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In den USA gibt es weiter Proteste gegen Trump – hier am Donnerstag in Chicago.
© Joshua Lott/AFP

Einreisestopp für Muslime: Trump baut an der Festung Amerika

Direkt nachdem der US-Präsident einen Einreisestopp für Menschen aus sieben muslimischen Ländern verhängt hat, werden an Flughäfen bereits Reisende abgewiesen – und erste Klagen angestrengt.

Ein Iraker wird in Katar aus dem Flugzeug geholt, mit dem er seinen Sohn in Los Angeles besuchen wollte. Ein iranischer Filmregisseur muss seinen Traum von der Teilnahme an den Oscar-Verleihungen begraben, weil er nicht in die USA einreisen darf. Flugzeugpassagiere mit gültigen Papieren werden nach der Landung in Amerika in Gewahrsam genommen.

Mit seinem Einreisestopp für Muslime aus sieben Ländern hat Donald Trump auf der ganzen Welt Sorgen und Kritik ausgelöst – und dem Ruf Amerikas als Rechtsstaat einen schweren Schlag versetzt. Muslim-Gruppen und Bürgerrechtsverbände in den USA gehen gerichtlich gegen die Anordnung vor.

Trumps Präsidialdekret vom Freitag stoppt den Zuzug von Flüchtlingen aus aller Welt in die USA für vier Monate. Flüchtlinge aus Syrien sollen überhaupt nicht mehr einreisen dürfen. Die Einreise von Menschen aus Irak, Iran, Libyen, Somalia, Sudan und Jemen wird für drei Monate gestoppt – auch wenn es sich nicht um Flüchtlinge handelt. Statt dem bisher vorgesehenen Kontingent von 110.000 Flüchtlingen wollen die USA unter Trump in diesem Jahr nur 50.000 Schutzsuchende aufnehmen. Ausdrücklich betonte der Präsident, dass dabei Christen bevorzugt werden – der Bann richtet sich also gegen Muslime.

Trumps Politik richtet sich gegen alle Muslime

Amerika wolle keine islamistischen Terroristen, sagte Trump. Damit setzt der Präsident seine islamophobe Rhetorik aus dem Wahlkampf in praktische Politik um. Vor der Wahl am 8. November hatte er Muslime pauschal als potenzielles Sicherheitsrisiko bezeichnet und den Einreisestopp angekündigt. Anhänger Trumps jubilierten: „Der Präsident schützt die Nation“, lautete eine Schlagzeile des rechtspopulistischen Nachrichtenportals Breitbart am Samstag.

Das von Trump und seinen Unterstützern verbreitete Bild, dass die USA von militanten Islamisten überrannt würden, hat mit der Wirklichkeit wenig zu tun. Im Vergleich zu den Flüchtlingszahlen in Deutschland und Europa ist die Zahl der vom klassischen Einwanderungsland Amerika aufgenommenen Menschen sehr niedrig: Zwischen September 2015 und September 2016 akzeptierten die USA rund 85.000 Flüchtlinge; seit Oktober 2016 waren es 32.000.

Auch Visa, Einladungen und die Arbeit fürs US-Militär helfen nicht

Trumps Dekret betrifft auch Menschen mit gültigen Papieren wie Visa oder Aufenthaltsgenehmigungen. Die Folgen wurden sofort deutlich: Der in Los Angeles lebende Iraker Mohammed al Rawi berichtete auf Facebook, sein Vater dürfe ihn nicht besuchen und sei in Katar von US-Vertretern in den Irak zurückgeschickt worden. Der iranische Filmemacher Ashgar Farhadi muss nach Angaben des iranisch-amerikanischen Verbandes NIAC seine Teilnahme an der Oscar-Feier im Februar absagen. „Chaos an den Flughäfen und in der Luft“, schrieb Abed Ayoub vom muslimisch-amerikanischen Verband ADC auf Twitter.

