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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf einer Pressekonferenz
© Odd Andersen/AFP/POOL/dpa

Lockdown-Gipfel von Bund und Ländern: Sturkopf, Merkel-Fan, Hotspot-Stratege – die Corona-Entscheider im Überblick

Gemeinsame Linie oder Widerstand aus den Ländern: Das Treffen der Ministerpräsidenten entscheidet, welche Maßnahmen gegen die Pandemie gelten. Wer will was?

Am Mittwoch wollen Bund und Länder Klarheit schaffen, wie es weitergeht mit den Corona-Maßnahmen - und wie Deutschland Weihnachten und Silvester verbringt. Das sind wichtigsten Entscheider bei den Anti-Corona-Maßnahmen – von Helge Braun bis Manuela Schwesig.

Helge Braun

Die Lage kann noch so dramatisch sein, der Kanzleramtsminister Helge Braun spricht immer ruhig. Vor den Beschlüssen zum Teil-Lockdown rechnete er aber mit scharfer Präzision vor, was ohne Gegensteuern passieren und wann es keine freien Intensivbetten mehr geben würde. Alle Kräfte wurden von ihm mobilisiert, um Bürger und Ministerpräsidenten von der Notwendigkeit neuer massiver Einschränkungen zu überzeugen.

Der Intensivmediziner aus Gießen ist wie seine Chefin, Kanzlerin Angela Merkel (CDU), ein Verfechter einer möglichst strengen, bundesweit einheitlichen Linie.

Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU).
Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU).
© Kay Nietfeld/dpa

In der ersten Welle folgten ihm die Bundesländer mehr – unter dem Eindruck der Bilder aus Italien, wo Militärlastwagen die Leichen in Bergamo abtransportierten. In der zweiten Welle ist das Infektionsgeschehen regional sehr unterschiedlich, daher stößt Braun, dem einige Starrköpfigkeit vorwerfen, immer öfter auf Widerstand.

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Dass die jüngste Bund-Länder-Runde völlig schief lief, kreiden einige in den Staatskanzleien ihm an. „Das waren weltfremde Vorschläge“, sagt ein Beteiligter. Etwa die Empfehlungen, dass Kinder nur noch einen Freund treffen sollen. Zudem wurde das Reinregieren des Bundes in die Organisation des coronakonformen Schulbetriebs kritisiert. Und auch die Probleme mit der Corona-Warn-App und den zu wenigen verfügbare Corona-Schnelltests werden Braun angekreidet.

Michael Müller

Als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz hat Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller am Sonntag eine Beschlussvorlage präsentiert, die eng abgestimmt war mit den SPD-regierten Ländern und mit der Bayerischen Staatskanzlei.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (CSU).
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (CSU).
© Odd Andersen/dpa

Diese übernimmt die Koordination der Interessen der CDU- und CSU-geführten Länder. Müller weiß, dass er ein Gesamtkonzept vorlegen muss, das vor der entscheidenden Schalte mit dem Kanzleramt am Dienstag den größtmöglichen Konsens erzielt. Müller ist es wichtig, dass die Schulen auf eine Mischung von Präsenz- und digitalen Unterricht umsteigen und den Unterrichtsbeginn staffeln. Eine Halbierung der Klassen, wie sie das Kanzleramt vergangene Woche vorschlug, ist vom Tisch. Dass sich alle Augen auf Berlin als Corona-Hotspot richten, ist Müller bewusst.

Deshalb wird sich auch der gesamte rot-rot-grüne Senat an den am Mittwoch auf dem Corona-Gipfel bei Merkel erzielten Ergebnissen orientieren und voraussichtlich am Donnerstag in einer Sondersenatssitzung die Änderungen für Berlin beschließen. Die neuen Regelungen werden bis zum 20. Dezember gelten und gegebenenfalls am 15. Dezember noch einmal angepasst werden.

Armin Laschet

Armin Laschet hat zwei Probleme: An ihm klebt das Image des Lockerers aus der ersten Phase der Corona-Pandemie. Und ihm läuft die Zeit davon, um das Rennen um den CDU-Vorsitz noch zu seinen Gunsten zu entscheiden.

Sein Ansatz ist dabei einer, der in der ersten Welle durchaus viel gebracht hat. Statt in zu vielen Einzelregelungen sieht er in den Kontaktbeschränkungen ein Erfolgsrezept. Diese müssten aber bei Verstößen mit hohen Bußgeldern geahndet werden, damit sie wirken. Und damit auch in Regionen mit weiterhin sehr hohen Infektionszahlen Weihnachten gefeiert werden kann, unterstützt Nordrhein-Westfalen die Formel: ein Haushalt plus zwei als Option.

Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen: Armin Laschet (CDU).
Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen: Armin Laschet (CDU).
© Sascha Steinbach/dpa

Kommunikativ nach hinten los ging aber seine Aussage in der „Welt am Sonntag“, es stehe „das härteste Weihnachten, das die Nachkriegsgenerationen je erlebt haben“ bevor.

Nicht nur in seinem Umfeld findet man, dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sich zwar als kraftvollen Macher verkaufe, doch was Testpannen und Infektionszahlen betrifft, sehe seine Bilanz nicht so gut aus. Und Laschet war es auch, der den bislang größten Einzelausbruch – in der Fleischfabrik Tönnies im Kreis Gütersloh – zu managen hatte und mit einem regionalen Lockdown ein Übergreifen auf weitere Teile Deutschlands vermieden.

