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Svenja Schulze spricht im Bundestag über den Bundeshaushalt 2019.
© Kay Nietfeld/dpa

Klimaschutzgesetz: Svenja Schulze will Minister zum CO2-Sparen zwingen

Die Umweltministerin legt ihren Entwurf für ein Klimaschutzgesetz vor. Ressorts, die Ziele verfehlen, sollen selbst dafür zahlen. Aus Tagesspiegel Background.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) will andere Ressorts per Gesetz mit drohenden Einschnitten im Haushalt und Sofortprogrammen zum Klimaschutz zwingen. Sollten dem Bund Kosten entstehen, weil europäische Verpflichtungen verfehlt werden, würden diese Ausgaben „anteilig nach dem Grad der Nichteinhaltung“ in den Haushalten der verantwortlichen Bundesministerien veranschlagt, heißt es in einem Entwurf für ein Klimaschutzgesetz, der Tagesspiegel Background vorliegt.

In dem Entwurf heißt es wörtlich: „Das aufgrund seines Geschäftsbereichs für einen Sektor überwiegend zuständige Bundesministerium ist für die Einhaltung der Jahresemissionsmengen verantwortlich.“ Das jeweilige Ministerium müsse die notwendigen nationalen Maßnahmen veranlassen, um die CO2-Obergrenzen einzuhalten. Die Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Bundesregierung bleibe davon aber unberührt.

Feste Mengen an erlaubten Treibhausgas-Emissionen soll es für die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie „Abfallwirtschaft und Sonstiges“ geben. Die Fachminister sollen für ihren Bereich Programme vorlegen, die von der Bundesregierung beschlossen werden. Konkrete Maßnahmen will Schulze also den Kollegen nicht vorschreiben.

Verkehr, Industrie und Energie müssen reduzieren

Einige Beispiele für die geplanten Emissionsminderungen: Der Verkehr soll seinen Ausstoß von 145 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr 2021 auf 95 Millionen Tonnen im Jahr 2030 senken. Von 1990 bis 2018 waren die Emissionen in diesem Bereich nicht zurückgegangen, wie von der Bundesregierung geplant, sondern sogar leicht gestiegen. Die Industrie soll nach dem Gesetzentwurf ihren Ausstoß von 182 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr 2021 auf 140 Millionen drücken. Für die Energiewirtschaft wird das Vergleichsjahr 2022 mit 257 Millionen Tonnen gewählt, die bis 2030 auf 175 Millionen Tonnen zurückgehen sollen.

Wenn ein Sektor sein Ziel verfehlt, soll die Bundesregierung in der Regel innerhalb von sechs Monaten ein Sofortprogramm beschließen, das wiederum binnen sechs Monaten umgesetzt werden muss. Die Sektorziele stehen schon im Klimaschutzplan von 2016, sie sind aber bisher nicht verbindlich. Das Gesetz, wie es Schulze Anfang der Woche dem Kanzleramt zur Früh-Koordinierung vorgelegt hat, würde das ändern.

Im Entwurf heißt es, es seien verstärkte Anstrengungen erforderlich, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu mindern und „erhebliche Belastungen“ des Bundeshaushalts abzuwenden. Neben Einzelmaßnahmen in allen Sektoren sei dafür ein übergreifender Rahmen nötig. Klare gesetzliche Regelungen sorgten für Planungssicherheit. Deutschland hat nicht nur nationale Ziele, sondern Verpflichtungen innerhalb der EU. Werden diese verfehlt, muss Berlin Verschmutzungsrechte zukaufen. Das könnte den Bundeshaushalt bis 2030 bis zu 41 Milliarden Euro kosten. Über diese Berechnungen des Öko-Instituts hatte Tagesspiegel Background am Mittwoch exklusiv berichtet.

Aus fiskalischen, aber vor allem aus Klimaschutzgründen will Schulze bis 2050 die Treibhausgasemissionen um „mindestens 95 Prozent“ senken. Bisher hatte die Koalition lediglich eine Spanne von 80 bis 95 Prozent genannt. Zudem will Schulze jahresgenaue CO2-Budgets vorgeben. Stößt ein Sektor weniger oder mehr Kohlendioxid oder andere Treibhausgase aus als erlaubt, soll die Differenz auf die folgenden Budgets angerechnet werden.

Neues Sachverständigengremium für Klimafragen

Der Bundestag soll nach dem Gesetzentwurf ein siebenköpfiges „Sachverständigengremium für Klimafragen“ benennen, das unter anderem Klimaschutzmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit prüft. Das Gremium soll jeweils Mitte Dezember ein Gutachten vorlegen. Das Klimaschutzgesetz ist das größte und wichtigste Vorhaben des Umweltministeriums in dieser Legislaturperiode. Es gibt darüber aber bereits Streit in der Koalition. Unionspolitiker wollen kein Rahmengesetz, wie Schulze es plant, sondern nur Maßnahmengesetze für die einzelnen Bereiche. Derzeit berät eine Arbeitsgruppe über Klimaschutz im Verkehr, eine geplante Kommission zum Gebäudebereich hat die Koalition auf Eis gelegt.

Mit dem Gesetzentwurf setzt sich der Bund auch das Ziel, die Bundesverwaltung bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu organisieren. Um dieses Ziel zu erreichen, will die Bundesregierung bis spätestens 2020 entsprechende Maßnahmen für die Behörden des Bundes und sonstige Bundeseinrichtungen einführen. Die Bundesverwaltung soll sich insbesondere durch einen sparsamen Umgang mit Energie und die Wahl möglichst klimaschonender Verkehrsmittel hervortun. Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass der Bund praktisch gar keine E-Autos nutzt.

Linke bietet Schulze Unterstützung an

Die politischen Reaktionen auf den Gesetzentwurf waren erwartungsgemäß sehr unterschiedlich: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) warnte die Union davor, die Pläne Schulzes zu blockieren. „Das Klimaschutzgesetz steht im Koalitionsvertrag“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Man könne zwar ernsthaft über Details des Gesetzes reden. „Doch man darf das Klimaschutzgesetz nicht einfach infrage stellen.“

Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, sagte: „Es ist gut, dass die Umweltministerin nun ihre Kabinettskollegen beim Klimaschutz treibt. Entscheidend wird sein, ob sich Schulze durchsetzt.“ Es wäre absolut inakzeptabel, wenn die Bundesregierung kein echtes Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen würde.

Der Linken-Klimaexperte Lorenz Gösta Beutin forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, Schulze zu unterstützen. Die Linke biete Schulze im Parlament ihre Unterstützung für ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz an.

Dagegen kritisierte FDP-Klimapolitiker Lukas Köhler den Entwurf als „Klima-Planwirtschaft“. Feste Treibhausgas-Mengen für die Sektoren Energie und Industrie seien „völlig absurd“, da deren CO2-Ausstoß durch den EU-Emissionshandel ohnehin europaweit gedeckelt sei. (mit dpa)

Der Beitrag erschien zuerst in unserem Entscheider-Briefing Tagesspiegel Background Energie & Klima.

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