Wer ist Thomas Kemmerich?: Mit Cowboystiefeln und Glatze
Überraschend ist FDP-Politiker Thomas Kemmerich neuer Regierungschef in Thüringen. Noch im Wahlkampf warb er mit Distanz zur AfD.
Sie nennen ihn „Cowboy“. Das hat mit den Cowboystiefeln zu tun, die Thomas L. Kemmerich zum Markenzeichen erhoben hat. Der Spitzname passt aber zugleich zu seiner Art: Tiefe John-Wayne-Stimme, immer gut für einen derbe-lockeren Spruch, nie ein Risiko gescheut.
Der 54-Jährige entspricht auch sonst geradezu dem Klischee des Selfmade-Man: In Aachen geboren, sofort nach der Wende als 24-Jähriger Unternehmensberater in den Osten gegangen und inzwischen Vorstandschef einer börsennotierten Friseurkette. Dass er der erste freidemokratische Ministerpräsidenten der neueren Geschichte werden würde, dürfte aber selbst in seinem durchaus robusten Selbstbewusstsein noch nicht lange eingeplant gewesen sein.
Kemmerich stach hervor: Cowboystiefel und Glatze
Tatsächlich stand Kemmerichs politische Zukunft noch am Abend des 27. Oktober eher auf der Kippe. Mit gerade mal fünf Stimmen lag die FDP am Ende des Landtagswahlabends über der Fünf-Prozent-Hürde. Erst das Endergebnis zehn Tage später ließ die Liberalen aufatmen – immer noch knappe 73 Stimmen.
Für die Thüringer Freidemokraten war das trotzdem ein Erfolg. Schließlich hatten sie Bodo Ramelows erste rot-rot- grüne Regierung nur als außerparlamentarische Opposition begleiten können.
Kemmerich selbst, 2009 über die Landesliste in den Landtag eingezogen, wechselte in dieser Zeit ins bundespolitische Fach und zog als Landes-Spitzenkandidat 2017 vorübergehend nach Berlin. Mit Wechseln kannte er sich aus. Kemmerich war auch schon FDP-Spitzenmann im Erfurter Stadtrat und – erfolgloser – Oberbürgermeisterkandidat.
2015 wählten ihn die Liberalen zum Parteichef. Zur Landtagswahl holten sie ihren Vielzweck-Frontmann zurück. Kemmerichs Kampagne stach aus der der Mitbewerber heraus: Die Cowboystiefel tauchten auf Plakaten auf, vor allem aber grüßte überall seine Glatze halbmondförmig von den Laternen.
Kemmerich warb mit Wirtschaftskompetenz – er ist seit 2011 auch Bundesvorsitzender der Vereinigung „Liberaler Mittelstand“. Der sechsfache Vater griff sich zugleich die Bildungspolitik als zugkräftiges Kernthema heraus.
Die vielfältigen Gedanken- und Ränkespiele, die in Erfurt auf die unklaren Mehrheitsverhältnisse nach der Wahl folgten, beobachtete Kemmerich dann eher etwas von der Seitenlinie. Mit ihren knapp fünf Prozent konnten die Freidemokraten ja auch keine maßgebliche Rolle für die Frage spielen, welche Art von Koalition das Land künftig regieren würde.
SPD-Minister wollte er im Amt behalten
Er sprach mit CDU-Chef Mike Mohring über eine bunte Minderheitsregierung – aus den Plänen wurde nichts, weil SPD und Grüne sich früh auf den alten Partner Ramelow festlegten. Dem bot Kemmerich eine „konstruktive Opposition“ an. Einzelne Gesetzesvorhaben einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung werde man wohlwollend prüfen. Eine Tolerierung oder fest verabredete Kooperation komme für die FDP nicht in Frage.
Nach dem Beschluss, als Ministerpräsident zu kandidieren, versuchte Kemmerich gleich die schon verworfene Idee einer bunten Koalition neu zu beleben. Er kandidiere gegen Rot-Rot-Grün – könne sich aber bei einem Sieg vorstellen, die SPD-Minister im Amt zu behalten, sagte der FDP-Mann dem „Freien Wort“.
Zur AfD hielt er auch da noch Abstand: „Ich bin der Gegenkandidat zu extrem rechts und extrem links.“ Tatsächlich war sein Wahlkampf - anders als gelegentlich bei der FDP in anderen Ländern – von Anklängen an AfD-Kernthemen frei. Er warb sogar offensiv mit dieser Distanz: „Endlich eine Glatze, die in Geschichte aufgepasst hat“, stand auf einem seiner Werbeplakate.
Damals rechneten ihm viele die klare Position an. Am Mittwoch nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten mit Hilfe der AfD kam das alte Motto prompt zu neuer Prominenz auf Twitter und Facebook. Diesmal fielen die Kommentare weniger freundlich aus.
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