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Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin und MPK-Vorsitzender, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern
© Christian Mang/Reuters/Pool/dpa

Der neue Corona-Kurs von Bund und Ländern: Testpflicht, Ende der Gratistests – das sind die Gipfel-Beschlüsse für den Herbst

Bund und Länder wollen einen Herbst-Lockdown vermeiden und für mehr Impfungen sorgen. Ab 23. August gibt es eine Testpflicht für Ungeimpfte – mit Ausnahmen.

Am Ende ringen sie wie so oft um die richtige Inzidenz. Ab wann soll in Deutschland eine Testpflicht für alle Ungeimpften gelten? Ab 35 oder ab 50? Null gehe nicht, das würden die Gerichte nicht akzeptieren, macht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Videoschaltkonferenz am Dienstag mit den Regierungschefs der Länder deutlich.

Und so landet die Runde schließlich bei 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in sieben Tagen. Spätestens ab diesem Wert müssen ab 23. August in den betroffenen Städten und Kreisen von Ungeimpften Coronatests verlangt werden. Und ab 11. Oktober sind diese dann auch nicht mehr kostenlos.

Das Ziel ist klar: Mit mehr Druck die Impfquoten steigern, um einen weiteren Lockdown zu vermeiden.

„Wir bekommen eine Pandemie der Ungeimpften“, mahnt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der Runde.

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Im Gegensatz zu vorherigen Runden, bis hin zum Debakel mit dem nicht praktikablen Oster-Lockdown, dauert es dieses Mal nur rund drei Stunden. Für Geimpfte und Genesene soll es in jedem Fall keinen Lockdown mehr geben. „Solange der Impfstoff wirkt, können wir nicht einfach sagen, ein Geimpfter darf nicht [...] seine Rechte als Bürger ausüben“, sagt Merkel.

Das Hauptziel: Es soll mit den neuen Regeln neuer Schwung in die Impfkampagne kommen.

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„Wie sich die Infektionszahlen entwickeln, hängt maßgeblich davon ab, wie hoch die Impfquote in Deutschland ist. Deshalb werben die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und -chefs der Länder dafür, dass alle Bürger sich nun zügig impfen lassen“, heißt es in dem Beschluss. „Genug Impfstoff ist inzwischen vorrätig. Das Versprechen, jedem Bürger im Sommer ein Impfangebot zu machen, ist inzwischen erfüllt.“

Die große Sorge aber bleibt, und dazu gibt es wenig neues: Wie können Kitas und Schulen sicher offen gehalten werden, ohne dass sich zu viele Kinder und Jugendliche infizieren? Programme für mehr Luftfilter wurden erst spät aufgelegt - und die angenehmeren Lolli- statt der Stäbchen-Tests in der Nase stehen noch nicht flächendeckend zur Verfügung; hier wurde von der Politik vieles versäumt.

Das sind die wichtigsten Vereinbarungen von Bund und Ländern:

  • Der negative Corona-Test: Ungeimpfte sollen ab 23. August Zugang zur Gastronomie oder kulturellen Veranstaltungen nur noch mit negativem Testergebnis erhalten.
  • Die 3G-Regelung: Zutritt zu Veranstaltungen im Innern oder Einrichtungen soll nur für geimpfte, genesene oder getestete Menschen möglich sein.
  • Die kostenlosen Tests: Gratistests sollen ab 11. Oktober nicht mehr zur Verfügung stehen. Ungeimpfte müssten dann für Coronatests bezahlen.
  • Die pandemische Lage: Die Regelungen mit Sonderdurchgriffsrechten soll über den September hinaus vom Bundestag verlängert werden.

Die Hoffnung ist, dass sich auch mehr 12- bis 18-Jährige als bisher impfen lassen. Eine höhere Impfquote wird für erforderlich gehalten, weil die inzwischen vorherrschende Delta-Variante des Virus ansteckender ist. Die Runde betonte jedoch, dass die Impfstoffe auch gegen diese Variante eine hohe Wirksamkeit aufwiesen. Die Folge für alle, die nicht immunisiert sind: „Wer nicht geimpft ist, muss sich absehbar regelmäßig testen lassen, wenn er in Innenräumen mit anderen Menschen zusammentrifft, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern“.

