Erst die Spritze, dann 15 Minuten Party: Hunderte kommen zur ersten Berliner Impfnacht in der Arena
Die Zahl der Erstimpfungen steigt nur noch langsam. In Berlin soll es der Bass richten: Bei den „Langen Nächten des Impfens“ gibt es zur Spritze Musik von DJs.
Montagabends nimmt das Berliner Partyleben in pandemiefreien Zeiten eine kleine Verschnaufpause. In der Coronakrise ist bekanntlich alles anders. Es ist also Montag und der Bass wummert trotzdem. Und: Statt im Club vibrieren bei der ersten „Langen Nacht des Impfens” im Impfzentrum in der Treptower Arena die provisorisch hochgezogenen Wände.
Der Bass soll der Berliner Impfkampagne neuen Aufschwung geben. Geimpft wird in der Arena schon seit Ende Dezember, sie war das erste und ist gleichzeitig größte der Berliner Impfzentren. Auch hier aber stagniert die Zahl der Impfwilligen seit Wochen. Bei voller Auslastung könnten hier täglich 5000 Menschen geimpft werden, nicht einmal ansatzweise so viele Impftermine wurden zuletzt wahrgenommen.
Eine Spritze ist in den Berliner Impfzentren seit knapp zwei Wochen auch ohne Termin möglich, jeden Tag von elf bis 17 Uhr. Fünf Ampeln zeigen an, ob die Impfdosen für den jeweiligen Tag und das jeweilige Impfzentrum bereits zur Neige gehen. Meistens sind alle fünf Ampeln grün.
Zusätzlich zum Impfen ohne Termin gibt es deswegen nun die Impfung mit Beat. „Inzwischen sind wir in der Impfkampagne soweit, dass wir gezielte Angebote brauchen, um junge Menschen zum Impfen zu motivieren”, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Montagabend vor dem Impfzentrum. Die Aktion treffe den Puls der Stadt.
Am Freitag wird bis 1 Uhr in der Nacht geimpft
Drei „Lange Nächte des Impfens” hat die Stadt organisiert, gemeinsam mit dem Roten Kreuz und der Berliner Clubcommission. Am Montag, Mittwoch und Freitag wird jeweils zwischen 20 Uhr und Mitternacht geimpft, am Freitag sogar bis ein Uhr in der Nacht.
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Im Impfzentrum ist das Licht gedämmt und ein paar bunte Scheinwerfer wandern über den Beobachtungsbereich, wo die DJs auflegen. Die Arena, in der sonst Konzerte für bis zu 9000 Menschen stattfinden, nähert sich allmählich ihrer Funktion vor der Pandemie.
Zuerst tanzte nur das Personal
Am Montag war die Feierstimmung noch verhalten. Zuerst tanzten nur die Mitarbeitenden, erst ab 23 Uhr schlossen sich die ersten Impfgäste an. Normalerweise müssen die nach 15 bis 30 Minuten den Beobachtungsbereich im Impfzentrum verlassen, um Platz für neue Gäste zu machen.
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Bei den Impfnächten wird das lockerer gehandhabt, schließlich ist der Beobachtungsbereich gleichzeitig Tanzfläche. Wird es dort zu voll, stoppen die Türsteher erst einmal den Einlass. Im Beobachtungsbereich sprächen Mitarbeitende dann die Personen an, die schon länger da seien, sagt DRK-Sprecher Hinzmann. Rausschmeißen wolle man aber niemanden. „Wir wollen das so entspannt wie möglich und mit Augenmaß regeln.“
DRK: "Der Montag ist nicht unbedingt ein leichter Partytag"
Am Montag musste niemand früher gehen. Knapp mehr als 420 Menschen holten sich zum Auftakt eine Impfspritze. „Der Montag ist in Berlin nicht unbedingt ein leichter Partytag", sagt Karsten Hinzmann, Sprecher des Roten Kreuzes. "Wir wussten nicht, was uns erwarten würde, aber unser Team ist absolut begeistert von der ersten Nacht. Der Auftakt war ein voller Erfolg."
