zum Hauptinhalt
Stillstand in Brokdorf. Seit klar ist, dass ein Teil der Brennelemente zu schnell korrodiert, muss der Betreiber erst einmal nach den Ursachen suchen.
© Preussen Elektra

Atomkraft: Strenge Auflagen für das Atomkraftwerk Brokdorf

Die Anpassung an die erneuerbaren Energien lässt die Brennstäbe im Atomkraftwerk Brokdorf schneller oxidieren. Anfang des Jahres wurden die Grenzwerte erstmals überschritten. Seit Februar steht das Kraftwerk still.

Das Atomkraftwerk Brokdorf muss seine Leistung drosseln. Unter dieser Bedingung hat die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein den Austausch der Brennelemente genehmigt. Damit ist allerdings noch keine Wiederanfahrgenehmigung verbunden, heißt es in einer Pressemitteilung des Energiewende-Ministeriums in Kiel. „Brokdorf darf künftig nur in einem abgesicherten Modus betrieben werden“, sagt Energiewende-Minister Robert Habeck (Grüne). Damit meint er: Das Kraftwerk darf nicht in einer Weise betrieben werden, dass es schnell hoch- oder wieder runtergefahren wird, um sich dem Angebot erneuerbarer Energien im Stromnetz anzupassen. „Atomenergie eignet sich nicht als Brückentechnologie“, sagte Habeck dem Tagesspiegel. Atomkraft und erneuerbare Energien passten einfach nicht zusammen. Zu einem ähnlichen Schluss ist Greenpeace schon vor Jahren in einer Studie gekommen, die vor genau solchen Material-Verschleißproblemen gewarnt hatte.
Nach Einschätzung der Atomaufsicht in Kiel ist die Ursache für eine ungewöhnlich schnelle und starke Korrosion an Brennstäben im Atomkraftwerk Brokdorf darauf zurückzuführen, dass 2006 die Leistung von 1440 Megawatt auf 1480 Megawatt erhöht worden ist, und die Anlage im Lastfolgebetrieb gefahren worden ist. Das bedeutet: Die Stromproduktion wurde relativ schnell gedrosselt oder erhöht, je nachdem, wie viel Windstrom im Stromnetz war, diese Fahrweise sei insbesondere seit 2015 häufiger praktiziert worden. „Diese Beanspruchung hat nach unseren Erkenntnissen zu der unerwarteten Oxidation im oberen Bereich einiger Brennstäbe geführt“, sagte Habeck. 2015 waren die Kosten für die Abregelung von Windrädern im hohen Norden besonders hoch, weil die Netze oft an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt waren.

Atomstrom und Windstrom vertragen sich nicht

Seit Anfang Februar steht die Anlage still. Am 4. Februar hatte die Betreiberfirma Preussen Elektra, die Atomtochter von Eon, das Kraftwerk zur Revision abgeschaltet. Ende Februar wurde klar, dass an 464 Brennstäben ein erhöhter Oxidbefund unterhalb des Grenzwertes und an zehn Brennstäben in drei Brennelementen eine Oxidschicht größer als 0,1 Millimeter gemessen wurde. Damit war der Grenzwert überschritten. Schon seit 2011 seien aber Hinweise auf eine erhöhte Korrosion bekannt gewesen, heißt es in der Mitteilung des Ministeriums.

Preussen Elektra lobt das 1986 in Betrieb genommene Atomkraftwerk als besonders leistungsstark. Bis zu 90 Prozent des Strombedarfs in Schleswig-Holstein könne das Kraftwerk decken, heißt es auf der Internetseite des Betreibers, der die Leistung übrigens lediglich mit 1410 Megawatt angibt. Ende 2021 wird das Akw Brokdorf stillgelegt. Der Betreiber habe in seinen eigenen Recherchen vermutet, dass das Material der Hüllrohre M5 für das Problem verantwortlich sein könnte. Auch die Wasserchemie und die Temperaturunterschiede im Betrieb seien untersucht worden. Doch der Leiter der Atomaufsicht, Jan Backmann, hält keine dieser Thesen für plausibel. Es gebe aber einen Zusammenhang zwischen Leistung, Lastfolge und Oxidation. Zusätzlich habe der Betreiber noch einige praktische Veränderungen beim Abfahren des Reaktors vorgenommen.

Auch beim Akw Leibstadt in der Schweiz gibt es Probleme

Die atompolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Sylvia Kotting- Uhl, kommentierte die Mitteilung aus Kiel mit einer Forderung an das Bundesumweltministerium. Die „Brokdorf-Erkenntnisse müssten unverzüglich mit der Schweizer Atomaufsicht“ diskutiert werden. „Denn das dortige Akw Leibstadt direkt an der Grenze zu Deutschland hat ähnliche Probleme wie Brokdorf.“ Kotting- Uhl warf den Schweizer Behörden jedoch vor, „beide Augen zuzudrücken und Leibstadt laufenzulassen, obwohl die Problemursachen nicht aufgeklärt sind“. Leibstadt müsse wie Brokdorf mindestens vorübergehend abgeschaltet werden, „bis vollständige Klarheit herrscht“, fordert die Politikerin.

Zur Startseite