Schwung sollen nicht zuletzt „niedrigschwellige, zielgruppenbezogene und aufsuchende Angebote“ bringen – die Impfzentren sollen sozusagen zu den Leuten, nicht umgekehrt - in Berlin hat man es bereits mit einer "langen Nacht des Impfens" versucht - nach dem Piks gab es noch etwas Technomusik. Die Politik setzt dabei auch auf die Arbeitgeber. Sie sollen Mitarbeiter bei der Wahrnehmung von Impfangeboten unterstützen, „insbesondere durch Information von Beschäftigten, Schaffung von betrieblichen Impfangeboten durch Betriebsärzte sowie Freistellung der Beschäftigten zur Wahrnehmung von Impfangeboten“.

Als Anreiz soll vor allem dienen, dass Geimpfte und Genesene von sämtlichen Testpflichten befreit sind – es genügt, wenn sie, wo nötig, ihre Nachweise vorlegen. Auch gelten für sie keine Quarantänepflichten mehr – weder nach Kontakt mit Infizierten noch nach Rückreise aus dem Ausland. Die „Basisschutzmaßnahmen“ gelten aber weiter für alle: Abstandhalten, Händehygiene, das Tragen von Masken, wo geboten, regelmäßiges Lüften in Innenräumen. Wer Symptome hat, soll sich weiterhin testen lassen. Im Einzelhandel und im öffentlichen Personennahverkehr bleibt das Tragen medizinischer Masken vorgeschrieben. Die Erforderlichkeit dieser Maßnahmen wird mindestens alle vier Wochen überprüft.

Die 3G-Regel greift fast überall

Spätestens vom 23. August an soll die sogenannte 3G-Regel gelten: Wo vorgegeben, können dann nur Geimpfte, Genesene und Getestete Zugang bekommen. Nicht immunisierte Erwachsene (Schüler sind ausgenommen, weil sie ohnehin häufig getestet werden) sind dann verpflichtet, einen negativen Antigen-Schnelltest, der nicht älter als 24 Stunden ist, vorzulegen – oder aber einen negativen PCR-Test, der nicht älter ist als 48 Stunden. Die Geltungsbereiche der 3G-Regel sind Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime sowie Einrichtungen der Behindertenhilfe.

Auch die Innengastronomie sowie Aufenthalte in Hotels, Pensionen und Ferienanlagen fallen darunter. Ebenso Veranstaltungen und Feste in Innenräumen, ob Kultur oder Sport. Wer Gottesdienste oder andere religiöse Zusammenkünfte in Innenräumen besuchen will, muss ebenfalls „3G“ beachten. Das gilt auch für die „Inanspruchnahme körpernaher Dienstleistungen“ – das sind Friseure, Kosmetikerinnen, Einrichtungen der Körperpflege.

Sport im Innenbereich, ob in Fitness-Studios, Schwimmbädern oder Sporthallen, ist 3G-pflichtig. Die Pflicht gilt ab einer Inzidenz von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen – das ist die Einstiegsschwelle für Einschränkungen nach dem Infektionsschutzgesetz. Italien hat gerade erst eine ähnliche Regelung, die dort „Green Pass“ heißt, eingeführt: Unabhängig von der Inzidenz darf man dort nur mit Impf-, Genesenen- oder Testnachweis zum Beispiel in Innenräume von Restaurants.

Bei größeren Veranstaltungen in Innenräumen, aber auch in Bars und Clubs soll es ein Sitzplatzgebot mit Abstandsregelung geben – so sollen Superspreader-Events kleingehalten werden.

