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Mit Tablets können im Unterricht auch Schaubilder erstellt werden. Fehlendes W-Lan schränkt die Einsatzmöglichkeiten extrem ein.
© dpa

Digitalisierung an Deutschlands Schulen: Milliarden für das Ende der Kreidezeit

Bildungsministerin Wanka stellt heute ein großes Programm zum Ausbau der Schul-IT vor. Was ist geplant - und wo stehen Deutschlands Schulen bei der Digitalisierung?

Vom Ende der Kreidezeit sind Deutschlands Schulen noch weit entfernt. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei der digitalen Bildung zurück. Nun hat Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) ein Milliardenprogramm zum Ausbau der Schul-IT angekündigt – die Pläne dazu stellt sie am heutigen Mittwoch vor.

Was plant Wanka konkret für die Digitalisierung der Schulen?

Wanka plant, allen 40000 Schulen – also öffentlichen und privaten Grundschulen, weiterführenden Schulen und Berufsschulen – bei der Digitalisierung zu helfen. Das geht aus einem Überblick zum Digital-Pakt hervor, der dem Tagesspiegel vorliegt. Bis 2021 wolle der Bund fünf Milliarden Euro unter anderem in die Breitbandanbindung, in W-Lan-Zugänge und in Endgeräte wie Laptops und Tablets investieren. Die Länder sollen sich verpflichten, „digitale Bildung zu realisieren“, also Lehrkräfte aus- und fortzubilden und pädagogische Konzepte zu entwickeln. Sie müssten sich auch auf gemeinsame technische Standards einigen sowie Wartung und Betrieb sicherstellen.

Um die Förderung sollen sich nicht einzelne Schulen, sondern die kommunalen oder privaten Schulträger mit „Konzepten zur Umsetzung digitaler Bildung“ bewerben. Wanka schlägt ein zweistufiges Verfahren vor: Wer in einer ersten Förderrunde nicht erfolgreich ist, bekommt eine zweite Chance für seine „noch nicht hinreichend aufgestellten Schulen“.

Warum kommt das Programm erst jetzt?

Eine „gemeinsame Strategie ,Digitales Lernen’“ haben Union und SPD schon 2013 im Koalitionsvertrag angekündigt. Seitdem ist wenig geschehen. Wanka tat sich bislang schwer, überhaupt im Schulbereich tätig zu werden – mit Verweis auf die alleinige Zuständigkeit der Länder und das Kooperationsverbot, das nur für die Hochschulen aufgehoben wurde. Und seitdem der Bund die vollen Bafögkosten übernommen und die Länder damit jährlich um 1,2 Milliarden Euro entlastet hat, spricht Wanka immer wieder von Investitionsmöglichkeiten, die dies auch für die Schulen eröffne.

Warum dann jetzt die Kehrtwende? Offenbar will Wanka die Bilanz ihrer Amtszeit mit einem populären Thema aufpolieren. Bildungsexperten im Bundestag vermuten aber auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hinter der Initiative. Er sehe aufgrund höherer Steuereinnahmen und niedrigster Zinsausgaben Spielräume und habe Wanka in die Pflicht genommen, ein attraktives Bildungsprogramm aufzulegen.

In der SPD-Fraktion glaubt man, Wanka mit der kürzlich vom Parteivorstand beschlossenen „Bildungsallianz“ zwischen Bund, Ländern und Kommunen unter Handlungsdruck gesetzt zu haben. Darin geht es auch um Digitalisierung, gleichzeitig aber um die Sanierung von Gebäuden und den Ausbau der Ganztagsschulen – für neun Milliarden Euro bis 2021. Darauf sollte man sich nun auch in der Koalition einigen und nicht bei der Digitalisierung stehen bleiben, sagte Hubertus Heil, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion, am Dienstag: „Bilder von Kindern, die mit neuen Tablets in maroden Schulen sitzen, wären kein gutes Signal.“

Besonders eilig hat es Wanka indes nicht. Sie hat erklärt, ihr Vorschlag ziele auf die Koalitionsverhandlungen nach der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2017. Die SPD drückt aufs Tempo. „Die Debatte ist jetzt da, wir können uns zügig einigen, damit das Programm auch noch in dieser Legislaturperiode starten kann“, sagt Hubertus Heil.

Welchen Anteil leisten die Länder?

Die Bildungsminister glauben, ihre Hausaufgaben gemacht zu haben. Claudia Bogedan (SPD), die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK), hat die digitale Bildung als Jahresthema gesetzt. Im Mai hat die KMK eine Skizze ihrer Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ vorgestellt, die sie im Dezember verabschieden will. Darin geht es um Lehrpläne, Fortbildung und IT-Infrastruktur, also um das ganze Paket, das sich Wanka nun zu eigen macht. Mit den Ländern abgesprochen sei das nicht, heißt es aus der KMK, der Digital-Pakt komme überraschend, sei aber willkommen. Die Gefahr, dass einzelne Länderchefs auf ihre Bildungshoheit pochen und Bundeshilfen ablehnen, dürfte gering sein. Wanka will das Kooperationsverbot weiterhin nicht aufheben, sondern Artikel 91c des Grundgesetzes nutzen: Er erlaubt Bund und Ländern seit 2009 wieder eine Zusammenarbeit beim Ausbau von IT-Systemen.

