausstellen, dass die Luftangriffe keine große Wirkung gehabt haben. Da die US-Regierung weiß, dass Russland den syrischen Luftraum kontrolliert, hat sie Moskau vorab informiert - um Missverständnisse zu vermeiden, aber auch, um den Russen Zeit zu geben, ihr Personal und ihre Flugzeuge vor dem Angriff von der Militärbasis zu holen. Es ist hochwahrscheinlich, dass die Russen die Vorwarnung an die Syrer weitergegeben haben. Die sind schließlich ihre Verbündeten. Dann aber konnten auch die Syrer Schadensminimierung betreiben.
Und dann folgen die Fragen, wie es nun weiter geht. War das eine einmalige Symbolaktion? Oder hat sich Trumps Kalkül in Syrien grundsätzlich verändert? Ist es jetzt sein Ziel, Assad zu stürzen? Und falls ja, welche Mittel will er dafür einsetzen und was kommt danach?
Riskiert Trump die Konfrontation mit Russlands Militär?
Wenn Trump es ernst meint, folgt irgendwann die direkte Konfrontation mit Wladimir Putin und seinem Militär in Syrien. Dazu gehört auch die russische Luftabwehr dort. Putin wird seinen Schützling Assad nicht freiwillig fallen lassen. Und was wäre die Alternative, wenn Assad stürzt?
Eine moderate Opposition, die die Regierung übernehmen könnte, gibt es nicht mehr. Das Wenige, was einmal da war, hat Russland zerbombt - mit dem zynischen Kalkül: Wenn nur der IS und Assad als Alternativen bleiben, wird Assad auch für den Westen das kleinere Übel sein. Putin behauptete zwar, gemeinsam mit dem Westen den IS zu bekämpfen. Tatsächlich richtete sich der Großteil der russischen Luftangriffe gegen andere Widerstandsgruppen gegen Assad.
Syrien kann zum Terroristencamp werden, wenn Assad stürzt
Die USA können gewiss verhindern, dass Assad die Kontrolle über ganz Syrien erlangt. Aber wer wird das Vakuum füllen in den Gebieten, wo er keine Kontrolle hat? Dort können Terrorausbildungslager entstehen und Rückzugsinseln für den IS.
Die erste Reaktion auf Trumps Luftangriffe ist Erleichterung. Zu Recht. Ob Trump auch die Folgen seines entschlossenen Handelns zu Ende gedacht hat, muss sich erst noch herausstellen.
Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.