Länder und Kommunen können ergänzend zur 3G-Regelung im Einzelfall die Teilnehmerzahl und den Zugang begrenzen, wo sie dies für erforderlich halten. Es herrscht Einigkeit, dass bei Sportgroßveranstaltungen „oberhalb einer absoluten Zahl von 5000 Zuschauenden die zulässige Auslastung bei maximal 50 Prozent der jeweiligen Höchstkapazität liegt, jedoch nicht bei mehr als insgesamt 25.000 Zuschauenden.“

Das Angebot kostenloser Schnelltests endet am 11. Oktober. Von da an müssen Nicht-Geimpfte damit rechnen, ihre Tests bezahlen zu müssen – ebenfalls ab der 35er-Schwelle.

Die Begründung lautet, dass die Kosten nicht mehr von der Allgemeinheit getragen werden könnten, weil nunmehr alle ein Impfangebot bekommen hätten. Aber es gibt im Beschlusspapier auch Ausnahmen: „Für Personen, die nicht geimpft werden können und für die keine allgemeine Impfempfehlung vorliegt (insbesondere Schwangere, Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren), wird es weiterhin die Möglichkeit zum kostenlosen Antigen-Schnelltest geben.“


Da diese Beschlüsse nur möglich sind, wenn die Rechtsgrundlage dafür besteht, soll der Bundestag am 11. September die epidemische Lage von nationaler Tragweite verlängern.

Auf ein neues Stufensystem bei den Inzidenzwerten wollte sich die Runde nicht verständigen. Merkel machte deutlich, das man hier noch die Entwicklung abwarten wolle. Die im Infektionsschutzgesetz bisher vorgesehenen Warnschwellen von 35, 50 und 100 Infektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen haben laut Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) ausgedient. Ungeachtet einiger Differenzen besteht eine Übereinstimmung, Corona-Maßnahmen nicht mehr allein an die Infektionszahlen, also die Sieben-Tage-Inzidenz zu binden.

[Lesen Sie auch: Bringt Delta das Chaos zurück an die Schulen? (T+)]

Bei der Ende Juni ausgelaufenen „Bundesnotbremse“ galt ein Maßnahmen-Automatismus bei einer Inzidenz von mehr als 100 Infektionen pro 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen – immer auf der Ebene der Stadt- und Landkreise. Das Infektionsschutzgesetz sieht zudem erste allgemeine Vorsichtsmaßnahmen und Beschränkungen schon bei Inzidenzen von 35 und 50 vor. Geplant ist, die Inzidenz durch Belegungsquoten in Kliniken und lokale Impfquoten zu ergänzen. Aber gerade die Impfquote spielt eine wesentliche Rolle - die Hoffnung ist nun, das durch vermehrte Impfungen dann die Schwellenwerte höher angesetzt werden können - was lokale Lockdowns dann weniger wahrscheinlich macht.

Das bisherige Stufenmodell ist mit der relativ hohen Impfquote fragwürdig geworden. „Wir benötigen ein abgestimmtes Vorgehen, das die Verhältnismäßigkeit wahrt – darauf haben uns zuletzt auch die Gerichte immer wieder hingewiesen“, sagte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) dem Tagesspiegel.

So hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg vorige Woche entschieden, „dass im Hinblick auf das Fortschreiten der Immunisierung der Bevölkerung und der damit verbundenen weitgehenden Beschränkung des Infektionsgeschehens auf weniger vulnerable (jüngere) Gruppen eine Anpassung der Schwellenwerte an die geänderte Sachlage erforderlich sei“. Auf Grundlage der derzeit geltenden Schwellenwerte „könnten schwerwiegende Grundrechtseingriffe nur noch für einen kurzen Übergangszeitraum gerechtfertigt werden“

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet hatte sich im Vorfeld für ein „besonnenes, aber entschlossenes Handeln“ ausgesprochen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident sagte, es gehe darum, im Herbst einen weiteren Lockdown zu vermeiden. Der Schlüssel dafür sind mehr Impfungen. Inzwischen seien 52 Millionen Menschen geimpft und „niemand ist ein Alien geworden“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) der „Neuen Osnabrücker Zeitung". „Viele, die bislang skeptisch gewesen sind, werden sich nun hoffentlich auch impfen lassen, und dann müssen sie sich auch nicht länger testen lassen.“

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