Wie gut sind deutsche Schulen heute mit Computern ausgestattet?

Ob Computer, Tablets oder Whiteboards: Im internationalen Vergleich sind deutsche Schulen eher schlecht ausgestattet. So teilen sich hierzulande 11,5 Schüler einen Computer, während es in Norwegen 2,4 sind. Das hat die 2014 veröffentlichte internationale ICILS-Studie zu IT-Kompetenzen von Schülern festgestellt. Überhaupt ist Skandinavien Vorreiter bei der IT-Ausstattung von Schulen, ebenso Australien. „Die mangelhafte IT-Infrastruktur war bisher ein großes Hemmnis für die Schulen in Deutschland“, sagt Birgit Eickelmann, Erziehungswissenschaftlerin an der Uni Paderborn und eine der ICILS-Autorinnen. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind laut einer Studie der Telekom- Stiftung ebenfalls groß. Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz gehören demnach zur Spitzengruppe, Brandenburg mit Ländern wie Sachsen und Baden- Württemberg zur Schlussgruppe. Berlin liegt im Mittelfeld. In Brandenburg nutzen nur 22 Prozent der Lehrkräfte mindestens einmal pro Woche ein IT-Gerät im Unterricht, im Bundesschnitt sind es nicht einmal die Hälfte. Bundesweit sagen nur 55 Prozent der Lehrkräfte, dass ihre Schule transportable Geräte für die Schüler bereitstellt.

Welche technischen Voraussetzungen müssen geschaffen werden?

Damit Schüler und Lehrer beliebig im Netz recherchieren können, brauchen die Schulen zunächst einmal einen Breitbandanschluss. Da fangen die Probleme an: In Deutschland gibt es noch immer ganze Dörfer ohne eine derartige Anbindung, und auch in den Städten ist längst nicht jeder Haushalt und jede Schule versorgt. In Berlin hat jede siebte öffentliche Schule noch keinen Breitbandanschluss. Ebenso unentbehrlich ist ein belastbares W-Lan-Netz. Um eine Schule vollständig „auszuleuchten“, sind mehrere Router nötig. Auch diese Voraussetzung wird an kaum einer Schule erfüllt. Was diese Umrüstung für alle deutschen Schulen kosten würde, ist völlig unklar.

Wenn eine Schule lediglich von herkömmlichen Schulbüchern auf Lernsoftware und digitale Medien umstellen will, braucht sie – neben den Rechnern – belastbare Server und eine moderne Verkabelung im ganzen Gebäude. Diese Umstellung wiederum ist nur sinnvoll, wenn statt herkömmlicher Schreibtafeln interaktive Whiteboards vorhanden sind. Auch diese Voraussetzung fehlt den meisten Schulen: Als komplett „kreidefrei“ bezeichneten sich 2015 in Berlin 125 öffentliche Schulen. Rund 300 Schulen besaßen noch überhaupt kein Whiteboard.

Was muss pädagogisch geschehen?

Die besten Geräte nutzen nichts, wenn sie nicht pädagogisch sinnvoll eingesetzt werden. Denn digitale Bildung ist mehr, als nur ein Smartphone bedienen zu können. Vielmehr geht es darum, kompetent mit digitalen Medien umzugehen, etwa Informationen aus dem Netz einzuordnen. Dass Schüler in Deutschland großen Nachholbedarf haben, zeigte die ICILS- Studie: Ein Drittel erreichte damals nur die untersten beiden Kompetenzstufen. „Die Risikogruppe ist größer als bei jeder Pisa-Studie“, sagt die Erziehungswissenschaftlerin Eickelmann.

Sie meint aber einen langsamen Kulturwandel an den Schulen feststellen zu können: „Das Thema Medienpädagogik hat Rückenwind.“ Viele Konzepte seien in der jüngsten Zeit erarbeitet worden, vorbei die Zeiten, in denen sich Lehrer rechtfertigen müssen, wenn sie Computer im Unterricht einsetzen. „Ganz im Gegenteil müssen sich zukünftig eher diejenigen rechtfertigen, die keine IT benutzen.“ Dennoch gebe es noch viel zu tun – gerade wenn es um die Integration digitaler Medien in den Fachunterricht geht, also etwa in Mathe, Englisch, Geschichte oder Deutsch. Viele Lehrkräfte wüssten eben noch nicht, wie sie das sinnvoll bewerkstelligen, es fehle an entsprechenden Fortbildungen.

Tatsächlich fühlt sich laut Telekom-Studie nur ein Drittel der Lehrkräfte in Sachen Computernutzung ausreichend unterstützt. Hoffen lässt Eickelmann, dass sich das Lehramtsstudium wandelt: Viele Bundesländer würden inzwischen verpflichtende Module fürs Unterrichten mit digitalen Medien vorsehen.

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