Terrorzelle des IS ausgehoben: Tadschiken planten Anschläge auf US-Stützpunkte in Deutschland
Die Islamisten hatten bereits Waffen und Material zum Bau von Bomben beschafft. Die Behörden hielten die Gruppe lange im Blick und hoben sie jetzt aus.
Den Sicherheitsbehörden ist es offenbar gelungen, eine Zelle der Terrormiliz „Islamischer Staat“ auszuheben. Spezialkräfte der Polizei nahmen am Mittwochmorgen in Nordrhein-Westfalen vier Tadschiken im Alter von 24 bis 32 Jahren fest und durchsuchten deren Wohnungen sowie weitere Räume. Die Festnahmen erfolgten in Siegen, Werdohl und im Kreis Heinsberg. In dem von der Coronakrise schwer getroffenen Kreis Heinsberg hätten sich die Beamten des SEK mit Mundschutzmasken vor einer Infektion geschützt, hieß es in Sicherheitskreisen.
Anführer schon seit März 2019 in U-Haft
Der mutmaßliche Anführer der Gruppe, der ebenfalls aus Tadschikistan stammende Ravsan B. (30), sitzt bereits seit dem 15. März 2019 wegen illegalem Waffenbesitz in Untersuchungshaft. Die Terrorzelle habe Einrichtungen der US-amerikanischen Streitkräfte in Deutschland sowie Einzelpersonen angreifen wollen, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Die Beschuldigten verfügten schon über Waffen, Munition und Bauteile für Sprengsätze. Sicherheitskreise betonten, der Fall zeige die anhaltende Gefährlichkeit des IS auch nach dem weitgehenden Verlust seines Territoriums in Syrien und Irak.
IS-Leute in Syrien und Afghanistan dirigierten die Gruppe
Die fünf Männer sollen sich im Januar 2019 der Terrormiliz angeschlossen haben. Im Auftrag des IS gründeten sie in Deutschland die militante Zelle. Sie wurde dirigiert von führenden Mitgliedern des IS in Syrien und Afghanistan. Im Land am Hindukusch ist schon seit Jahren ein Ableger der Terrormiliz aktiv und begeht schwere Anschläge.
Die Gruppe sollte nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft zunächst nach Tadschikistan reisen, um dort für den IS im Dschihad gegen die Regierung zu kämpfen. Doch dann erfolgte eine Änderung der Pläne. Der IS wollte Anschläge in Deutschland. Mitglieder der Zelle spähten zwei Stützpunkte der US-Luftwaffe aus.
Islamkritischer YouTuber sollte ermordet werden
Einer der Terroristen, Farhodshoh K., spionierte zudem einem arabischstämmigen Blogger hinterher, der sich bei YouTube kritisch über den Islam geäußert hatte. Der Mann sollte ermordet werden.
Um an Geld für sich und den IS zu kommen, nahmen Ravsan B. und der ebenfalls der Zelle angehörende Sunatullokh K. Anfang 2019 einen mit 40 000 Dollar dotierten Auftrag aus Albanien an, dort einen Mordanschlag zu begehen. Der Fall selbst hatte offenbar keinen politischen Hintergrund, es ging nur um das Geld.
Auftragsmord in Albanien scheiterte
Die beiden Terroristen reisten nach Albanien, waren sich dort aber nicht sicher, ob die von ihnen ins Visier genommene Person diejenige war, die sie töten sollten. Ohne ein Attentat verübt zu haben, kehrten die Tadschiken nach Deutschland zurück und setzten die Planungen für Terrorangriffe fort.
Die Sicherheitsbehörden hatten die Zelle offenbar schon länger im Blick. Ende März 2019 nahm die Polizei in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg elf Männer, die meisten aus Tadschikistan, wegen des Verdachts auf Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vorläufig fest.
Tadschike raste durch Essen
Kurz zuvor war ein Tadschike mit einem Fahrzeug durch die Innenstadt von Essen gerast und hatte Passanten gefährdet. Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf, die bereits ein Verfahren gegen Tadschiken wegen Terrorverdachts führte, sah in der gefährlichen Fahrt einen möglichen Anschlagsversuch. Doch dann stellte sich heraus, dass der Fahrer mit den festgenommenen Terrorverdächtigen nichts zu tun hatte.
Die elf Männer kamen wieder frei, blieben aber unter Beobachtung. Die Generalstaatsanwaltschaft setzte ihre Ermittlungen fort. Als sich der Verdacht verstärkte, der schon inhaftierte Ravsan B. und Komplizen hätten im Januar 2019 eine Terrorzelle im Auftrag des IS gebildet und Anschläge geplant, übernahm die Bundesanwaltschaft im Juli das Verfahren.
Es dauerte allerdings bis zu diesem April, dass die Indizien für Haftbefehle gegen Ravsan B. und seine vier mutmaßlichen Komplizen wegen des dringenden Tatverdachts der Gründung einer Terrorzelle des IS ausreichten. Nach der Festnahme von Ravsan B. am 15. März 2019 verhielten sich seine Kumpane offenbar weitgehend passiv. Bundesanwaltschaft und Polizei blieben jedoch an der IS-Gruppe dran und zogen sie jetzt aus dem Verkehr.