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Grüner wird's nicht. Zucht-Cannabis könnten künftig auch die Kassen bezahlen, plant das Gesundheitsministerium.
© dpa

Drogen: Tausende könnten Antrag auf Cannabis-Anbau stellen

Die Hanfplantage im Badezimmer muss genehmigt werden, urteilt das Bundesverwaltungsgericht - wenn Kranken nur die Droge hilft.

Seit Jahren betreibt Ralf Michael F. in seiner Mannheimer Wohnung eine Cannabis-Plantage, praktisch unter den Augen der Polizei. Aber man hat es aufgegeben, ihn dafür zu belangen. Der 52-Jährige ist an Multipler Sklerose erkrankt und benötigt das Rauschgift, um sein Leiden zu lindern.

Jetzt wird das Gewächshaus in seinem Badezimmer endgültig legalisiert: Der Eigenanbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken kann ausnahmsweise genehmigt werden, hat das Bundesverwaltungsgericht geurteilt und das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zur Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis verpflichtet.

Damit haben die Richter Neuland betreten. Dass Cannabis für medizinische Zwecke abgegeben und konsumiert werden darf, steht schon länger fest. Aber der Eigenanbau wurde nicht toleriert. Gegen den Kläger wurden auch Strafverfahren geführt, allerdings erfolglos.

Er könne sich in seiner Situation auf einen rechtfertigenden Notstand berufen, hieß es 2005. Seitdem lässt ihn die Polizei in Ruhe. Dennoch wollte F. Klärung.

Kassen könnten Apotheken-Cannabis künftig erstatten

Die Behandlung des schwer Erkrankten mit seinen selbst gezüchteten Pflanzen liege „ausnahmsweise im öffentlichen Interesse“, urteilten die Richter, weil „kein gleich wirksames und für ihn erschwingliches Medikament zur Verfügung steht“. So genanntes Medizinalhanf aus der Apotheke sei keine Alternative, weil die Krankenkasse dafür die Kosten nicht übernehmen wollte.

Auch sonst erfülle der Kläger die nach dem Gesetz nötigen Voraussetzungen: Die Hanfprodukte seien ausreichend gesichert, es gebe keine Anhaltspunkte für Missbrauch. Zudem verfüge der Kläger „aufgrund der jahrelangen Eigentherapie inzwischen über umfassende Erfahrungen hinsichtlich Wirksamkeit und Dosierung“.

Das beklagte Bundesinstitut hatte daran gezweifelt. Der Anbau im Badezimmer sei „nicht sachgerecht“, sagte ein Vertreter in der mündlichen Verhandlung, die Pflanzen könnten zudem von Sporen und Pilzen befallen werden. Allerdings blieben die entsandten Beamten vor Gericht eine Antwort auf die Frage schuldig, was denn die Alternative sei.

Sie haben keine. Cannabis-Medikamente sind nicht gleich wirksam oder haben sogar Nebenwirkungen, die der Rohstoff selbst nicht mit sich bringt. Es gehe auch nicht um den „gärtnerischen Ehrgeiz“ seines Mandanten, sagte Rechtsanwalt Oliver Tolmein, sondern um die aktuell einzige Möglichkeit, mit der der Patient sein Leiden bekämpfen könne – im Sinne einer „palliativen“, also lindernden, wenn auch nicht heilenden Behandlung.

Jetzt könnten tausende Anträge auf das Bundesinstitut zukommen. In Israel, sagt Tolmein, bezögen 20.000 Menschen Cannabis zu medizinischen Zwecken. Womöglich hat sich das Problem bald erledigt: Das Gesundheitsministerium arbeitet an einem Gesetz, demzufolge die Kassen das Apotheken-Cannabis künftig erstatten sollen.

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