Kampf gegen Kriminalität: Taser verhindern Blutvergießen
Berlins Innensenator Henkel will Polizisten mit Strompistolen ausrüsten. Gut so: Beamte brauchen mehr Alternativen zur Feuerwaffe. Ein Kommentar.
Es ist der 14. Oktober 2007. Robert Dziekanski steht am Flughafen von Vancouver und weiß nicht mehr weiter. Seit neun Stunden irrt der polnische Immigrant durch das Gebäude, wirkt abgekämpft und orientierungslos, wirft einen Stuhl gegen eine Scheibe. Da er nur polnisch spricht, kann er sich niemandem mitteilen. Er will zu seiner Mutter ziehen, die in Kanada lebt.
Ein Passant fängt die Szene zufällig mit der Kamera ein. Vier Polizeibeamte nähern sich dem Mann, der zwar verwirrt, aber nicht gefährlich zu sein scheint. Offenbar grundlos zücken sie ihre Taser-Pistolen und versetzen ihm Stromstöße: Fünf 50 000-Volt-Schüsse in 31 Sekunden. Dziekanski stirbt einen qualvollen Tod.
An solche Szenen hatte der New Yorker Tüftler Jack Cover sicher nicht gedacht, als er Ende der 60er Jahre mit der Entwicklung der Elektroschock-Waffe begann. Ein Zeitungsbericht über einen Mann, der versehentlich in eine Stromleitung geraten und dadurch kurzfristig außer Gefecht gesetzt worden war, hatte ihn dazu inspiriert. Seine Idee: Mittels einer Strompistole könne man Flugzeugentführungen unblutig beenden.
Restrisiko Mensch
Zwar nicht gegen Flugzeugentführer, aber gegen aggressive Betrunkene und Gewalttäter wird der Taser heutzutage von Sicherheitskräften eingesetzt. Berlins Innensenator und CDU-Landesvorsitzender Frank Henkel will sich mit einer entsprechenden Forderung für reguläre Berliner Streifenpolizisten noch kurz vor der Abgeordnetenhauswahl als Law-and-Order- Politiker profilieren. Die Forderung mag populistisch erscheinen. Aber sie ist sinnvoll.
Todesfälle wie der von Robert Dziekanski sind selten. Zudem starb der Mann nicht wegen des Tasers an sich – die Verletzungsgefahr ist gering, der Effekt umso größer – sondern wegen des exzessiven Gebrauchs durch gewissenlose Polizisten. Nicht die Strompistole selbst ist das Problem, sondern manche Menschen, die sie führen. Dass immer mal wieder Sadisten und psychisch Auffällige durch den polizeilichen Eignungstest rutschen, ist nicht zu verhindern. Der Faktor Mensch birgt immer ein Restrisiko.
Das zeigt auch der „Schwarze Donnerstag“ 2010, an dem Beamte den Anti-Stuttgart-21-Protestler Dietrich Wagner mit einem Wasserwerfer blind spritzten. Völlig zu Recht hat im Nachhinein niemand ernsthaft gefordert, auf den Einsatz von Wasserwerfern bei Demonstrationen zu verzichten.
Die bessere Alternative
Berlin ist ein raues Pflaster für Polizisten. Es fällt leicht auf sie zu schimpfen, weil sie Platzverweise erteilen oder Zwangsräumungen durchführen. Aber sie retten auch Familien vor dem Küchenmesser- schwingenden Ehemann, beenden blutige Fehden zwischen mafiösen Familienclans und sorgen dafür, dass mordlüsterne Neonazis nicht auf Flüchtlingsheime losgehen.
Dafür müssen sie vernünftig ausgestattet sein. Denn wenn Beamten – erst recht in Unterzahl – angesichts der oben genannten Bedrohungen nur die Wahl zwischen laschem Pfefferspray, unhandlichem Knüppel und Schusswaffe bleibt, wird im schlimmsten Fall Blut fließen. Die Polizisten werden aus reinem Selbsterhaltungstrieb dafür sorgen, dass es nicht ihr eigenes Blut ist.
Wer also kopflos gegen Taser polemisiert, sollte sich fragen, ob das die bessere Alternative ist.