Als Resultat wurde die Hot-Spot-Strategie entwickelt, mit der nun auch wieder für ein Aufheben des Teil-Lockdowns relevanten Grenze von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in sieben Tagen. Über diesem Wert droht ein Kontrollverlust bei der Kontaktnachtverfolgung.

Markus Söder

Markus Söder ist in der Corona-Politik eher an der Seite der Kanzlerin, aber es soll natürlich nicht so auffallen. Denn der bayerische Ministerpräsident will als eigenständige Figur wahrgenommen werden, wie jeder Regent aus dem Freistaat im Süden.

Söder liegt an schärferen bundesweiten Vorgaben, weil ihm das die Sache in Bayern erleichtert. Sein Land ist coronapolitisch nicht ganz einfach zu steuern. Es gibt dort mehrere Landkreise mit Inzidenzwerten, die höher sind als in Berlin, das Söder gern als Virusschleuder darstellt.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU).
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU).
© imago images/Bayerische Staatskanzlei

Das Berchtesgadener Land war am Beginn der zweiten Welle sozusagen der große Aufmerksamkeits-Hotspot. Doch als Lenker einer einheitlichen Politik der Union kann Söder nicht auftreten.

Da ist die Kanzlerin mit Ehrgeiz dabei, und Armin Laschet setzt Kontrapunkte. Was den Bayern, der schon als Landesfinanzminister nicht gern an den zähen kooperativen Bund-Länder-Runden teilnahm, natürlich schmerzen dürfte. Alleingänge wären ihm wohl lieber.

Winfried Kretschmann

Winfried Kretschmann ist immer schon ein Fan der Kanzlerin gewesen, und in der Coronakrise ist es der baden-württembergische Ministerpräsident geblieben. Im Gegensatz zu Söder ist er somit ein freiwilliger Helfer. Zwar findet nicht alles, was Helge Braun vorschlägt, in Stuttgart Gefallen. Aber eine generell strengere Linie ist dort willkommen, denn auch Baden-Württemberg gehört zu den Ländern mit überdurchschnittlicher Infektionshäufigkeit.

Zudem bietet die Position einer distanzierten Nähe zur Kanzlerin Kretschmanns Herausforderin und Kultusministerin Susanne Eisenmann von der CDU weniger Angriffsfläche.

Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
© Sebastian Gollnow/dpa

Im März wird im Südwesten gewählt. Dass Kretschmann seit Beginn der Epidemie zu den Vorsichtigen gehört, hat wohl auch damit zu tun, dass er als ehemaliger Lehrer für Biologie und Ethik fachlich eine gewisse Nähe zu der Problematik hat. Sein Problem: Als Grüner ist er im Bund-Länder-Spiel, das weitgehend eines zwischen Union und SPD ist, kein aktiver Mitentscheider. Aber als Ministerpräsident mit der zweitlängsten Amtszeit (hinter Volker Bouffier) kann er als ältere Stimme der Vernunft Punkte machen.

Manuela Schwesig

Die Jüngste in der Runde ist nicht die Unwichtigste: Manuela Schwesig (46) führt die Regierung von Mecklenburg-Vorpommern erst seit drei Jahren. Obwohl ihr Bundesland von der Einwohnerzahl an drittletzter Stelle liegt, ist die Sozialdemokratin in den Beratungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie ein Machtfaktor.

Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern.
Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern.
© Bernd Wüstneck/dpa

Im September 2019 hatte die Ex-Bundesfamilienministerin ihre Brustkrebserkrankung öffentlich gemacht, gab zwar ihr Amt als stellvertretende SPD-Chefin auf, füllte ihren Job als Ministerpräsidentin aber weiter aus. Die Mutter zweier Kinder kämpfte sich durch die Therapie, twitterte kürzlich, dass eine Nachuntersuchung ihr vollkommene Genesung bestätigt hatte.

Hartnäckigkeit hatte schon vor dem Wechsel nach Schwerin, wo sie bis 2013 Sozialministerin gewesen war, zu ihren herausragenden politischen Eigenschaften gehört. Unter der Herausforderung der Pandemie setzt sie sich nun für die Interessen ihres Landes ein, in dem die Infektionszahlen niedriger sind als in vielen anderen Bundesländern. Schwesig ergriff früh restriktive Maßnahmen, etwa ein Beherbergungsverbot, verlangte aber flexible Regeln für Regionen mit vergleichsweise schwachem Infektionsgeschehen.

Es sieht so aus, als ob sie sich damit durchsetzt. Ihr Ansehen in der SPD, das ohnehin gut ist, dürfte das noch mehren.

Oberbuügermeister von Hamburg: Peter Tschentscher (SPD).
Oberbuügermeister von Hamburg: Peter Tschentscher (SPD).
© imago images/Emmanuele Contini

Peter Tschentscher

Neben Helge Braun gehört der Runde ein zweiter promovierter Arzt an: Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (54) arbeitete bis zu seiner Berufung zum Finanzsenator vor neun Jahren als Oberarzt und Privatdozent am Diagnostikzentrum der Universitätsklinik Eppendorf, er hatte zuvor die Habilitation für das Fach Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin erhalten.

Im März 2018 wurde Tschentscher Nachfolger von Olaf Scholz, der ins Bundesfinanzministerium wechselte. Schon früh in der Pandemie hatte sich der Sozialdemokrat gegen Regeln gewandt, die Bundesländer voneinander abschotten – im Stadtstaat Hamburg arbeiten viele Pendler, die entweder in Schleswig-Holstein oder in Niedersachsen wohnen; umgekehrt suchen viele Hamburger dort Erholung.

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