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Ein Bundeswehr-"Tornado" auf dem Fliegerhorst Büchel
© Thomas Frey/dpa

Streit um US-Atomwaffen in Deutschland: Tornado-Frage für die Ampel-Parteien

Auf Grüne und SPD-Linke kommt in einer Ampel-Regierung ein schwieriges Thema zu: Wie umgehen mit Deutschland Rolle in der Atomdoktrin der Nato?

Wolfgang Ischinger zeigt sich „zutiefst beunruhigt“ und für das internationale Publikum via Twitter auch auf Englisch: „I am deeply worried.“ Eine geharnischte Wortwahl für den langjährigen Diplomaten und Chef der Münchner Sicherheitskonferenz. Aber das Thema, das Ischinger umtreibt, ist auch ernst.

Es geht um Deutschlands Rolle in der nuklearen Abschreckung der Nato – oder, um es konkret zu machen, um mutmaßlich 20 amerikanische Atombomben auf dem Fliegerhorst Büchel in der Pfalz. Deren Abzug fordern friedensbewegte Grüne und SPD-Linke seit Jahrzehnten. Die Ampel-Koalitionäre werden sich wohl oder übel dazu verhalten müssen.

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Denn noch in dieser Wahlperiode steht eine Entscheidung an, die mit der Einsatzfähigkeit dieser Waffen direkt zusammenhängt: Bekommt die Bundeswehr als Ersatz für den alternden „Tornado“ wieder einen atomwaffenfähigen Jagdbomber?

Anti-Atom ist grüne Tradition - egal ob Waffen oder Kraftwerke

Besonders für die Grünen ist das eine knifflige Frage. Der Kampf gegen Atomwaffen ist in ihrer Geschichte so alt wie der gegen Atomkraftwerke. Noch kurz vor der Bundestagswahl hatte die örtliche Kampagne gegen die US-Bomben in Büchel mit einer Menschenkette ihre Verbündeten daran erinnert. Redner forderten den Ausstieg aus der nuklearen Teilhabe der Nato.

Hinter dem sperrigen Fachbegriff steht ein Deal aus der Zeit des Kalten Kriegs: Die USA garantieren mit ihren Atomwaffen das Gleichgewicht des Schreckens in Europa, die Deutschen stellen die „Tornado“-Jets, die die Waffen im Ernstfall abwerfen, und dürfen in der Nuklearen Planungsgruppe der Nato bei der Festlegung der Nuklearstrategie mitreden.

Ob dieser Deal heute noch trägt, wird auch unter Sicherheitsexperten diskutiert. In den baltischen Staaten etwa kamen nach der russischen Annexion der Krim ernste Zweifel auf, ob die USA für Tallinn oder Riga den Weltuntergang riskieren würden.

Schließlich hatten die Amerikaner sich 1994 auch verpflichtet, die Integrität der Ukraine zu garantieren, nachdem die ihre ex-sowjetischen Atomwaffen an Russland übergeben hatte. Als es ernst wurde, unternahm die Garantiemacht - nichts.

Andererseits hat Wladimir Putins Einmarsch in der Nato und speziell bei Russlands Nachbarn die Überzeugung gestärkt, dass die alten Arsenale alles andere als überflüssig sind.

[Lesen Sie auch: Die größten Hürden auf dem Weg zur Ampel (T+)]

Ischingers Warnung zielt namentlich auf Polen: „Den Polen ziehen wir sicherheitspolitisch den Teppich unter den Füßen weg, wenn Deutschland aus der nuklearen Abschreckung aussteigt“, erläuterte er der dpa. Mit, wie er fürchte, katastrophalen Folgen für alle anderen. Denn Polen würde die US-Bomben dann bei sich stationieren wollen, viel näher an Russland als heute. Was Reaktionen in Moskau nach sich zöge, „über die ich gar nicht nachdenken möchte.“

Nun steht ein direkter deutscher Ausstieg nicht an. Selbst im Grünen-Wahlprogramm heißt es, eine atomwaffenfreie Welt sei nur über „Zwischenschritte“ und im Gespräch vor allem mit Balten und Osteuropäern zu erreichen.

Dem Veteranen "Tornado" geht langsam die Luft aus

Indirekt stellt sich die Frage aber schon bald. Nach bisherigen Planungen soll spätestens 2023 eine Vorentscheidung darüber fallen, ob Deutschland überhaupt rein technisch die nukleare Teilhabe fortsetzen kann.

Denn die „Tornado“-Jets der Luftwaffe, vor einem halben Jahrhundert entworfen, halten nach Expertenmeinung nur bis 2030 durch. Danach werde ein Weiterbetrieb zu teuer.

Das neue europäische Kampfflugzeug FCAS kommt aber frühestens 2040. Für die mindestens zehn Jahre dazwischen wollte die scheidende Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer US-Jets vom Typ F-18 kaufen. Für die Umstellung müsste der Bundestag ab 2023 die ersten Gelder freigeben.

Ob es unter neuer Führung im Bendler-Block dabei bleibt, ist so offen wie die Frage, wer diese Führung künftig übernimmt.

Er oder sie könnte allerdings, fürchten Fachpolitiker der Union, der Versuchung erliegen, das Problem auf die lange Bank zu schieben. Ein Weiterbetrieb der alten „Tornados“ über 2030 hinaus wäre zwar sündhaft teuer - erst vor kurzem musste eine 40 Jahre alte Maschine aus Büchel quasi zerlegt und mit handgefertigten Ersatzteilen neu aufgebaut werden, um auch nur das Ende des Jahrzehnts zu erleben.

Aber die Kosten auszublenden und kleinzureden, hätte für ein Ampel-Bündnis einen eminenten Vorzug: Dafür müsste nach menschlichem Ermessen keiner von denen mehr geradestehen, die heute Finanzminister werden wollen.

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