Im Impfzentrum geht man davon aus, dass die Impfnächte am Mittwoch und vor allem am Freitag noch besser besucht werden. Es sei erwartbar, dass die Partystimmung am Wochenende noch zunehme, sagt Hinzmann. Insgesamt standen für die erste Impfnacht 1500 Dosen Biontech zur Verfügung, genauso viele sind es für die beiden kommenden Impfnächte.
Markus Nisch leitet das Impfzentrum in der Treptower Arena. "Ich bin ganz, ganz happy über den Andrang", sagte Nisch noch am Montag. Insgesamt 20 DJs hat Nisch für die Impfnächte organisiert, der normalerweise eine Bookingagentur statt eines Impfzentrums leitet. Alle hätten sofort zugesagt, einigen habe Nisch sogar absagen müssen, weil Impfnächte erst einmal auf vier Stunden beschränkt seien.
DJane aus dem Berghain legt am Mittwoch auf
Willi Schumacher aka Midas 104 wird am Mittwoch auflegen genauso Tama Sumo, Resident-DJane im Berghain. Am Freitag folgen dann Peter Schumann und die Dragqueen Gloria Viagra. Sie alle entstammen der Berliner Partyszene, die meisten haben in den Impfzentren eine vorübergehende Heimat gefunden, während Clubs und Nachtleben in der Corona-Pause steckten.
Sebastian Schwarz vom DJ-Duo Tiefschwarz machte am Montagabend als einer von sieben DJs den Auftakt. Er arbeitet schon seit der Eröffnung im Impfzentrum in der Arena. „Es ist überwältigend, mit welcher Empathie und Nettigkeit die Menschen hier zusammenarbeiten”, sagt Schwarz. Er freut sich über den Andrang der ersten Nacht. "Ich bin total begeistert, wie die Leute hier mit Schirm im Berliner Regen stehen und hier einfach rein wollen”, sagt Schwarz. „Das ist wie bei einem Festival.”
Niemand muss einen Ausweis vorzeigen
Die „Langen Nächte des Impfens” sollen die Menschen an die Spritze bringen, die es bisher nicht ins Impfzentrum oder zum Hausarzt geschafft haben. Man brauche jetzt einen umfassenden Impfschutz der gesamten Bevölkerung, sagte Kalayci am Montag. Für Markus Nisch sind das vor allem auch nicht-deutsche Menschen, die sich von den bisherigen Impfkampagnen nicht abgeholt gefühlt hätten.
Das seien zum Beispiel Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, die aber in der Clubszene verankert seien. Auch Menschen ohne Papiere wolle er eine Impfung ohne Angst ermöglichen, deswegen wird bei den Impfnächten in der Arena ohne Ausweiskontrolle geimpft.
Bislang hat etwas mehr als jede:r zweite Berliner:in einen vollständigen Impfschutz. Nur elf Prozent der unter 18-Jährigen allerdings sind vollständig geimpft. Gerade sie, die Jüngeren, sollen Aktionen wie die Langen Nächte des Impfens erreichen, sagte Gesundheitssenatorin Kalayci.
Zu den Langen Nächten des Impfen können deshalb auch Jugendliche ab 16 Jahren kommen. Nur einen Einwilligungsbogen mit der Unterschrift ihrer Erziehungsberechtigten brauchen sie. Die brauchen sich keine Sorgen zu machen: Eine Bar mit Gratisdrinks gibt es zwar, aber keinen Alkohol. "Es wird aber niemand meckern, wenn man vorher ein Bier oder einen Cocktail trinkt, solange man sich normal verhält“, sagt DRK-Sprecher Hinzmann. Im Impfzentrum bleibt es dann bei Wasser, Limonade und Schorle. Und in die Spritze kommt auch nur der Stoff von Biontech.
Carolin Rückl