zum Hauptinhalt
Hochspannung in Athen. Die Finanzlage des Krisenlandes spitzt sich offenbar dramatisch zu.
© dpa

Griechenland: Stunde der Wahrheit in Athen

Die Geldgeber und die griechische Regierung nehmen bei ihren Verhandlungen in Brüssel einen neuen Anlauf. Jetzt gilt es für Premier Tsipras endgültig, Farbe zu bekennen - gegenüber der Syriza-Linken und seinen Wählern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Allmählich scheint die Athener Regierung in der Realität anzukommen. Ja zu weiteren Hilfsmilliarden aus Brüssel, nein zu substanziellen Zugeständnissen an die Gläubiger – das ist die Haltung, mit der Regierungschef Alexis Tsipras seine Gesprächspartner in Athen und Brüssel bis jetzt konfrontiert hat. Doch nun könnte Bewegung in die Verhandlungen kommen. Die Ursache liegt weniger in einer plötzlichen realpolitischen Erdung der Syriza-Dogmatiker als in der drohenden Staatspleite: Die finanzielle Lage Griechenlands spitzt sich offenbar dramatisch zu. Nach wochenlangem Stillstand wollen sich deshalb beide Seiten wieder in Brüssel zusammensetzen, um ernsthaft nach einer Lösung zur Konsolidierung des Athener Etats zu suchen. Noch hält die Syriza-Regierung viele Bälle in der Luft, um Gesprächsbereitschaft gegenüber den Geldgebern zu signalisieren: Beibehaltung der Immobilien-Sondersteuer, Erhöhung der Mehrwertsteuer, verbindliche Zahlung per Kreditkarte ab einem bestimmten Betrag im Kampf gegen Steuerbetrüger. Zu welchen Zugeständnissen sich Tsipras am Ende tatsächlich bereit erklärt, bleibt vorerst offen.

Tsipras' Spielraum ist begrenzt

Faktisch ist der Verhandlungsspielraum des Regierungschefs begrenzt, weil die extreme Linke, die etwa ein Drittel der Parlamentsfraktion stellt, wohl kaum klein beigeben wird. Aber früher oder später wird Tsipras seinen Wählern erklären müssen, dass ein kompletter Bruch mit der Sparpolitik seines Amtsvorgängers Antonis Samaras nicht zu haben ist, wenn er an die Hilfsmilliarden herankommen will. Dabei hat das regierende Linksbündnis Syriza durchaus die Chance, es besser zu machen als die bisherigen Regierungsparteien. In der Vergangenheit wurden nämlich unter hohem Zeitdruck soziale Einschnitte nach der Rasenmäher-Methode auch deshalb mit der Troika vereinbart, weil die Gesprächspartner in Athen sich auf keine Detailverhandlungen zur sozialen Ausdifferenzierung der Sparvorschläge einlassen wollten. Jetzt ist Tsipras’ Stunde der Bewährung gekommen.

Zur Startseite