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Kein Wundermittel. Cannabis erweitert das Spektrum der Therapiemöglichkeiten für Schwerkranke etwas.
© Eric Fahrner, Fotolia

Cannabis in der Medizin: Vom High zum Heil

Die Nebenwirkungen von Cannabis sind im Vergleich zu anderen Medikamenten gering. Doch der Nutzen des Medizinalhanf meist auch.

Die Inhaltsstoffe Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) machen die Cannabis-Pflanze als Medikament interessant – etwa gegen Schmerzen, Appetitlosigkeit und Krämpfe. Apotheken vertreiben Medizinal-Cannabisbüten mit standardisiertem Gehalt. Nach einem Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts aus dem Jahr 2014 dürfen chronisch kranke Patienten Cannabis züchten, wenn sonst nichts gegen ihre Beschwerden hilft. Als „Notlösung“ und wenn Apotheken-Cannabis für sie unerschwinglich ist.

Nur bei Patienten mit Multipler Sklerose, die schwere spastische Lähmungen und Krämpfe haben, gegen die andere Mittel versagen, zahlen die Krankenkassen den Cannabis-Extrakt Sativex. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Präparat einen „geringen Zusatznutzen“ attestiert. Das THC-haltige Dronabinol ist zwar seit 1998 auf Betäubungsmittelrezept erhältlich, auch das synthetische Nabilon kann der Arzt verschreiben. Doch weil die Forschungsbelege dünn sind, kommen die Kassen dafür nicht auf. „Wir fordern für alle Medikamente strenge Studien und haben strengste Zulassungsregeln. Das alles gibt es für Medizinalhanf überhaupt nicht“, kritisierte Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin, gegenüber dem Medizinportal „Medscape“.

Bei manchen Tourette-Patienten hilft Cannabis gegen die Tics

„Cannabis ist kein Wundermittel, das für oder gegen alles wirksam wäre. Es ist eine Erweiterung des therapeutischen Spektrums für einige Schwerkranke“, sagt Kirsten Müller-Vahl von der Medizinischen Hochschule Hannover, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin. Die Psychiaterin erforscht die Behandlung des Tourette-Syndroms mit THC. Zwei Pilotstudien deuten darauf hin, dass es gegen die gefürchteten Tics wirkt. „Einige unserer Patienten, die vor Jahren wegen dieser Symptome die Schule abbrechen mussten, machen nun Abitur.“

Der Psychiater Derik Hermann vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim meint: „Die Risiken einer medizinischen Nutzung von Cannabis sind im Vergleich zu den Risiken vieler anderer Medikamente gering und gut einschätzbar.“ Er fände es konsequent, die medizinische Nutzung zu erleichtern. Es wäre sinnvoll, Cannabinoide aus dem Betäubungsmittelgesetz herauszunehmen und als rezeptpflichtige Medikamente zu klassifizieren, ähnlich wie die Substanzgruppe der Benzodiazepine.

Die Sorge um negative Folgen der Freigabe von Marihuana für die Medizin ist anscheinend unbegründet. In den 23 US-Bundesstaaten, die sich seit 1996 zur Legalisierung entschlossen haben, kiffen seitdem nicht mehr Heranwachsende, schreiben Forscher im Fachblatt „Lancet Psychiatry“. Sie haben Daten von über einer Million Teenagern ausgewertet.

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