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Thomas Kemmerich war 27 Tage lang Ministerpräsident von Thüringen.
© dpa

Umstrittener FDP-Landeschef in Thüringen: Thomas Kemmerich kündigt nach Corona-Spaziergang Teil-Auszeit an

Der Thüringer FDP-Chef will seine Vorstandsposten in der Bundespartei ruhen lassen. Die Liberalen würden die Causa Kemmerich jetzt gerne beenden.

Der Thüringer FDP-Vorsitzende und ehemalige Ministerpräsident Thomas Kemmerich zieht Konsequenzen aus seinem Auftritt bei einer von Rechtsextremen mitorganisierten Demonstration in Gera am Wochenende: Er will als Beisitzer im FDP-Bundesvorstand bis zum Jahresende pausieren und sich bis dahin Gedanken über die eigenen Zukunft bei den Liberalen machen.

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„Mein Mandat im Bundesvorstand der FDP, in das mich die Mehrheit des letzten Bundesparteitages gewählt hat, getragen vom Vertrauen meines Landesverbandes, werde ich bis Ende des Jahres ruhen lassen“, erklärte Kemmerich am Mittwoch im Anschluss an eine kurzfristig anberaumte Krisensitzung der Parteispitze.

„Ich will die überaus wichtige Arbeit dieses Gremiums meiner Partei nicht belasten und mir zudem klar werden, welche Rolle ich künftig in der Partei noch ausfüllen kann und will.“

Kemmerich hatte am Samstag an einem als „Spaziergang“ deklarierten Protest gegen die Corona-Maßnahmen in Gera teilgenommen und vor rund 750 Menschen eine Rede gehalten. An der Demonstration beteiligten sich AfD-Anhänger, Rechtsextremisten und Verschwörungstheoretiker. Im Hintergrund halfen stadtbekannte Rechtsradikale bei der Organisation.

Zunächst hatte Kemmerich seine Beteiligung an der Demo noch verteidigt. Dass sich an dem Protest in der AfD-Hochburg Gera auch Rechtsextremisten beteiligen würden, davon habe er „keine Vorstellung“ gehabt.

Nun sieht Kemmerich seinen Auftritt als „Fehler, schon deshalb, weil es den politischen Gegnern meiner Partei jede Möglichkeit bot, die berechtigten Anliegen einer kritischen Prüfung der aktuellen Regierungspolitik in der Corona Krise zu denunzieren und zu diffamieren“.

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Die Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die am Wochenende Kemmerich zum Parteiaustritt aufgefordert hatte, zeigt sich zufrieden mit dessen vorübergehendem Rückzug aus der Parteispitze. „Unser liberaler Kurs ist klar und wurde bestätigt“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Wir schauen jetzt nach vorne.“

Die Liberalen würden die Causa Kemmerich am liebsten so schnell wie möglich vergessen machen. Nach seiner AfD-gestützten Wahl zum Thüringer Ministerpräsidenten im Februar (das Amt gab er nach drei Tagen auf), sei es das „zweite Mal in kurzer Zeit, wo er der FDP schweren Schaden zufügt“, sagte Marco Buschmann, der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, nach der Krisensitzung vom Mittwoch.

Tatsächlich hat Kemmerich der politischen Konkurrenz sowohl mit der Annahme seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im Februrar als auch jetzt mit seinem Auftritt in Gera eine Angriffsfläche geboten. Carsten Schneider, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, sagte am Mittwoch in Berlin: „Entweder ist Herr Kemmerich naiv, weil er jedes Mal auf AfD reinfällt, oder er macht es bewusst.“ Die FDP habe ein „eklatantes Problem nach rechts außen, das muss sie klären. Sonst sinken sie noch unter die 5 Prozent, was ich ihr nicht wünsche.“

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Für seinen Landtagswahlkampf im Herbst 2019 hatte Kemmerich hingegen in der FDP noch viel Lob erhalten, bis zum Februar galt er in der Partei als „cooler Typ“.

Über die Grenze nach rechts außen

Mit dem „Fiasko“ von Erfurt, wie Parteichef Christian Lindner die Kemmerich-Wahl zum Landeschef nennt, stürzte der Thüringer FDP-Chef allerdings seine gesamte Partei in eine schwere Krise. Die Liberalen mussten sich den Vorwurf gefallen lassen, mit den Rechtspopulisten zu paktieren – und die Grenze der demokratischen Parteien nach Rechtsaußen nicht ausreichend zu achten.

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„Diese Grenze ist bei uns klar. Am Wochenende ist sie allerdings verwachsen worden“, betont Buschmann mit Blick auf Kemmerichs Auftritt in Gera. In der Parteispitze sowie der Bundestagsfraktion herrsche „eine völlige Einmütigkeit, dass die Demonstrationsaktivitäten von Thomas Kemmerich am Wochenende ein schwerer Fehler waren“.

Bei der Teilnahme an dem rechten Corona-„Spaziergang“ handle es sich um ein „individuelles Fehlversagen“ des Thüringer FDP-Chefs, sagte Buschmann weiter. „Und ich kann nur hoffen, dass es jetzt das letzte Mal war, dass er uns Schaden zugefügt hat."

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