Digitalisierung in Schulen: Trostlos, träge und problemorientiert
Dass der Digital-Pakt für Schulen erst ab 2018 umgesetzt werden soll, ist fatal. Aber es ist auch ein Synonym für digitale Trägheit in Deutschland. Ein Kommentar.
Ein Digital-Pakt für die deutschen Schulen hört sich sehr gut an – und ist auch sehr gut. Vor allem aber ist er überfällig, und da liegt auch schon das Problem. Ohne Frage hinken die deutschen Schulen weit hinterher. Allein in Berlin sind 110 Schulen ohne schnellen Netzanschluss – von W-Lan sind sie noch weit entfernt. Dass es bis heute frisch ausgebildete Lehrer gibt, die noch nie an einem Whiteboard, einer elektronischen Tafel, gearbeitet haben, ist ein Armutszeugnis. Ja, Schulen haben beim Blick auf den Zustand der Gebäude, der Toiletten und der Räume gerade in Berlin sicher drängendere Probleme als fehlendes Netz und Whiteboards. So ungesund das eine ist, so zukunftsgefährdend ist das andere.
Die Debatte um die Digitalisierung der Schulen passt zum trostlosen Zustand von Digital-Deutschlands. Die große Koalition wollte das Thema mit Eifer angehen. Gleich drei Minister fühlten sich zuständig, alle anderen redeten ständig darüber; ein eigener Bundestagsausschuss bemühte sich redlich – viel passiert ist nicht. Noch immer fehlt es an öffentlichen W-Lan-Hotspots in einem international konkurrenzfähigen Maß. Viele Orte sind bis heute vom schnellen Internet abgeschnitten. Und was noch schlimmer ist: Risiken und Nebenwirkungen bestimmen die Debatte. Digitalisierung ist aber kein Zukunftsthema, sondern eines der Gegenwart. Nahezu jeder 14- bis 29-Jährige geht täglich online – mit Smartphones. Doch im Klassenzimmer endet die digitale Welt.
Besonders problematisch ist aber nicht die fehlende Infrastruktur, sondern die Einstellung zum Netz. Die German Angst hat sich im Digitalen breit gemacht. Der Deutsche Lehrerverband führt genau das vor Augen. Statt die Initiative zu begrüßen, wird sie in Frage gestellt und auf die Gefahr hingewiesen, dass der zwischenmenschliche Diskurs leide und dass Schüler nur noch Häppchen lernen würden. So kann keiner reden, der sich schon mal ernsthaft mit digitalem Diskurs und Informationsbeschaffung auseinandergesetzt hat.
Einige Lehrer scheitern nicht nur an der Infrastruktur, sondern auch an den Eltern
Es ist richtig, kritisch zu diskutieren, wie digitales Zusammenleben in Deutschland aussehen soll. Es sollte aber vom Wunsch nach Gestaltung statt Ablehnung geleitet sein. Für einige Schulverantwortliche ist die fehlende Infrastruktur offenbar eine gute Ausrede, um sich den Anforderungen zu entziehen und mit der Digitalisierung zu beschäftigen - Ausnahmen natürlich ausgenommen. So ist Schule zu einem Synonym für die digitale Trägheit geworden. Nur wird hier nicht nur die Gegenwart verschlafen, sondern die Zukunft gleich mit. Wenn es irgendwann mal ein deutsches Facebook, Google oder Amazon geben soll, müssen dafür früh die technischen, politischen und kulturellen Grundsteine gelegt werden. Die Schule wäre ein guter Ort dafür. Doch stattdessen wird lieber davor gewarnt, dass sich Schüler und Lehrer nicht auf Facebook vernetzen sollten. Viele Lehrkräfte sind da weiter, nur stoßen sie an Grenzen – auch bei den Eltern der Schüler.
Die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka reiht sich da nun ein. Sie stellt ein richtiges Paket spät zusammen und verschiebt es gleich auf die nächste Legislaturperiode. Schüler und Lehrer können ihre Laptops also vorerst zuhause lassen. Aber vielleicht geht die Reparatur der Toiletten ja schneller.