Euclid Tsakalotos ist neuer Chefunterhändler: Griechischer Rollentausch - Yanis Varoufakis im Abseits
Alexis Tsipras hält an Finanzminister Yanis Varoufakis fest, die Gespräche mit den Geldgebern sollen aber andere leiten.
Berlin - Gerade erst ist Finanzminister Yanis Varoufakis nach einem EU-Gipfeltreffen zurück in Athen, auf dem die Gespräche mit den anderen Finanzministern eskalierten – nun zieht der Premierminister aus dem Verhandlungsdebakel wohl personelle Konsequenzen. Hatte die griechische Seite vorher noch verbreitet, man hoffe auf eine Einigung, scheinen die beiden Seiten nun eher noch weiter entzweit als zuvor. Varoufakis, von seinen Kollegen als „Zeitverschwender“ und „Spieler“ beschimpft, schwänzte tief gekränkt ein gemeinsames Abendessen der Minister.
Stattdessen soll er sich mit Freunden in der Stadt getroffen haben. Dass in einer solch vergifteten Atmosphäre sachliche Gespräche nur noch sehr schwer möglich sind, weiß wohl auch Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras – und reagiert: Zukünftig trägt Varoufakis nicht mehr die alleinige Verantwortung für die Verhandlungen mit den EU-Geldgebern.
Neuer Koordinator des griechischen Verhandlungsteams wird der stellvertretende Außenminister Euclid Tsakalotos. Tsakalotos ist ebenfalls studierter Ökonom und war ohnehin wirtschaftlicher Sprecher der Regierung Tsipras und damit in die Verhandlungen eingebunden. Nun soll er diese zentral organisieren – ein solcher Ansprechpartner wurde von EU-Seite seit Langem gefordert.
Viele Beobachter sehen darin die Entmachtung Varoufakis’
In Athen verkauft man die Nominierung daher als rein organisatorische Formalie, die helfen soll, die Verhandlungen zu beschleunigen. Viele Beobachter aber sehen in diesem Schritt eine Entmachtung Varoufakis’. Denn ein zentraler Koordinator und damit die Etablierung einer zweiten starken Figur bedeutet eben auch weniger Macht für den streitbaren Finanzminister. Zudem sollen die Gespräche in Brüssel künftig von Giorgos Houliarakis geleitet werden, im Gegensatz zu seinem Vorgänger kein Vertrauter von Varoufakis.
Tsakalotos gilt als deutlich beherrschter und einfacher im Umgang als der Finanzminister. Inhaltlich wird sich an der Position Griechenlands in den Verhandlungen dadurch aber nichts ändern. Auch Tsakalotos forderte in der Vergangenheit eine Schuldenerleichterung für Griechenland und hat das Wahlprogramm seiner Partei in Wirtschaftsfragen geprägt. Der Kampf gegen Korruption und Steuerhinterziehung sei wichtiger als liberale Reformen, verkündete er zum Antritt der neuen Regierung im Januar.
Dass es aber allein wegen personeller Veränderungen vor dem nächsten Treffen der Eurogruppe am 11. Mai in Athen große Fortschritte oder gar Entscheidungen geben wird, ist unwahrscheinlich – obwohl Griechenland das Geld ausgeht. Gerüchte, die Regierung biete nun von sich aus Renteneinschnitte oder eine Erhöhung der Umsatzsteuer an, wies ein Regierungssprecher im Gespräch mit dem Tagesspiegel zurück. Alexis Tsipras telefonierte am Montag erneut mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), um die griechische Geldnot zu schildern – sagen EU-Quellen. Um sicherzugehen, dass Merkel nach dem „beleidigenden Verhalten“ der Finanzminister noch an der Seite Griechenlands stehe – heißt es aus Athen.
Dass die Kassen so gut wie leer sind, bestreitet auch in Griechenland niemand mehr. Wie lange das Geld aber tatsächlich noch reicht, bleibt weiter unklar. Bisher hat die Regierung alle Schulden rechtzeitig bedient. Viele Rechnungen, etwa von Lieferanten, bleiben aber unbezahlt. Fachleute erwarten, dass Athen seinen Zahlungsverpflichtungen allenfalls bis Ende Mai nachkommen kann. Deshalb gilt das Treffen der Eurogruppe am 11. Mai als neues Schicksalsdatum. Wenn auch dann keine Einigung über die Reformliste erzielt wird, dürfte der Staatsbankrott unvermeidlich werden.
Die griechische Bevölkerung ist deshalb stark verunsichert. Nach einer Umfrage vom vergangenen Wochenende wollen fast drei von vier Befragten eine rasche Einigung mit den Gläubigern. Ebenso viele möchten am Euro festhalten. Hinter den massenhaften Abhebungen steht die Angst, dass Ersparnisse eingefroren oder sogar in eine neue Drachme konvertiert werden. Die große Sorge: Um ihren Finanzbedarf zu decken, könnte die Regierung als Nächstes nach den Bankeinlagen greifen, etwa mit einer Zwangsanleihe auf höhere Guthaben.
Kapitalverkehrskontrollen schon am Wochenende?
Das funktioniert nur, wenn zugleich Kapitalkontrollen eingeführt werden. Auslandsüberweisungen würden eingeschränkt, Abhebungen begrenzt – etwa auf 100 Euro am Tag. Einige Beobachter fürchten solche Kapitalverkehrskontrollen schon am Wochenende. Andere bezeichnen sie als vorerst unwahrscheinlich.
Alexis Tsipras will diesen Ängsten in einem Marathon-Interview begegnen. In der Nacht von Montag auf Dienstag – so war es angekündigt – wollte sich der Premier drei Stunden lang Fragen im griechischen Fernsehen stellen. Dabei werde er „auf alle Fragen antworten, die sich dem griechischen Volk stellen“, hieß es im Vorfeld.