Mehrere Verbände der muslimischen Amerikaner, darunter der Dachverband CAIR, wollen gegen Trumps Dekret vor Gericht gehen: Ein Zusammenschluss von Bürgerrechtsverbänden wolle die Festnahme von zwei Irakern am Samstag nach ihrer Landung am New Yorker Kennedy-Flughafen anfechten, berichtet die „New York Times“. Beide Männer haben demnach gültige Einreisedokumente; einer von ihnen arbeitete zehn Jahre lang als Übersetzer für das amerikanische Militär und andere US-Vertretungen im Irak und erhielt die Zusage zur Aufnahme in die USA, weil sein Leben im Irak wegen seiner Tätigkeit für die Amerikaner in Gefahr war. Offenbar ließen die US-Behörden die Frau und die drei Kinder des Mannes einreisen, setzten ihn jedoch fest.

CAIR erklärte, mit der Verfassungsklage solle die „Segregation von Menschen aufgrund ihres Glaubens“ verhindert werden. Der Rechtsstreit wird möglicherweise bis zum amerikanischen Verfassungsgericht gehen.

Gegner werfen dem Präsidenten eine Verletzung des religiösen Diskriminierungsverbotes in der Verfassung vor. Andere Kritiker weisen darauf hin, dass Attentäter wie die vom 11. September 2001 von Trumps Dekret nicht aufgehalten würden – denn sie kamen aus Saudi-Arabien, Ägypten und anderen Ländern, die nicht auf der Liste der vom Zuzugsstopp betroffenen Nationen stehen.

Trumps Anordnung könnte die Unterstützung für radikale Islamisten in der muslimischen Welt wachsen lassen, weil die westliche Führungsmacht USA den Eindruck vermittelt, den Islam an sich anzugreifen.

Auch amerikanische Großunternehmen mit ihren multinationalen Belegschaften sind wegen der Auswirkungen des Einreisestopps besorgt. Google erklärte, Trumps Schritt könnte dazu führen, dass talentierte Mitarbeiter oder Unternehmer künftig nicht mehr in die USA einreisen dürften. Auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg kritisierte Trumps Dekret.

UN reagieren zurückhaltend, europäische Außenminister alarmiert

Die Vereinten Nationen reagierten zurückhaltend. „Religion, Nationalität oder Ethnie“ von Flüchtlingen dürften keine Rolle spielen, teilten das Flüchtlingshilfswerks UNHCR und die Internationale Organisation für Migration (IOM) mit. Zugleich forderten die beiden Organisationen die USA auf, eine globale Führungsrolle beim Schutz und der Aufnahme von Vertriebenen zu spielen. Eine direkte Kritik an Trump findet sich nicht. Die USA stellen einen Großteil der Finanzen für das UNHCR und die IOM.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn kritisierte den Einreisestopp scharf. „Die muslimische Welt wird damit vom amerikanischen Präsidenten in Gut und Böse eingeteilt“, sagte Asselborn dem Tagesspiegel am Sonntag. „Die Entscheidung ist auch schlecht für Europa, weil sie in der muslimischen Welt den Argwohn und den Hass gegenüber dem Westen noch verstärken wird.“

Präsident Trump will Städten, die Einwanderer vor der Abschiebung schützen, die Gelder sperren. Demonstranten nennen ihn "Verräter".
Präsident Trump will Städten, die Einwanderer vor der Abschiebung schützen, die Gelder sperren. Demonstranten nennen ihn "Verräter".
© Andres Kudacki/dpa

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte bei seinem Antrittsbesuch in Paris, der Westen werde sich immer messen lassen müssen an den Wertvorstellungen, die er entwickelt habe. „Dazu gehört auch Schutz für Verfolgte, dazu gehört Hilfe für Bedrohte und Bedrängte.“ Solche Werte wie Nächstenliebe müssten gegenüber den USA als gemeinsame Grundlage deutlich gemacht werden. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) forderte die EU-Partner zum Zusammenrücken auf. „Vielleicht begreifen 2017 nun endlich alle Staaten, dass wir zusammenstehen müssen. Überall – in der Verteidigungs-, in der Flüchtlings-, in der Wirtschaftspolitik“, sagte Kauder dem Tagesspiegel. (mit bib, ame, epd)

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