Bayernplan der CSU: Trotz Merkel: Seehofer verspricht Obergrenze
Mit einer Obergrenze für Flüchtlinge konnte die CSU bei der Kanzlerin nicht landen. Die Forderung findet sich nun in einem gesonderten Wahlprogramm der Christsozialen.
Das Konzept hat sich aus CSU-Sicht schon beim Urnengang vor vier Jahren bewährt: Was nicht im gemeinsamen Wahlprogramm der Union unterzukriegen ist, packt man einfach in einen separaten Forderungskatalog namens Bayernplan. Das Ganze fungiert dann als Beleg für die Eigenwilligkeit und Eigenständigkeit der Christsozialen. Es erweitert das politische Angebot, hält womöglich auch den ein oder anderen Merkel-Kritiker vom Überlaufen zu den Rechtspopulisten ab. Und mit dem Spott, den bayerischen Wählern eine Resterampe des bundespolitisch Nicht-Durchsetzbaren vorzusetzen, lässt sich leben.
Am Montag war es wieder so weit. Zwei Wochen nach der Einigung auf ein gemeinsames Unionsprogramm segnete der CSU-Vorstand in München seine ureigene Wunschliste ab. Einstimmig. Und das Timing für das ritualisierte Absetzmanöver erwies sich als optimal. Denn just am Abend vorher hatte die CDU-Vorsitzende dem Fernsehpublikum nochmal versichert, dass sich die bayerische Schwesterpartei drei beharrlich vorgebrachte Anliegen abschminken könne. Sie wolle weder eine Obergrenze für Flüchtlinge noch Volksentscheide auf Bundesebene oder höhere Mütterrenten.
Merkel: Ich werde eine Obergrenze nicht akzeptieren
„Zur Obergrenze ist meine Haltung klar: Ich werde sie nicht akzeptieren“, sagte Angela Merkel im ARD-Sommerinterview. Volksentscheide kämen im Bund ebenfalls „unter keinen Umständen“ infrage. Und bei der Forderung nach nochmaliger Aufstockung der Renten für Erziehungsleistungen verwies die Kanzlerin auf begrenzte Finanzmittel. Die CDU wolle vor allem in Familien investieren. Ansonsten habe man bei den Versprechungen „seriös und redlich“ zu bleiben.
Folgerichtig finden sich diese Forderungen nun im Bayernplan. „Die seit langem geforderte Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr für Deutschland ist notwendig, um eine gelingende Integration zu gewährleisten“, heißt es trotzig in dem 30-seitigen Druckwerk mit weiß-blauem Einband. „Unsere Aufnahmefähigkeit ist nicht grenzenlos.“ Nur mit einer Obergrenze werde Integration gelingen, sei eine verschärfte Sicherheitslage zu verhindern und lasse sich die Akzeptanz der Bürger erhalten.
Seehofer findet Festlegung weiterhin nötig
„Die Obergrenze ist und bleibt ein Ziel der CSU“, beharrte Parteichef Horst Seehofer am Montag. Zwar habe schon der Ruf der Christsozialen danach „zu einer grundlegenden Änderung der Politik in Berlin geführt“. Da aber „weiter mit Immigrationswellen zu rechnen“ sei, bleibe eine derartige Festlegung nötig. Bloß zur Bedingung für eine Regierungsbeteiligung mag sie Seehofer inzwischen nicht mehr erklären. „Jetzt wollen wir erstmal die Wahl gewinnen“, lautete seine ausweichende Antwort auf entsprechende Nachfragen.
„Wir geben den Menschen die Garantie, dass sich der Zustand vom Herbst 2015 nicht wiederholen wird“, heißt es umso entschiedener im Bayernplan. Garniert wird diese Passage mit dem Versprechen, eigene kulturellen Werte „offensiv“ zu verteidigen. „Es bleibt dabei“, formulieren die Christsozialen: „Christkindlmärkte sind keine Winterfeste, St. Martinsumzüge keine Lichterfeste. In öffentlichen Kantinen, Kindergärten und Schulen darf Schweinefleisch kein Tabu sein. Muslimische Mädchen sollen am Schwimmunterricht teilnehmen. In Deutschland gehört es sich, auch Frauen mit Handschlag zu begrüßen.“ Und ganz generell: Integration sei „zuallererst eine Bringschuld“. Wer hier leben wolle, müsse „Deutsch lernen und seinen Lebensunterhalt selbst verdienen“.
Sicherheit steht für CSU an erster Stelle
Vieles klingt markiger, deckt sich bei näherem Hinsehen inhaltlich dann aber doch mit dem Unionsprogramm. Die Steuerentlastung von 15 Milliarden findet sich wieder, die Kindergelderhöhung, die Förderung von Wohneigentum, das Vollbeschäftigungsversprechen bis 2025.
Doch es gibt Unterschiede in der Akzentuierung. 15.000 zusätzliche Polizeistellen haben CDU und CSU gemeinsam versprochen, bei den Christsozialen steht jetzt ein „mindestens“ davor. Im Ùnionsprogramm kommt das Thema Sicherheit erst ziemlich weit hinten, im Bayernplan ist es allem andern vorangestellt – versehen mit Attributen wie „klare Kante“, „kompromisslos“, „konsequent“. Und nach Hamburg musste bei der CSU auch noch der Hinweis rein, dass Linksextremismus „in Deutschland nichts zu suchen“ habe.
„Wir lassen uns nicht von linken Chaoten diktieren, wo sich die freie Welt trifft“, heißt es in einem vom G20-Gipfel inspirierten Absatz. Und dass man sich „gegen jede Form der Verharmlosung“ wende, wie sie bisher „von SPD, Grünen und Linkspartei betrieben“ worden sei. Die Gefahr durch Rechtsextremismus wird dagegen nicht gesondert erwähnt.
Mehr Mütterrente und Volksentscheide auch im Bund
Die Differenzen zur CDU finden sich eher versteckt. „Insbesondere bei nicht zu revidierenden Weichenstellungen und bei europäischen Fragen von besonderer Tragweite“ solle es auch bundesweite Volksabstimmungen im Bund geben, drängen die Bayern. „Wir wollen, dass das Grundgesetz durch das deutsche Volk auch auf dem Weg von Volksbegehren und Volksentscheid mit Zweidrittel-Mehrheit geändert werden kann.“ Nur der „Wesenskern“ von Verfassung, Grundrechten und föderaler Ordnung bleibe ausgenommen.
Und dann noch das Projekt Mütterrente. Wer auf Erwerbsarbeit verzichtet und Kinder großgezogen habe, dürfe „nicht das Nachsehen haben“, findet die CSU – und besteht auf einem dritten Jahr Erziehungszeit für die Rente auch bei vor 1992 geborenem Nachwuchs. Das bedeute für Betroffene „rund 360 Euro mehr pro Jahr“. Was es kosten würde, steht nicht im Bayernplan. Schätzungen zufolge wären es sechs bis sieben Milliarden Euro.
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